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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Tektonik. Gebäude.

1. Ein Hauptumstand bei der Erklärung dieser Anlagen ist
das geringere Bedürfniß der Abführung des Rauches; daher der
Mangel der Schornsteine. Ueber die Ersatzmittel vgl. Stieglitz
Arch. i. S. 124.

2. Vgl. des Vf. Dorier ii. S. 254. In Athen war eine
aule vor dem Hause auch später noch gewöhnlich; Frauen wohn-
ten meist im Oberstock, uperoon, dieres (Lysias de Eratosth.
caede
9), Mägde in purgois (Demosth. in Euerg. p. 1156).
Daher die distegia auf der Bühne, Pollux iv, 127, Antigone
erscheint auf dem Söller über dem Parthenon in der distegia.
Die Vitruvischen Angaben sind hier offenbar im Ganzen nicht an-
wendbar. Vgl. Schneider Epim. ad Xen. M. S. iii, 8.

5. Wie gut Vitruvs Angaben im Ganzen mit den stattlicheren
Häusern in Pompeji stimmen, lehrt ein Blick auf Gell, Mazois
u. andre Werke. Vgl. besonders Mazois Essai sur les habita-
tions des anciens Romains, Ruines de Pompei p. ii.
p. 3 sqq.

6. Plinii Laurentinum et Tuscum. Scamozzi's Werke.
Felibien. The Villa's of the Ancients illustr. by Rob.
Castell. Lond. 1728. f.
Die Pläne der Villa Hadriani
von Ligorio, Peyre, Piranesi sind sehr Phantasie.

294. In den Gräberanlagen herrscht von zwei1
Zwecken gemeiniglich der eine vor, entweder Der: eine
Kammer zur Beisetzung des Leichnams oder der Asche des
Todten zu haben, oder Der: ein Denkmal der Erinnerung
an ihn öffentlich hinzustellen. Jener Zweck ist der ein-2
zige bei unterirdischen, in den Boden gegrabenen oder
in den Fels gehaunen Grabkammern, wenn nicht auch
hier ein Frontispiz an der Felsenwand die Lage einer
Grabkammer ankündigt. In Griechischen Gegenden, wie3
bei den Unteritalischen Colonieen, herrscht die an das
ursprüngliche Begraben der Leichname erinnernde Form
sargähnlicher Kammern oder Steinbehälter. Auch waren4
Labyrinthische Kammern und Gänge im Gestein des Bo-
dens eine seit Urzeiten beliebte Form einer Nekropole.
Der andre Zweck dagegen mischt sich bei Monumenten,5
welche über die Erde hervortreten, nothwendig ein, ob-

Tektonik. Gebaͤude.

1. Ein Hauptumſtand bei der Erklärung dieſer Anlagen iſt
das geringere Bedürfniß der Abführung des Rauches; daher der
Mangel der Schornſteine. Ueber die Erſatzmittel vgl. Stieglitz
Arch. i. S. 124.

2. Vgl. des Vf. Dorier ii. S. 254. In Athen war eine
αὐλὴ vor dem Hauſe auch ſpäter noch gewöhnlich; Frauen wohn-
ten meiſt im Oberſtock, ὑπερῷον, διῆρες (Lyſias de Eratosth.
caede
9), Mägde in πύργοις (Demoſth. in Euerg. p. 1156).
Daher die διστεγία auf der Bühne, Pollux iv, 127, Antigone
erſcheint auf dem Söller über dem Parthenon in der διστεγία.
Die Vitruviſchen Angaben ſind hier offenbar im Ganzen nicht an-
wendbar. Vgl. Schneider Epim. ad Xen. M. S. iii, 8.

5. Wie gut Vitruvs Angaben im Ganzen mit den ſtattlicheren
Häuſern in Pompeji ſtimmen, lehrt ein Blick auf Gell, Mazois
u. andre Werke. Vgl. beſonders Mazois Essai sur les habita-
tions des anciens Romains, Ruines de Pompéi p. ii.
p. 3 sqq.

6. Plinii Laurentinum et Tuscum. Scamozzi’s Werke.
Felibien. The Villa’s of the Ancients illustr. by Rob.
Castell. Lond. 1728. f.
Die Pläne der Villa Hadriani
von Ligorio, Peyre, Piraneſi ſind ſehr Phantaſie.

