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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Gegenstände.
der Busen jungfräulich ausgebildet, die Fülle der Hüften
läuft in zierlich geformten Füßen aus, welche, wenig
zu festem Stand und Tritt gemacht, einen flüchtigen
und weichen Gang (abron badisma) zu verrathen schei-
nen. Das Gesicht ist zart und rundlich; das Schmach-3
tende der Augen (to ugron §. 329, 6.) und das Lä-
chelnde des Mundes vereint sich zu dem allgemeinen
Ausdrucke von Anmuth und Wonne. Die Haare sind4
mit Zierlichkeit geordnet, und bei den entkleideten Venus-
bildern der spätern Kunst zum Krobylos geschlungen, bei
den älteren Darstellungen gewöhnlich durch ein Diadem
zusammengehalten und in dasselbe hineingesteckt.

3. Den hier bezeichneten Charakter haben mehr die Köpfe der
Hauptstatuen, als die einzeln vorkommenden Büsten, die einen ern-
stern und höhern Ausdruck, den der Urania, zeigen. So die eu-
stephanos in Louvre, V. Borgh. St. 5, 17. Bouill. i, 69,
2. Der Kopf bei Egremont, Specim. 45. 46. Der Dresd-
ner Kopf (Wacker S. 163.; auch der S. 203 nach den Herausg.
Winck. iv. S. 332.). Ueber einen Mantuanischen u. Cassler
Kopf Winck. W. iv. S. 331. 332. 439. -- Auf M. ist der
Kopf der A. oft schwer zu erkennen. Sicher ist der weibliche Kopf
auf den M. von Knidos eine A., er hat ein Band um die Haare
geschlungen, wie es sich auch an den Nachbildungen es der Praxiteli-
schen Statue stets findet, §. 127, 4., wozu auch die Büste,
Bouill. i, 68. gehört.

376. Auch hier hängen die wesentlichen Modificatio-1
nen der Bildung eng mit der Bekleidung zusammen.
Die ganz bekleidete Aphrodite, welche indeß meist nur2
einen dünnen und den Körper wenig verbergenden Chi-
ton trägt, und das hinten herabfallende Obergewand
nur ein wenig mit einer anmuthigen Bewegung des rech-
ten Arms vom Rücken herüberzieht, stammt von der
Urania der ältern Künstler her; sie wurde in Römischen
Zeiten als Mutter-Aphrodite, Venus genitrix,
verehrt, und in Zeiten, wo solche Mahnung Noth that,
als die Göttin einer ehelichen und gesetzlichen Liebe,
welche auf das Verlangen nach Nachkommenschaft gegrün-

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
der Buſen jungfraͤulich ausgebildet, die Fuͤlle der Huͤften
laͤuft in zierlich geformten Fuͤßen aus, welche, wenig
zu feſtem Stand und Tritt gemacht, einen fluͤchtigen
und weichen Gang (ἁβρὸν βάδισμα) zu verrathen ſchei-
nen. Das Geſicht iſt zart und rundlich; das Schmach-3
tende der Augen (τὸ ὑγρὸν §. 329, 6.) und das Laͤ-
chelnde des Mundes vereint ſich zu dem allgemeinen
Ausdrucke von Anmuth und Wonne. Die Haare ſind4
mit Zierlichkeit geordnet, und bei den entkleideten Venus-
bildern der ſpaͤtern Kunſt zum Krobylos geſchlungen, bei
den aͤlteren Darſtellungen gewoͤhnlich durch ein Diadem
zuſammengehalten und in daſſelbe hineingeſteckt.

3. Den hier bezeichneten Charakter haben mehr die Köpfe der
Hauptſtatuen, als die einzeln vorkommenden Büſten, die einen ern-
ſtern und höhern Ausdruck, den der Urania, zeigen. So die εὐ-
στέφανος in Louvre, V. Borgh. St. 5, 17. Bouill. i, 69,
2. Der Kopf bei Egremont, Specim. 45. 46. Der Dresd-
ner Kopf (Wacker S. 163.; auch der S. 203 nach den Herausg.
Winck. iv. S. 332.). Ueber einen Mantuaniſchen u. Caſſler
Kopf Winck. W. iv. S. 331. 332. 439. — Auf M. iſt der
Kopf der A. oft ſchwer zu erkennen. Sicher iſt der weibliche Kopf
auf den M. von Knidos eine A., er hat ein Band um die Haare
geſchlungen, wie es ſich auch an den Nachbildungen es der Praxiteli-
ſchen Statue ſtets findet, §. 127, 4., wozu auch die Büſte,
Bouill. i, 68. gehört.

