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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Gegenstände.
nicht das Edle und Stolze des Apollon, sie sind breiter
und kürzer, aber haben dabei etwas ungemein Feines
und Anmuthiges. Das Haar, welches nur selten der3
Petasos deckt, ist das kurzabgeschnittne und sanftgelockte,
welches dem Alter und dem eifrigen Betriebe gymnasti-
scher Uebungen am angemessensten war (§. 330, 1.);
die Chlamys wird gewöhnlich sehr zusammengezogen.
Unter den Statuen unterscheidet man erstens eine Classe,4
in welcher das Hermes-Ideal sich offenbar am höchsten
steigert; reife Jünglingsgestalten, voll gediegner Kraft,
deren Ausdruck im Gesicht mit einem sanften Lächeln zu-
sammenschmilzt, in fester ruhiger Stellung, die Chlamys
von dem Prachtbau der Glieder zurückgeworfen und um
den linken Arm gewickelt; wo Hermes offenbar als Vor-
steher gymnischer Uebungen und Ertheiler leiblicher Kraft
gefaßt ward, wie auch der Palmbaum daneben andeutet.
Daran schließen sich ähnlich bekleidete Statuen, wo in-5
deß der Gestus des erhobnen rechten Arms zeigt, daß
Hermes als Gott der Redegewandtheit zu fassen sei:
eine Vorstellung, die sich aus der des Gewinngottes und
des Götterherolds sehr leicht und natürlich hervorbildete.
Als Ausrichter der Befehle des Zeus sieht man ihn halb6
sitzend und halb schon wieder aufspringend um davon zu
eilen; bisweilen in Bronzen sich kekk durch die Lüfte
schwingend; auch von langer Reise ausruhend, wobei er
aber den Arm nur auf einen Pfeiler stützt, nicht über
das Haupt schlägt: eine Bewegung, die für Hermes zu
weich und nachlässig wäre. Der Beutel war in der spä-7
tern Zeit unläugbar ein Hauptattribut des Hermes; wenn
auch bei Statuen meist ergänzt, findet er sich doch an
Bronzen, die besonders aus den Lararien Römischer Kauf-
leute stammen mögen, sehr häufig.

1. Hermen in Palästren, PCl. v, 35. 36. u. oft. Gym-
nastische Inschriften daher häufig auf Hermen. Jugendliche Her-
men halten auch die reg[u]la, usplex, im Hippodrom. Anth.
Pal. vi,
259. Cassiod. Var. iii, 51. Schol. Juven. viii,
53. Suidas s. v. uspl. Mosaik bei Laborde Mos. d'Ital.
pl.
9. 15, 7.

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
nicht das Edle und Stolze des Apollon, ſie ſind breiter
und kuͤrzer, aber haben dabei etwas ungemein Feines
und Anmuthiges. Das Haar, welches nur ſelten der3
Petaſos deckt, iſt das kurzabgeſchnittne und ſanftgelockte,
welches dem Alter und dem eifrigen Betriebe gymnaſti-
ſcher Uebungen am angemeſſenſten war (§. 330, 1.);
die Chlamys wird gewoͤhnlich ſehr zuſammengezogen.
Unter den Statuen unterſcheidet man erſtens eine Claſſe,4
in welcher das Hermes-Ideal ſich offenbar am hoͤchſten
ſteigert; reife Juͤnglingsgeſtalten, voll gediegner Kraft,
deren Ausdruck im Geſicht mit einem ſanften Laͤcheln zu-
ſammenſchmilzt, in feſter ruhiger Stellung, die Chlamys
von dem Prachtbau der Glieder zuruͤckgeworfen und um
den linken Arm gewickelt; wo Hermes offenbar als Vor-
ſteher gymniſcher Uebungen und Ertheiler leiblicher Kraft
gefaßt ward, wie auch der Palmbaum daneben andeutet.
Daran ſchließen ſich aͤhnlich bekleidete Statuen, wo in-5
deß der Geſtus des erhobnen rechten Arms zeigt, daß
Hermes als Gott der Redegewandtheit zu faſſen ſei:
eine Vorſtellung, die ſich aus der des Gewinngottes und
des Goͤtterherolds ſehr leicht und natuͤrlich hervorbildete.
Als Ausrichter der Befehle des Zeus ſieht man ihn halb6
ſitzend und halb ſchon wieder aufſpringend um davon zu
eilen; bisweilen in Bronzen ſich kekk durch die Luͤfte
ſchwingend; auch von langer Reiſe ausruhend, wobei er
aber den Arm nur auf einen Pfeiler ſtuͤtzt, nicht uͤber
das Haupt ſchlaͤgt: eine Bewegung, die fuͤr Hermes zu
weich und nachlaͤſſig waͤre. Der Beutel war in der ſpaͤ-7
tern Zeit unlaͤugbar ein Hauptattribut des Hermes; wenn
auch bei Statuen meiſt ergaͤnzt, findet er ſich doch an
Bronzen, die beſonders aus den Lararien Roͤmiſcher Kauf-
leute ſtammen moͤgen, ſehr haͤufig.