294. In den Graͤberanlagen herrſcht von zwei1
Zwecken gemeiniglich der eine vor, entweder Der: eine
Kammer zur Beiſetzung des Leichnams oder der Aſche des
Todten zu haben, oder Der: ein Denkmal der Erinnerung
an ihn oͤffentlich hinzuſtellen. Jener Zweck iſt der ein-2
zige bei unterirdiſchen, in den Boden gegrabenen oder
in den Fels gehaunen Grabkammern, wenn nicht auch
hier ein Frontiſpiz an der Felſenwand die Lage einer
Grabkammer ankuͤndigt. In Griechiſchen Gegenden, wie3
bei den Unteritaliſchen Colonieen, herrſcht die an das
urſpruͤngliche Begraben der Leichname erinnernde Form
ſargaͤhnlicher Kammern oder Steinbehaͤlter. Auch waren4
Labyrinthiſche Kammern und Gaͤnge im Geſtein des Bo-
dens eine ſeit Urzeiten beliebte Form einer Nekropole.
Der andre Zweck dagegen miſcht ſich bei Monumenten,5
welche uͤber die Erde hervortreten, nothwendig ein, ob-

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[347/0369] Tektonik. Gebaͤude. 1. Ein Hauptumſtand bei der Erklärung dieſer Anlagen iſt das geringere Bedürfniß der Abführung des Rauches; daher der Mangel der Schornſteine. Ueber die Erſatzmittel vgl. Stieglitz Arch. i. S. 124. 2. Vgl. des Vf. Dorier ii. S. 254. In Athen war eine αὐλὴ vor dem Hauſe auch ſpäter noch gewöhnlich; Frauen wohn- ten meiſt im Oberſtock, ὑπερῷον, διῆρες (Lyſias de Eratosth. caede 9), Mägde in πύργοις (Demoſth. in Euerg. p. 1156). Daher die διστεγία auf der Bühne, Pollux iv, 127, Antigone erſcheint auf dem Söller über dem Parthenon in der διστεγία. Die Vitruviſchen Angaben ſind hier offenbar im Ganzen nicht an- wendbar. Vgl. Schneider Epim. ad Xen. M. S. iii, 8. 5. Wie gut Vitruvs Angaben im Ganzen mit den ſtattlicheren Häuſern in Pompeji ſtimmen, lehrt ein Blick auf Gell, Mazois u. andre Werke. Vgl. beſonders Mazois Essai sur les habita- tions des anciens Romains, Ruines de Pompéi p. ii. p. 3 sqq. 6. Plinii Laurentinum et Tuscum. Scamozzi’s Werke. Felibien. The Villa’s of the Ancients illustr. by Rob. Castell. Lond. 1728. f. Die Pläne der Villa Hadriani von Ligorio, Peyre, Piraneſi ſind ſehr Phantaſie. 294. In den Graͤberanlagen herrſcht von zwei Zwecken gemeiniglich der eine vor, entweder Der: eine Kammer zur Beiſetzung des Leichnams oder der Aſche des Todten zu haben, oder Der: ein Denkmal der Erinnerung an ihn oͤffentlich hinzuſtellen. Jener Zweck iſt der ein- zige bei unterirdiſchen, in den Boden gegrabenen oder in den Fels gehaunen Grabkammern, wenn nicht auch hier ein Frontiſpiz an der Felſenwand die Lage einer Grabkammer ankuͤndigt. In Griechiſchen Gegenden, wie bei den Unteritaliſchen Colonieen, herrſcht die an das urſpruͤngliche Begraben der Leichname erinnernde Form ſargaͤhnlicher Kammern oder Steinbehaͤlter. Auch waren Labyrinthiſche Kammern und Gaͤnge im Geſtein des Bo- dens eine ſeit Urzeiten beliebte Form einer Nekropole. Der andre Zweck dagegen miſcht ſich bei Monumenten, welche uͤber die Erde hervortreten, nothwendig ein, ob- 1 2 3 4 5

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/369>, abgerufen am 25.11.2024.