Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Historischer Theil.
Bip. Mit drei Fingern legt man Opferfladen, Weihrauch u. dgl.
Aristoph. Wesp. 95. Porphyr. de abstin. ii, 15. Ovid. F. ii,
573. Lactaut. Inst. v, 19.

194. In der Bildung der Köpfe herrschen in der alt-
griechischen Kunst gewisse Grundformen, welche, theils
aus alter Unvollkommenheit der Kunst, theils aus einer
unschönen Auffassung nationaler Züge hervorgegangen,
durch häufige Anwendung in berühmten Kunstschulen ein
beinah typisches Ansehn erlangt hatten, und daher auch
dann noch beibehalten wurden, als die Kunst in der Bil-
dung des übrigen Körpers schon sehr weit vorgeschritten
2war. Dazu gehören im Ganzen eine zurückliegende Stirn,
spitze Nase, eingezogener Mund mit emporgerichteten Win-
keln, flache langgezogene Augen, starkes eckiges Kinn,
flache Wangen, hochsitzende Ohren.

1. Vultum ab antiquo rigore variare, war Verdienst
des Polygnot in der Mahlerei Plin. xxxv, 35.

2. S. N. 3. 5. 6. 7. 11. 12. 13. 14. 16. Von den Aegi-
net. Statuen besonders den Athenakopf. Die Münzen §. 98.

95. Das Eigenthümliche des Aeginetischen Styls
scheint, den Andeutungen bei den alten Schriftstellern
und dem Charakter der erwähnten Sculpturen zufolge,
theils in strenger Festhaltung des Alterthümlichen, theils
in sehr genauer und emsiger Nachahmung der Natur,
somit (dem Stammcharakter der Dorier gemäß) in einer
sehr gewissenhaften aber wenig freien Art die Kunst zu
treiben, bestanden zu haben.

Tropos tes ergasias o Aiginaios, plastike e Aigi-
naia u. dgl. Paus. i, 42. ii, 30. vii, 5. viii, 53. x, 36.
welcher ton Attikon ta arkhaiotata, so wie die Aiguptia
davon genau unterscheidet, vii, 5. Liginetika erga tous
sumbebekotas (vgl. §. 68. Anm. 3.) andriantas.


Ueberreste der bildenden Kunst.

96. Die Reste des altgriechischen Styls bestimmt zu
bezeichnen ist deswegen schwierig, weil, abgesehn von dem

Hiſtoriſcher Theil.
Bip. Mit drei Fingern legt man Opferfladen, Weihrauch u. dgl.
Ariſtoph. Weſp. 95. Porphyr. de abstin. ii, 15. Ovid. F. ii,
573. Lactaut. Inst. v, 19.

194. In der Bildung der Koͤpfe herrſchen in der alt-
griechiſchen Kunſt gewiſſe Grundformen, welche, theils
aus alter Unvollkommenheit der Kunſt, theils aus einer
unſchoͤnen Auffaſſung nationaler Zuͤge hervorgegangen,
durch haͤufige Anwendung in beruͤhmten Kunſtſchulen ein
beinah typiſches Anſehn erlangt hatten, und daher auch
dann noch beibehalten wurden, als die Kunſt in der Bil-
dung des uͤbrigen Koͤrpers ſchon ſehr weit vorgeſchritten
2war. Dazu gehoͤren im Ganzen eine zuruͤckliegende Stirn,
ſpitze Naſe, eingezogener Mund mit emporgerichteten Win-
keln, flache langgezogene Augen, ſtarkes eckiges Kinn,
flache Wangen, hochſitzende Ohren.

1. Vultum ab antiquo rigore variare, war Verdienſt
des Polygnot in der Mahlerei Plin. xxxv, 35.

2. S. N. 3. 5. 6. 7. 11. 12. 13. 14. 16. Von den Aegi-
net. Statuen beſonders den Athenakopf. Die Münzen §. 98.

95. Das Eigenthuͤmliche des Aeginetiſchen Styls
ſcheint, den Andeutungen bei den alten Schriftſtellern
und dem Charakter der erwaͤhnten Sculpturen zufolge,
theils in ſtrenger Feſthaltung des Alterthuͤmlichen, theils
in ſehr genauer und emſiger Nachahmung der Natur,
ſomit (dem Stammcharakter der Dorier gemaͤß) in einer
ſehr gewiſſenhaften aber wenig freien Art die Kunſt zu
treiben, beſtanden zu haben.