376. Auch hier haͤngen die weſentlichen Modificatio-1
nen der Bildung eng mit der Bekleidung zuſammen.
Die ganz bekleidete Aphrodite, welche indeß meiſt nur2
einen duͤnnen und den Koͤrper wenig verbergenden Chi-
ton traͤgt, und das hinten herabfallende Obergewand
nur ein wenig mit einer anmuthigen Bewegung des rech-
ten Arms vom Ruͤcken heruͤberzieht, ſtammt von der
Urania der aͤltern Kuͤnſtler her; ſie wurde in Roͤmiſchen
Zeiten als Mutter-Aphrodite, Venus genitrix,
verehrt, und in Zeiten, wo ſolche Mahnung Noth that,
als die Goͤttin einer ehelichen und geſetzlichen Liebe,
welche auf das Verlangen nach Nachkommenſchaft gegruͤn-

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[495/0517] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. der Buſen jungfraͤulich ausgebildet, die Fuͤlle der Huͤften laͤuft in zierlich geformten Fuͤßen aus, welche, wenig zu feſtem Stand und Tritt gemacht, einen fluͤchtigen und weichen Gang (ἁβρὸν βάδισμα) zu verrathen ſchei- nen. Das Geſicht iſt zart und rundlich; das Schmach- tende der Augen (τὸ ὑγρὸν §. 329, 6.) und das Laͤ- chelnde des Mundes vereint ſich zu dem allgemeinen Ausdrucke von Anmuth und Wonne. Die Haare ſind mit Zierlichkeit geordnet, und bei den entkleideten Venus- bildern der ſpaͤtern Kunſt zum Krobylos geſchlungen, bei den aͤlteren Darſtellungen gewoͤhnlich durch ein Diadem zuſammengehalten und in daſſelbe hineingeſteckt. 3 4 3. Den hier bezeichneten Charakter haben mehr die Köpfe der Hauptſtatuen, als die einzeln vorkommenden Büſten, die einen ern- ſtern und höhern Ausdruck, den der Urania, zeigen. So die εὐ- στέφανος in Louvre, V. Borgh. St. 5, 17. Bouill. i, 69, 2. Der Kopf bei Egremont, Specim. 45. 46. Der Dresd- ner Kopf (Wacker S. 163.; auch der S. 203 nach den Herausg. Winck. iv. S. 332.). Ueber einen Mantuaniſchen u. Caſſler Kopf Winck. W. iv. S. 331. 332. 439. — Auf M. iſt der Kopf der A. oft ſchwer zu erkennen. Sicher iſt der weibliche Kopf auf den M. von Knidos eine A., er hat ein Band um die Haare geſchlungen, wie es ſich auch an den Nachbildungen es der Praxiteli- ſchen Statue ſtets findet, §. 127, 4., wozu auch die Büſte, Bouill. i, 68. gehört. 376. Auch hier haͤngen die weſentlichen Modificatio- nen der Bildung eng mit der Bekleidung zuſammen. Die ganz bekleidete Aphrodite, welche indeß meiſt nur einen duͤnnen und den Koͤrper wenig verbergenden Chi- ton traͤgt, und das hinten herabfallende Obergewand nur ein wenig mit einer anmuthigen Bewegung des rech- ten Arms vom Ruͤcken heruͤberzieht, ſtammt von der Urania der aͤltern Kuͤnſtler her; ſie wurde in Roͤmiſchen Zeiten als Mutter-Aphrodite, Venus genitrix, verehrt, und in Zeiten, wo ſolche Mahnung Noth that, als die Goͤttin einer ehelichen und geſetzlichen Liebe, welche auf das Verlangen nach Nachkommenſchaft gegruͤn- 1 2

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/517>, abgerufen am 22.11.2024.