phanos genannt, mit den Relieffiguren der Horen und Chariten. Diese Statue trug in der einen Hand als Andeutung der großen Naturgottheit die Frucht des Gra- natbaums, in der andern einen Scepter mit einem Kuk- kuk auf der Spitze. Das Antlitz der Hera, wie es6 wahrscheinlich von Polyklet festgestellt war, zeigt die Formen einer unvergänglichen Blüthe und Reife der Schön- heit, sanftgerundet ohne Ueberfülle, Ehrfurcht gebietend ohne Schroffheit. Die Stirn, von schräg herabfließen- den Haaren umgeben, bildet ein sanftgewölbtes Dreieck; die gerundeten und offnen Augen (Ere boopis) schauen grade vor sich hin. Die Gestalt ist blühend, völlig7 ausgebildet, durchaus mangellos, die einer Matrone, welche stets von neuem im Brunnen der Jungfräulichkeit badet, wie von Hera erzählt wurde. Das Costüm ist ein Chiton, der nur Hals und Arme bloß läßt, und ein Himation, das um die Mitte der Gestalt liegt; der Schleier ist in Statuen der vollendeten Kunst meist nach dem Hinterhaupt zurückgeschoben, oder auch ganz weg- gelassen.
1. Böttiger in dem Grundriß der Kunstmythol. Abschn. 2.
4. Auch Homer, Il. xiv, 175, erwähnt außer den Haar- flechten und dem eanon mit der zone, das weiße sonnenlichte Kredemnon der H. Von der Samischen H. des Smilis §. 69, auch G. M. 12, 49. Dieselbe Figur auf Kaisermünzen von Hy- päpa in Lydien. Nach altgriechischer Bildung ist H. eine wohlein- gehüllte Figur, deren imation zugleich den Kopf bedeckt und mit beiden Händen zierlich festgehalten wird, mit der stephane. Im hieratischen Styl auf dem Pariser Relief, M. Franc. ii, 1. Mus. Nap. i, 4. Von dem Schleier einer Hera-Statue spricht auch Libanios Ekphr. 22. (vgl. Petersen de Libanio Comm. 2. p. 8.) und bezieht ihn auf die Ehegöttin.
5. Die stephane der H., Athen. v, 201 c. Eustepha- nos bei Tyrtäos. Ueber die Form vgl. oben §. 340, 4. Sie hat immer Aehnlichkeit mit dem Stirnschilde des Helms, welches auch so hieß. Der Polos in dem Samischen Terracottabilde bei Gerhard Ant. Bildw. Ts. 1. Der Stephanos der Poly-
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II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
phanos genannt, mit den Relieffiguren der Horen und Chariten. Dieſe Statue trug in der einen Hand als Andeutung der großen Naturgottheit die Frucht des Gra- natbaums, in der andern einen Scepter mit einem Kuk- kuk auf der Spitze. Das Antlitz der Hera, wie es6 wahrſcheinlich von Polyklet feſtgeſtellt war, zeigt die Formen einer unvergaͤnglichen Bluͤthe und Reife der Schoͤn- heit, ſanftgerundet ohne Ueberfuͤlle, Ehrfurcht gebietend ohne Schroffheit. Die Stirn, von ſchraͤg herabfließen- den Haaren umgeben, bildet ein ſanftgewoͤlbtes Dreieck; die gerundeten und offnen Augen (Ἥρη βοῶπις) ſchauen grade vor ſich hin. Die Geſtalt iſt bluͤhend, voͤllig7 ausgebildet, durchaus mangellos, die einer Matrone, welche ſtets von neuem im Brunnen der Jungfraͤulichkeit badet, wie von Hera erzaͤhlt wurde. Das Coſtuͤm iſt ein Chiton, der nur Hals und Arme bloß laͤßt, und ein Himation, das um die Mitte der Geſtalt liegt; der Schleier iſt in Statuen der vollendeten Kunſt meiſt nach dem Hinterhaupt zuruͤckgeſchoben, oder auch ganz weg- gelaſſen.