Τρόπος τῆς ἐργασίας ὁ Αἰγιναῖος, πλαστικὴ ἡ Αἰγι-
ναία u. dgl. Pauſ. i, 42. ii, 30. vii, 5. viii, 53. x, 36.
welcher τῶν Ἀττικῶν τὰ ἀρχαιότατα, ſo wie die Αἰγύπτια
davon genau unterſcheidet, vii, 5. Λἰγινητικὰ ἔργα τοὺς
συμβεβηκότας (vgl. §. 68. Anm. 3.) ἀνδριάντας.


Ueberreſte der bildenden Kunſt.

96. Die Reſte des altgriechiſchen Styls beſtimmt zu
bezeichnen iſt deswegen ſchwierig, weil, abgeſehn von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0090" n="68"/><fw place="top" type="header">Hi&#x017F;tori&#x017F;cher Theil.</fw><lb/><hi rendition="#aq">Bip.</hi> Mit drei Fingern legt man Opferfladen, Weihrauch u. dgl.<lb/>
Ari&#x017F;toph. We&#x017F;p. 95. Porphyr. <hi rendition="#aq">de abstin. <hi rendition="#k">ii</hi>,</hi> 15. Ovid. <hi rendition="#aq">F. <hi rendition="#k">ii</hi>,</hi><lb/>
573. Lactaut. <hi rendition="#aq">Inst. <hi rendition="#k">v,</hi></hi> 19.</p><lb/>
              <p><note place="left">1</note>94. In der Bildung der Ko&#x0364;pfe herr&#x017F;chen in der alt-<lb/>
griechi&#x017F;chen Kun&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;e Grundformen, welche, theils<lb/>
aus alter Unvollkommenheit der Kun&#x017F;t, theils aus einer<lb/>
un&#x017F;cho&#x0364;nen Auffa&#x017F;&#x017F;ung nationaler Zu&#x0364;ge hervorgegangen,<lb/>
durch ha&#x0364;ufige Anwendung in beru&#x0364;hmten Kun&#x017F;t&#x017F;chulen ein<lb/>
beinah typi&#x017F;ches An&#x017F;ehn erlangt hatten, und daher auch<lb/>
dann noch beibehalten wurden, als die Kun&#x017F;t in der Bil-<lb/>
dung des u&#x0364;brigen Ko&#x0364;rpers &#x017F;chon &#x017F;ehr weit vorge&#x017F;chritten<lb/><note place="left">2</note>war. Dazu geho&#x0364;ren im Ganzen eine zuru&#x0364;ckliegende Stirn,<lb/>
&#x017F;pitze Na&#x017F;e, eingezogener Mund mit emporgerichteten Win-<lb/>
keln, flache langgezogene Augen, &#x017F;tarkes eckiges Kinn,<lb/>
flache Wangen, hoch&#x017F;itzende Ohren.</p><lb/>
              <p>1. <hi rendition="#aq">Vultum ab <hi rendition="#g">antiquo rigore</hi> variare,</hi> war Verdien&#x017F;t<lb/>
des Polygnot in der Mahlerei Plin. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">xxxv,</hi></hi> 35.</p><lb/>
              <p>2. S. N. 3. 5. 6. 7. 11. 12. 13. 14. 16. Von den Aegi-<lb/>
net. Statuen be&#x017F;onders den Athenakopf. Die Münzen §. 98.</p><lb/>
              <p>95. Das Eigenthu&#x0364;mliche des <hi rendition="#g">Aegineti&#x017F;chen</hi> Styls<lb/>
&#x017F;cheint, den Andeutungen bei den alten Schrift&#x017F;tellern<lb/>
und dem Charakter der erwa&#x0364;hnten Sculpturen zufolge,<lb/>
theils in &#x017F;trenger Fe&#x017F;thaltung des Alterthu&#x0364;mlichen, theils<lb/>
in &#x017F;ehr genauer und em&#x017F;iger Nachahmung der Natur,<lb/>
&#x017F;omit (dem Stammcharakter der Dorier gema&#x0364;ß) in einer<lb/>
&#x017F;ehr gewi&#x017F;&#x017F;enhaften aber wenig freien Art die Kun&#x017F;t zu<lb/>
treiben, be&#x017F;tanden zu haben.</p><lb/>
              <p>&#x03A4;&#x03C1;&#x03CC;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C2; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B1;&#x03C3;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F41; &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03C2;, &#x03C0;&#x03BB;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F74; &#x1F21; &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B9;-<lb/>