1. Hermen in Paläſtren, PCl. v, 35. 36. u. oft. Gym-
naſtiſche Inſchriften daher häufig auf Hermen. Jugendliche Her-
men halten auch die reg[u]la, ὕσπληξ, im Hippodrom. Anth.
Pal. vi,
259. Caſſiod. Var. iii, 51. Schol. Juven. viii,
53. Suidas s. v. ὕσπλ. Moſaik bei Laborde Mos. d’Ital.
pl.
9. 15, 7.

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[505/0527] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. nicht das Edle und Stolze des Apollon, ſie ſind breiter und kuͤrzer, aber haben dabei etwas ungemein Feines und Anmuthiges. Das Haar, welches nur ſelten der Petaſos deckt, iſt das kurzabgeſchnittne und ſanftgelockte, welches dem Alter und dem eifrigen Betriebe gymnaſti- ſcher Uebungen am angemeſſenſten war (§. 330, 1.); die Chlamys wird gewoͤhnlich ſehr zuſammengezogen. Unter den Statuen unterſcheidet man erſtens eine Claſſe, in welcher das Hermes-Ideal ſich offenbar am hoͤchſten ſteigert; reife Juͤnglingsgeſtalten, voll gediegner Kraft, deren Ausdruck im Geſicht mit einem ſanften Laͤcheln zu- ſammenſchmilzt, in feſter ruhiger Stellung, die Chlamys von dem Prachtbau der Glieder zuruͤckgeworfen und um den linken Arm gewickelt; wo Hermes offenbar als Vor- ſteher gymniſcher Uebungen und Ertheiler leiblicher Kraft gefaßt ward, wie auch der Palmbaum daneben andeutet. Daran ſchließen ſich aͤhnlich bekleidete Statuen, wo in- deß der Geſtus des erhobnen rechten Arms zeigt, daß Hermes als Gott der Redegewandtheit zu faſſen ſei: eine Vorſtellung, die ſich aus der des Gewinngottes und des Goͤtterherolds ſehr leicht und natuͤrlich hervorbildete. Als Ausrichter der Befehle des Zeus ſieht man ihn halb ſitzend und halb ſchon wieder aufſpringend um davon zu eilen; bisweilen in Bronzen ſich kekk durch die Luͤfte ſchwingend; auch von langer Reiſe ausruhend, wobei er aber den Arm nur auf einen Pfeiler ſtuͤtzt, nicht uͤber das Haupt ſchlaͤgt: eine Bewegung, die fuͤr Hermes zu weich und nachlaͤſſig waͤre. Der Beutel war in der ſpaͤ- tern Zeit unlaͤugbar ein Hauptattribut des Hermes; wenn auch bei Statuen meiſt ergaͤnzt, findet er ſich doch an Bronzen, die beſonders aus den Lararien Roͤmiſcher Kauf- leute ſtammen moͤgen, ſehr haͤufig. 3 4 5 6 7 1. Hermen in Paläſtren, PCl. v, 35. 36. u. oft. Gym- naſtiſche Inſchriften daher häufig auf Hermen. Jugendliche Her- men halten auch die regula, ὕσπληξ, im Hippodrom. Anth. Pal. vi, 259. Caſſiod. Var. iii, 51. Schol. Juven. viii, 53. Suidas s. v. ὕσπλ. Moſaik bei Laborde Mos. d’Ital. pl. 9. 15, 7.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/527>, abgerufen am 22.11.2024.