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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Gegenstände.
hochstrebenden Gestalt zum Gipfel dient, hat dabei eine
sanfte Fülle und gediegne Festigkeit; in allen Zügen ver-
kündet sich ein erhabner, stolzer und klarer Sinn, wie
auch immer die Modificationen sein mögen. Die For-
men des Körpers sind schlank und svelt; die Hüften
hoch, die Schenkel länglich; die Muskeln, ohne einzeln
hervorzutreten, vielmehr ineinandergegossen, sind doch so
bezeichnet, daß das Rasche, Hurtige der Gestalt, das
Kräftige der Bewegung einleuchtet. Jedoch schwankt4
die Bildung hierin bald mehr zu der gymnastischen Kräf-
tigkeit des Hermes, bald zu der weichen Fülle des Dio-
nysos hinüber.

1. Von Skopas A. §. 125, 4. u. weiter §. 361, 6. Von
Praxit. A. Bildern 127, 6. Ein A. Kitharöd von Timarchides
(Plin.). Ap. von Leochares (Paus.).

2. Schön beschreibt ihn Max. Tyr. Diss. 14. p. 261. R. als
ein meirakion gumnon ek khlamudiou (d. h. so daß die Chla-
mys zurückschlägt, wie beim Ap. von Belvedere) toxotes, diabe-
bekos tois posin osper theon. A. war als der hurtige
Gott auch Vorstand der Läufer, dromaios in Kreta und Sparta,
Plut. Qu. Symp. viii, 4.

3. S. Hirt Tf. 3. Die Mosaik, PCl. vii, 49., giebt bei
einer Apollons- und Dionysos-Maske den Unterschied der Haare
sehr gut an. Vgl. Passeri Luc. i, 69 sqq. Christodor 73.
erwähnt einen A., der das Haar eisopiso sphigxas hat, wie
die Statue §. 361, 5. Das herabwallende Haar (eikhe gar
amphoteroisi komes memerismenon omois bostrukhon au-
toelikton, ebd. 268. u. 284), gehört mehr ältern Bildern.

361. Ganz dem ursprünglichen Wesen des Apollon1
gemäß zerfallen auch die Kunstdarstellungen des Gottes,
welche eine eigenthümliche Bedeutung in der Kunst haben,
in Darstellungen des kämpfenden und in solche des be-
sänftigten und ruhenden Gottes. Wir unterscheiden:2
1) einen Apollon, den wir Kallinikos nennen können,
der mit noch nicht ganz besänftigtem Kampfzorn und ed-
lem Siegerstolz von dem überwundenem Gegner (Python,
Tityos oder sonst wem) hinwegschreitet. 2. Den vom3

30

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
hochſtrebenden Geſtalt zum Gipfel dient, hat dabei eine
ſanfte Fuͤlle und gediegne Feſtigkeit; in allen Zuͤgen ver-
kuͤndet ſich ein erhabner, ſtolzer und klarer Sinn, wie
auch immer die Modificationen ſein moͤgen. Die For-
men des Koͤrpers ſind ſchlank und ſvelt; die Huͤften
hoch, die Schenkel laͤnglich; die Muskeln, ohne einzeln
hervorzutreten, vielmehr ineinandergegoſſen, ſind doch ſo
bezeichnet, daß das Raſche, Hurtige der Geſtalt, das
Kraͤftige der Bewegung einleuchtet. Jedoch ſchwankt4
die Bildung hierin bald mehr zu der gymnaſtiſchen Kraͤf-
tigkeit des Hermes, bald zu der weichen Fuͤlle des Dio-
nyſos hinuͤber.

1. Von Skopas A. §. 125, 4. u. weiter §. 361, 6. Von
Praxit. A. Bildern 127, 6. Ein A. Kitharöd von Timarchides
(Plin.). Ap. von Leochares (Pauſ.).

2. Schön beſchreibt ihn Max. Tyr. Diss. 14. p. 261. R. als
ein μειράκιον γυμνὸν ἐκ χλαμυδίου (d. h. ſo daß die Chla-
mys zurückſchlägt, wie beim Ap. von Belvedere) τοξότης, διαβε-
βηκὼς τοῖς ποσὶν ὥσπερ ϑέων. A. war als der hurtige
Gott auch Vorſtand der Läufer, δρομαῖος in Kreta und Sparta,
Plut. Qu. Symp. viii, 4.

