1136. Der erste aber, welcher auf die Nüancen von Licht und Schatten ein tieferes Studium richtete, und durch diese wesentlichen Erfordernisse Epoche machte, war Apollodoros von Athen, o Skiagraphos, welchen 2ohne Zweifel die Studien des Agatharchos in der per- spektivischen Bühnenmahlerei (§. 107 Anm. 3) auf seiner Bahn sehr gefördert hatten.
1. Er erfand phthoran kai apokhrosin skias Plut. de glor. Athen. 2. Hesych. (Luminum umbrarumque rationem in- venisse Zeuxis dicitur Quintil. xii, 10.) Momesetai tis mallon e mimesetai. Neque ante eum tabula ullius osten- ditur quae teneat oculos. Plin. Aehnliche, eigentlich ungerechte, Urtheile Quintil. xii, 10.
2. Skiagraph oder Skenograph nach Hesych. Ueber den engen Zusammenhang beider, Schneider Ecl. phys. Ann. p. 265. Von den Täuschungen der Skiagraphia, besonders für die Ferne, Plat. Staat x p. 602. Arist. Rhet. iii, 72.
1137. Nun beginnt mit Zeuxis das zweite Zeit- alter der vollkommnern Mahlerei, in welchem die Kunst zu sinnlicher Illusion und äußerem Reize gelangt war, 2und durch die Neuheit dieser Leistungen die Künstler selbst zu einem unter den Architekten und bildenden Künstlern 3unerhörten Hochmuth verleitete, obgleich sie in Betracht des Ernstes und der Tiefe, mit der die Gegenstände auf- gefaßt wurden, so wie der sittlichen Strenge, gegen den Geist der frühern Periode schon entartet erscheint. In 4dieser Epoche herrscht die Jonische Schule der Mah- lerei, welche dem Charakter des Stammes gemäß (§. 43) mehr Neigung zum Weichen und Ueppigen hat, als die alten Peloponnesischen und die zunächst vorhergegangene Attische Schule.
1. S. die Geschichten von den Trauben des Zeuxis und Par- rhasios Leinwand u. dgl. Von der Illusion der Mahlerei Platon Sophist. p. 234. Staat x, p. 598. Viele hielten dieß offenbar für das Höchste, wie die tragische Kunst seit Euripides auf die apate (früher auf die ekplexis) hinausgeht.
Hiſtoriſcher Theil.
1136. Der erſte aber, welcher auf die Nuͤancen von Licht und Schatten ein tieferes Studium richtete, und durch dieſe weſentlichen Erforderniſſe Epoche machte, war Apollodoros von Athen, ὁ Σκιαγράφος, welchen 2ohne Zweifel die Studien des Agatharchos in der per- ſpektiviſchen Buͤhnenmahlerei (§. 107 Anm. 3) auf ſeiner Bahn ſehr gefoͤrdert hatten.
1. Er erfand φϑορὰν καὶ ἀπόχρωσιν σκιᾶς Plut. de glor. Athen. 2. Heſych. (Luminum umbrarumque rationem in- venisse Zeuxis dicitur Quintil. xii, 10.) Μωμήσεται τις μᾶλλον ἢ μιμήσεται. Neque ante eum tabula ullius osten- ditur quae teneat oculos. Plin. Aehnliche, eigentlich ungerechte, Urtheile Quintil. xii, 10.
2. Skiagraph oder Skenograph nach Heſych. Ueber den engen Zuſammenhang beider, Schneider Ecl. phys. Ann. p. 265. Von den Täuſchungen der Skiagraphia, beſonders für die Ferne, Plat. Staat x p. 602. Ariſt. Rhet. iii, 72.
1137. Nun beginnt mit Zeuxis das zweite Zeit- alter der vollkommnern Mahlerei, in welchem die Kunſt zu ſinnlicher Illuſion und aͤußerem Reize gelangt war, 2und durch die Neuheit dieſer Leiſtungen die Kuͤnſtler ſelbſt zu einem unter den Architekten und bildenden Kuͤnſtlern 3unerhoͤrten Hochmuth verleitete, obgleich ſie in Betracht des Ernſtes und der Tiefe, mit der die Gegenſtaͤnde auf- gefaßt wurden, ſo wie der ſittlichen Strenge, gegen den Geiſt der fruͤhern Periode ſchon entartet erſcheint. In 4dieſer Epoche herrſcht die Joniſche Schule der Mah- lerei, welche dem Charakter des Stammes gemaͤß (§. 43) mehr Neigung zum Weichen und Ueppigen hat, als die alten Peloponneſiſchen und die zunaͤchſt vorhergegangene Attiſche Schule.
1. S. die Geſchichten von den Trauben des Zeuxis und Par- rhaſios Leinwand u. dgl. Von der Illuſion der Mahlerei Platon Sophiſt. p. 234. Staat x, p. 598. Viele hielten dieß offenbar für das Höchſte, wie die tragiſche Kunſt ſeit Euripides auf die ἀπάτη (früher auf die ἔκπληξις) hinausgeht.
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136. Der erſte aber, welcher auf die Nuͤancen von
Licht und Schatten ein tieferes Studium richtete, und
durch dieſe weſentlichen Erforderniſſe Epoche machte, war
Apollodoros von Athen, ὁ Σκιαγράφος, welchen
ohne Zweifel die Studien des Agatharchos in der per-
ſpektiviſchen Buͤhnenmahlerei (§. 107 Anm. 3) auf ſeiner
Bahn ſehr gefoͤrdert hatten.
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Athen. 2. Heſych. (Luminum umbrarumque rationem in-
venisse Zeuxis dicitur Quintil. xii, 10.) Μωμήσεται τις
μᾶλλον ἢ μιμήσεται. Neque ante eum tabula ullius osten-
ditur quae teneat oculos. Plin. Aehnliche, eigentlich ungerechte,
Urtheile Quintil. xii, 10.
2. Skiagraph oder Skenograph nach Heſych. Ueber den
engen Zuſammenhang beider, Schneider Ecl. phys. Ann. p. 265.
Von den Täuſchungen der Skiagraphia, beſonders für die Ferne,
Plat. Staat x p. 602. Ariſt. Rhet. iii, 72.
137. Nun beginnt mit Zeuxis das zweite Zeit-
alter der vollkommnern Mahlerei, in welchem die Kunſt
zu ſinnlicher Illuſion und aͤußerem Reize gelangt war,
und durch die Neuheit dieſer Leiſtungen die Kuͤnſtler ſelbſt
zu einem unter den Architekten und bildenden Kuͤnſtlern
unerhoͤrten Hochmuth verleitete, obgleich ſie in Betracht
des Ernſtes und der Tiefe, mit der die Gegenſtaͤnde auf-
gefaßt wurden, ſo wie der ſittlichen Strenge, gegen den
Geiſt der fruͤhern Periode ſchon entartet erſcheint. In
dieſer Epoche herrſcht die Joniſche Schule der Mah-
lerei, welche dem Charakter des Stammes gemaͤß (§. 43)
mehr Neigung zum Weichen und Ueppigen hat, als die
alten Peloponneſiſchen und die zunaͤchſt vorhergegangene
Attiſche Schule.
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rhaſios Leinwand u. dgl. Von der Illuſion der Mahlerei Platon
Sophiſt. p. 234. Staat x, p. 598. Viele hielten dieß offenbar
für das Höchſte, wie die tragiſche Kunſt ſeit Euripides auf die
ἀπάτη (früher auf die ἔκπληξις) hinausgeht.
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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