Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.Historischer Theil. bilden sich auch für die heiligen Personen des neuen Cul-tus stehende und um so mehr typische Formen, je weni- 3ger aufgelegt die Zeit zu eigner freier Thätigkeit ist. Die Gesichter werden nach einer idealen, wenn auch immer roh behandelten, Grundform gebildet; das Costüm ist in der Hauptsache ein Griechisches, und der Faltenwurf 4wird auf antike Weise in großen Massen angelegt. Das Mittelaltrige drängt sich in Tracht und Geberde erst allmählig in die Welt des Alterthums hinein, mehr bei neuhinzukommenden als alten traditionellen Figuren. 5Ueberall in jener Zeit Spuren einer alten Schule, nir- gends eine eigne lebendige Auffassung der Natur, von de- ren erneuertem Studium im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert der frische Aufschwung der Kunst und die Befreiung von jenen typischen und leblosen Formen aus- ging, welche in der Griechischen Kirche als der letzte Rest einer untergegangnen Kunstwelt noch heutzutage fortbestehen. 1. Wie die Christliche Kunst lange, nur in den Gegenständen Die Zerstörungen. 1214. Es ist nach allem Diesen nicht zu leugnen, Hiſtoriſcher Theil. bilden ſich auch fuͤr die heiligen Perſonen des neuen Cul-tus ſtehende und um ſo mehr typiſche Formen, je weni- 3ger aufgelegt die Zeit zu eigner freier Thaͤtigkeit iſt. Die Geſichter werden nach einer idealen, wenn auch immer roh behandelten, Grundform gebildet; das Coſtuͤm iſt in der Hauptſache ein Griechiſches, und der Faltenwurf 4wird auf antike Weiſe in großen Maſſen angelegt. Das Mittelaltrige draͤngt ſich in Tracht und Geberde erſt allmaͤhlig in die Welt des Alterthums hinein, mehr bei neuhinzukommenden als alten traditionellen Figuren. 5Ueberall in jener Zeit Spuren einer alten Schule, nir- gends eine eigne lebendige Auffaſſung der Natur, von de- ren erneuertem Studium im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert der friſche Aufſchwung der Kunſt und die Befreiung von jenen typiſchen und lebloſen Formen aus- ging, welche in der Griechiſchen Kirche als der letzte Reſt einer untergegangnen Kunſtwelt noch heutzutage fortbeſtehen. 1. Wie die Chriſtliche Kunſt lange, nur in den Gegenſtänden Die Zerſtörungen. 1214. Es iſt nach allem Dieſen nicht zu leugnen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0236" n="214"/><fw place="top" type="header">Hiſtoriſcher Theil.</fw><lb/> bilden ſich auch fuͤr die heiligen Perſonen des neuen Cul-<lb/> tus ſtehende und um ſo mehr typiſche Formen, je weni-<lb/><note place="left">3</note>ger aufgelegt die Zeit zu eigner freier Thaͤtigkeit iſt. Die<lb/> Geſichter werden nach einer idealen, wenn auch immer<lb/> roh behandelten, Grundform gebildet; das Coſtuͤm iſt<lb/> in der Hauptſache ein Griechiſches, und der Faltenwurf<lb/><note place="left">4</note>wird auf antike Weiſe in großen Maſſen angelegt. Das<lb/> Mittelaltrige draͤngt ſich in Tracht und Geberde erſt<lb/> allmaͤhlig in die Welt des Alterthums hinein, mehr<lb/> bei neuhinzukommenden als alten traditionellen Figuren.<lb/><note place="left">5</note>Ueberall in jener Zeit Spuren einer alten Schule, nir-<lb/> gends eine eigne lebendige Auffaſſung der Natur, von de-<lb/> ren erneuertem Studium im dreizehnten und vierzehnten<lb/> Jahrhundert der friſche Aufſchwung der Kunſt und die<lb/> Befreiung von jenen typiſchen und lebloſen Formen aus-<lb/> ging, welche in der Griechiſchen Kirche als der letzte<lb/> Reſt einer untergegangnen Kunſtwelt noch heutzutage<lb/> fortbeſtehen.