&#x03BD;&#x03B1;&#x03AF;&#x03B1; u. dgl. Pau&#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">i</hi>, 42. <hi rendition="#k">ii</hi>, 30. <hi rendition="#k">vii</hi>, 5. <hi rendition="#k">viii</hi></hi>, 53. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">x,</hi></hi> 36.<lb/>
welcher &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F08;&#x03C4;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C4;&#x1F70; &#x1F00;&#x03C1;&#x03C7;&#x03B1;&#x03B9;&#x03CC;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;, &#x017F;o wie die &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03CD;&#x03C0;&#x03C4;&#x03B9;&#x03B1;<lb/>
davon genau unter&#x017F;cheidet, <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">vii,</hi></hi> 5. &#x039B;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F70; &#x1F14;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B1; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2;<lb/>
&#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03B5;&#x03B2;&#x03B7;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; (vgl. §. 68. Anm. 3.) &#x1F00;&#x03BD;&#x03B4;&#x03C1;&#x03B9;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2;.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>Ueberre&#x017F;te der bildenden Kun&#x017F;t.</head><lb/>
              <p>96. Die Re&#x017F;te des altgriechi&#x017F;chen Styls be&#x017F;timmt zu<lb/>
bezeichnen i&#x017F;t deswegen &#x017F;chwierig, weil, abge&#x017F;ehn von dem<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0090] Hiſtoriſcher Theil. Bip. Mit drei Fingern legt man Opferfladen, Weihrauch u. dgl. Ariſtoph. Weſp. 95. Porphyr. de abstin. ii, 15. Ovid. F. ii, 573. Lactaut. Inst. v, 19. 94. In der Bildung der Koͤpfe herrſchen in der alt- griechiſchen Kunſt gewiſſe Grundformen, welche, theils aus alter Unvollkommenheit der Kunſt, theils aus einer unſchoͤnen Auffaſſung nationaler Zuͤge hervorgegangen, durch haͤufige Anwendung in beruͤhmten Kunſtſchulen ein beinah typiſches Anſehn erlangt hatten, und daher auch dann noch beibehalten wurden, als die Kunſt in der Bil- dung des uͤbrigen Koͤrpers ſchon ſehr weit vorgeſchritten war. Dazu gehoͤren im Ganzen eine zuruͤckliegende Stirn, ſpitze Naſe, eingezogener Mund mit emporgerichteten Win- keln, flache langgezogene Augen, ſtarkes eckiges Kinn, flache Wangen, hochſitzende Ohren. 1 2 1. Vultum ab antiquo rigore variare, war Verdienſt des Polygnot in der Mahlerei Plin. xxxv, 35. 2. S. N. 3. 5. 6. 7. 11. 12. 13. 14. 16. Von den Aegi- net. Statuen beſonders den Athenakopf. Die Münzen §. 98. 95. Das Eigenthuͤmliche des Aeginetiſchen Styls ſcheint, den Andeutungen bei den alten Schriftſtellern und dem Charakter der erwaͤhnten Sculpturen zufolge, theils in ſtrenger Feſthaltung des Alterthuͤmlichen, theils in ſehr genauer und emſiger Nachahmung der Natur, ſomit (dem Stammcharakter der Dorier gemaͤß) in einer ſehr gewiſſenhaften aber wenig freien Art die Kunſt zu treiben, beſtanden zu haben. Τρόπος τῆς ἐργασίας ὁ Αἰγιναῖος, πλαστικὴ ἡ Αἰγι- ναία u. dgl. Pauſ. i, 42. ii, 30. vii, 5. viii, 53. x, 36. welcher τῶν Ἀττικῶν τὰ ἀρχαιότατα, ſo wie die Αἰγύπτια davon genau unterſcheidet, vii, 5. Λἰγινητικὰ ἔργα τοὺς συμβεβηκότας (vgl. §. 68. Anm. 3.) ἀνδριάντας. Ueberreſte der bildenden Kunſt. 96. Die Reſte des altgriechiſchen Styls beſtimmt zu bezeichnen iſt deswegen ſchwierig, weil, abgeſehn von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/90
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/90>, abgerufen am 18.11.2024.