3. S. Hirt Tf. 3. Die Moſaik, PCl. vii, 49., giebt bei
einer Apollons- und Dionyſos-Maske den Unterſchied der Haare
ſehr gut an. Vgl. Paſſeri Luc. i, 69 sqq. Chriſtodor 73.
erwähnt einen A., der das Haar εἰςοπίσω σφίγξας hat, wie
die Statue §. 361, 5. Das herabwallende Haar (εἶχε γὰρ
ἀμφοτέροισι κόμης μεμερισμένον ὤμοις βόστρυχον αὐ-
τοέλικτον, ebd. 268. u. 284), gehört mehr ältern Bildern.

361. Ganz dem urſpruͤnglichen Weſen des Apollon1
gemaͤß zerfallen auch die Kunſtdarſtellungen des Gottes,
welche eine eigenthuͤmliche Bedeutung in der Kunſt haben,
in Darſtellungen des kaͤmpfenden und in ſolche des be-
ſaͤnftigten und ruhenden Gottes. Wir unterſcheiden:2
1) einen Apollon, den wir Καλλίνικος nennen koͤnnen,
der mit noch nicht ganz beſaͤnftigtem Kampfzorn und ed-
lem Siegerſtolz von dem uͤberwundenem Gegner (Python,
Tityos oder ſonſt wem) hinwegſchreitet. 2. Den vom3

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[465/0487] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. hochſtrebenden Geſtalt zum Gipfel dient, hat dabei eine ſanfte Fuͤlle und gediegne Feſtigkeit; in allen Zuͤgen ver- kuͤndet ſich ein erhabner, ſtolzer und klarer Sinn, wie auch immer die Modificationen ſein moͤgen. Die For- men des Koͤrpers ſind ſchlank und ſvelt; die Huͤften hoch, die Schenkel laͤnglich; die Muskeln, ohne einzeln hervorzutreten, vielmehr ineinandergegoſſen, ſind doch ſo bezeichnet, daß das Raſche, Hurtige der Geſtalt, das Kraͤftige der Bewegung einleuchtet. Jedoch ſchwankt die Bildung hierin bald mehr zu der gymnaſtiſchen Kraͤf- tigkeit des Hermes, bald zu der weichen Fuͤlle des Dio- nyſos hinuͤber. 4 1. Von Skopas A. §. 125, 4. u. weiter §. 361, 6. Von Praxit. A. Bildern 127, 6. Ein A. Kitharöd von Timarchides (Plin.). Ap. von Leochares (Pauſ.). 2. Schön beſchreibt ihn Max. Tyr. Diss. 14. p. 261. R. als ein μειράκιον γυμνὸν ἐκ χλαμυδίου (d. h. ſo daß die Chla- mys zurückſchlägt, wie beim Ap. von Belvedere) τοξότης, διαβε- βηκὼς τοῖς ποσὶν ὥσπερ ϑέων. A. war als der hurtige Gott auch Vorſtand der Läufer, δρομαῖος in Kreta und Sparta, Plut. Qu. Symp. viii, 4. 3. S. Hirt Tf. 3. Die Moſaik, PCl. vii, 49., giebt bei einer Apollons- und Dionyſos-Maske den Unterſchied der Haare ſehr gut an. Vgl. Paſſeri Luc. i, 69 sqq. Chriſtodor 73. erwähnt einen A., der das Haar εἰςοπίσω σφίγξας hat, wie die Statue §. 361, 5. Das herabwallende Haar (εἶχε γὰρ ἀμφοτέροισι κόμης μεμερισμένον ὤμοις βόστρυχον αὐ- τοέλικτον, ebd. 268. u. 284), gehört mehr ältern Bildern. 361. Ganz dem urſpruͤnglichen Weſen des Apollon gemaͤß zerfallen auch die Kunſtdarſtellungen des Gottes, welche eine eigenthuͤmliche Bedeutung in der Kunſt haben, in Darſtellungen des kaͤmpfenden und in ſolche des be- ſaͤnftigten und ruhenden Gottes. Wir unterſcheiden: 1) einen Apollon, den wir Καλλίνικος nennen koͤnnen, der mit noch nicht ganz beſaͤnftigtem Kampfzorn und ed- lem Siegerſtolz von dem uͤberwundenem Gegner (Python, Tityos oder ſonſt wem) hinwegſchreitet. 2. Den vom 1 2 3 30

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/487>, abgerufen am 22.11.2024.