1. Böttiger in dem Grundriß der Kunſtmythol. Abſchn. 2.
4. Auch Homer, Il. xiv, 175, erwähnt außer den Haar- flechten und dem ἑανον mit der ζώνη, das weiße ſonnenlichte Kredemnon der H. Von der Samiſchen H. des Smilis §. 69, auch G. M. 12, 49. Dieſelbe Figur auf Kaiſermünzen von Hy- päpa in Lydien. Nach altgriechiſcher Bildung iſt H. eine wohlein- gehüllte Figur, deren ἱμάτιον zugleich den Kopf bedeckt und mit beiden Händen zierlich feſtgehalten wird, mit der στεφάνη. Im hieratiſchen Styl auf dem Pariſer Relief, M. Franc. ii, 1. Mus. Nap. i, 4. Von dem Schleier einer Hera-Statue ſpricht auch Libanios Ἔκφρ. 22. (vgl. Peterſen de Libanio Comm. 2. p. 8.) und bezieht ihn auf die Ehegöttin.
5. Die στεφάνη der H., Athen. v, 201 c. Εὐστέφα- νος bei Tyrtäos. Ueber die Form vgl. oben §. 340, 4. Sie hat immer Aehnlichkeit mit dem Stirnſchilde des Helms, welches auch ſo hieß. Der Polos in dem Samiſchen Terracottabilde bei Gerhard Ant. Bildw. Tſ. 1. Der Stephanos der Poly-
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phanos genannt, mit den Relieffiguren der Horen und
Chariten. Dieſe Statue trug in der einen Hand als
Andeutung der großen Naturgottheit die Frucht des Gra-
natbaums, in der andern einen Scepter mit einem Kuk-
kuk auf der Spitze. Das Antlitz der Hera, wie es
wahrſcheinlich von Polyklet feſtgeſtellt war, zeigt die
Formen einer unvergaͤnglichen Bluͤthe und Reife der Schoͤn-
heit, ſanftgerundet ohne Ueberfuͤlle, Ehrfurcht gebietend
ohne Schroffheit. Die Stirn, von ſchraͤg herabfließen-
den Haaren umgeben, bildet ein ſanftgewoͤlbtes Dreieck;
die gerundeten und offnen Augen (Ἥρη βοῶπις) ſchauen
grade vor ſich hin. Die Geſtalt iſt bluͤhend, voͤllig
ausgebildet, durchaus mangellos, die einer Matrone, welche
ſtets von neuem im Brunnen der Jungfraͤulichkeit badet,
wie von Hera erzaͤhlt wurde. Das Coſtuͤm iſt ein
Chiton, der nur Hals und Arme bloß laͤßt, und ein
Himation, das um die Mitte der Geſtalt liegt; der
Schleier iſt in Statuen der vollendeten Kunſt meiſt nach
dem Hinterhaupt zuruͤckgeſchoben, oder auch ganz weg-
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1. Böttiger in dem Grundriß der Kunſtmythol. Abſchn. 2.
4. Auch Homer, Il. xiv, 175, erwähnt außer den Haar-
flechten und dem ἑανον mit der ζώνη, das weiße ſonnenlichte
Kredemnon der H. Von der Samiſchen H. des Smilis §. 69,
auch G. M. 12, 49. Dieſelbe Figur auf Kaiſermünzen von Hy-
päpa in Lydien. Nach altgriechiſcher Bildung iſt H. eine wohlein-
gehüllte Figur, deren ἱμάτιον zugleich den Kopf bedeckt und mit
beiden Händen zierlich feſtgehalten wird, mit der στεφάνη. Im
hieratiſchen Styl auf dem Pariſer Relief, M. Franc. ii, 1. Mus.
Nap. i, 4. Von dem Schleier einer Hera-Statue ſpricht auch
Libanios Ἔκφρ. 22. (vgl. Peterſen de Libanio Comm. 2. p. 8.)
und bezieht ihn auf die Ehegöttin.
5. Die στεφάνη der H., Athen. v, 201 c. Εὐστέφα-
νος bei Tyrtäos. Ueber die Form vgl. oben §. 340, 4. Sie
hat immer Aehnlichkeit mit dem Stirnſchilde des Helms, welches
auch ſo hieß. Der Polos in dem Samiſchen Terracottabilde
bei Gerhard Ant. Bildw. Tſ. 1. Der Stephanos der Poly-
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/471>, abgerufen am 16.07.2024.
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