</p><lb/> <p>1. Wie die Chriſtliche Kunſt lange, nur in den Gegenſtänden<lb/> anders gewandt, in Technik und Formen eine antike bleibt, zeigt<lb/> beſonders Rumohr Ital. Forſchungen <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">i.</hi></hi> S. 157 ff.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <head><hi rendition="#g">Die Zerſtörungen</hi>.</head><lb/> <p><note place="left">1</note>214. Es iſt nach allem Dieſen nicht zu leugnen,<lb/> daß fuͤr die Kuͤnſte in Italien die Verſetzung der Reſi-<lb/><note place="left">2</note>denz nach <hi rendition="#g">Byzanz</hi>; fuͤr die Kunſt im Allgemeinen das<lb/><hi rendition="#g">Chriſtenthum</hi>, ſowohl ſeiner <hi rendition="#g">innerlichen</hi> Richtung<lb/> nach, die ſich indeß erſt nach und nach zur beſtimmt aus-<lb/> geſprochenen Oppoſition gegen die alte Kunſt entwickelte,<lb/><note place="left">3</note>als auch durch die natuͤrliche und nothwendige Feindſeelig-<lb/><note place="left">4</note>keit der <hi rendition="#g">aͤußern</hi> Stellung; endlich die Einfaͤlle und Er-<lb/> oberungen der <hi rendition="#g">Germaniſchen Staͤmme</hi> verderblich<lb/> gewirkt haben, weniger indeß durch abſichtliche Zertruͤm-<lb/> merung als durch die natuͤrlichen Folgen von Durchzuͤgen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0236]
Hiſtoriſcher Theil.
bilden ſich auch fuͤr die heiligen Perſonen des neuen Cul-
tus ſtehende und um ſo mehr typiſche Formen, je weni-
ger aufgelegt die Zeit zu eigner freier Thaͤtigkeit iſt. Die
Geſichter werden nach einer idealen, wenn auch immer
roh behandelten, Grundform gebildet; das Coſtuͤm iſt
in der Hauptſache ein Griechiſches, und der Faltenwurf
wird auf antike Weiſe in großen Maſſen angelegt. Das
Mittelaltrige draͤngt ſich in Tracht und Geberde erſt
allmaͤhlig in die Welt des Alterthums hinein, mehr
bei neuhinzukommenden als alten traditionellen Figuren.
Ueberall in jener Zeit Spuren einer alten Schule, nir-
gends eine eigne lebendige Auffaſſung der Natur, von de-
ren erneuertem Studium im dreizehnten und vierzehnten
Jahrhundert der friſche Aufſchwung der Kunſt und die
Befreiung von jenen typiſchen und lebloſen Formen aus-
ging, welche in der Griechiſchen Kirche als der letzte
Reſt einer untergegangnen Kunſtwelt noch heutzutage
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1. Wie die Chriſtliche Kunſt lange, nur in den Gegenſtänden
anders gewandt, in Technik und Formen eine antike bleibt, zeigt
beſonders Rumohr Ital. Forſchungen i. S. 157 ff.
Die Zerſtörungen.
214. Es iſt nach allem Dieſen nicht zu leugnen,
daß fuͤr die Kuͤnſte in Italien die Verſetzung der Reſi-
denz nach Byzanz; fuͤr die Kunſt im Allgemeinen das
Chriſtenthum, ſowohl ſeiner innerlichen Richtung
nach, die ſich indeß erſt nach und nach zur beſtimmt aus-
geſprochenen Oppoſition gegen die alte Kunſt entwickelte,
als auch durch die natuͤrliche und nothwendige Feindſeelig-
keit der aͤußern Stellung; endlich die Einfaͤlle und Er-
oberungen der Germaniſchen Staͤmme verderblich
gewirkt haben, weniger indeß durch abſichtliche Zertruͤm-
merung als durch die natuͤrlichen Folgen von Durchzuͤgen,
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