Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Demos ist ursprünglich Bezeichnung des Gebiets
einer Gemeinde, und dann auch der dasselbe bewohnen-
den Gesammtheit; Polis dagegen die Stadt, die man
sich in Homerischer Zeit wohl nie unbefestigt denken
darf. An diese aber knüpft sich alles Staatsleben des
Ganzen an, und es wohnen hier besonders die von
eigenem Betrieb des Landbaues Befreiten, die Krieger-
geschlechter, die Edlen 1; darum wird es auch bei
Homer für eine Schmach oder ein Unglück angesehen,
wenn ein Edler unter den Leibeigenen auf dem Lande
lebt 2. So ist es bei dem ältesten Dichter, und das-
selbe Verhältniß geben auch einzelne Nachrichten ge-
schichtlicher Art an. Als sich die Achäer auf die Küste
Aegialeia warfen, setzten sie sich hier in den Städten
und Burgen fest; und trennten sich gänzlich von den
Landbewohnern; wenigstens wissen wir dies von Pa-
trä 3; so daß hier derselbe Volkstamm als Eroberer
die Hauptstadt bewohnte, der als Unterworfener in
Lakonika in die Landorte zerstreut war; erst später zo-
gen die Achäischen Städte, Paträ, Dyme, Aegion ihre
Demen in sich hinein 4. In Athen hatten einst die
Eupatriden die Stadt selbst inne 5, welche Nachricht
auffallend dadurch bestätigt wird, daß einer der De-
men Kydathenäon in der Stadt lag 6: und was ist
Kydathenäos anders als ein edler nnd ruhmvoller Athe-
ner 7? Daraus erklärt sich der Unterschied zwischen

1 Od. 24, 414. kata ptolin.
2 Od. 11, 187.
3 Paus. 7, 18, 3.
4 Str. a. O. vgl. 8, 386. oi men oun Iones
komedon okoun, (ohne Mauern der Städte Th. 3, 33.) oi d ' A-
khaioi poleis ektisan. Ueber den sunoikismos von Paträ, Dyme,
Aegion 8. p. 337.
5 Eupatridai oi auto to astu oikoun-
tes, Bekk. Anecd. p. 257.
6 Kudathenaion demos en
astei Hesych. Schol. Platon Symp. p. 43. R.
7 Kuda-
thenaios endoxos Athenaios Hesych.

Demos iſt urſpruͤnglich Bezeichnung des Gebiets
einer Gemeinde, und dann auch der daſſelbe bewohnen-
den Geſammtheit; Πόλις dagegen die Stadt, die man
ſich in Homeriſcher Zeit wohl nie unbefeſtigt denken
darf. An dieſe aber knuͤpft ſich alles Staatsleben des
Ganzen an, und es wohnen hier beſonders die von
eigenem Betrieb des Landbaues Befreiten, die Krieger-
geſchlechter, die Edlen 1; darum wird es auch bei
Homer fuͤr eine Schmach oder ein Ungluͤck angeſehen,
wenn ein Edler unter den Leibeigenen auf dem Lande
lebt 2. So iſt es bei dem aͤlteſten Dichter, und das-
ſelbe Verhaͤltniß geben auch einzelne Nachrichten ge-
ſchichtlicher Art an. Als ſich die Achaͤer auf die Kuͤſte
Aegialeia warfen, ſetzten ſie ſich hier in den Staͤdten
und Burgen feſt; und trennten ſich gaͤnzlich von den
Landbewohnern; wenigſtens wiſſen wir dies von Pa-
traͤ 3; ſo daß hier derſelbe Volkſtamm als Eroberer
die Hauptſtadt bewohnte, der als Unterworfener in
Lakonika in die Landorte zerſtreut war; erſt ſpaͤter zo-
gen die Achaͤiſchen Staͤdte, Patraͤ, Dyme, Aegion ihre
Demen in ſich hinein 4. In Athen hatten einſt die
Eupatriden die Stadt ſelbſt inne 5, welche Nachricht
auffallend dadurch beſtaͤtigt wird, daß einer der De-
men Kydathenaͤon in der Stadt lag 6: und was iſt
Kydathenaͤos anders als ein edler nnd ruhmvoller Athe-
ner 7? Daraus erklaͤrt ſich der Unterſchied zwiſchen

1 Od. 24, 414. κατἀ πτὸλιν.
2 Od. 11, 187.
3 Pauſ. 7, 18, 3.
4 Str. a. O. vgl. 8, 386. οἱ μὲν οὐν Ἴωνες
κωμηδὸν ὤκουν, (ohne Mauern der Staͤdte Th. 3, 33.) οἱ δ̛ ᾽ Α-
χαιοὶ πόλεις ἔκτισαν. Ueber den συνοικισμὸς von Patraͤ, Dyme,
Aegion 8. p. 337.
5 Εὐπατϱίδαι οἱ αὐτὸ τὸ ἄστυ οἰκοῦν-
τες, Bekk. Anecd. p. 257.
6 Κυδαθήναιον δῆμος ἐν
ἄστει Heſych. Schol. Platon Symp. p. 43. R.
7 Κυδα-
θηναἵος ἔνδοξος Αϑηναῖος Heſych.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0077" n="71"/>
            <p>Demos i&#x017F;t ur&#x017F;pru&#x0364;nglich Bezeichnung des Gebiets<lb/>
einer Gemeinde, und dann auch der da&#x017F;&#x017F;elbe bewohnen-<lb/>
den Ge&#x017F;ammtheit; &#x03A0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C2; dagegen die <hi rendition="#g">Stadt</hi>, die man<lb/>
&#x017F;ich in Homeri&#x017F;cher Zeit wohl nie unbefe&#x017F;tigt denken<lb/>
darf. An die&#x017F;e aber knu&#x0364;pft &#x017F;ich alles Staatsleben des<lb/>
Ganzen an, und es wohnen hier be&#x017F;onders die von<lb/>
eigenem Betrieb des Landbaues Befreiten, die Krieger-<lb/>
ge&#x017F;chlechter, die Edlen <note place="foot" n="1">Od. 24, 414. &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x1F00; &#x03C0;&#x03C4;&#x1F78;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BD;.</note>; darum wird es auch bei<lb/>
Homer fu&#x0364;r eine Schmach oder ein Unglu&#x0364;ck ange&#x017F;ehen,<lb/>
wenn ein Edler unter den Leibeigenen auf dem Lande<lb/>
lebt <note place="foot" n="2">Od. 11, 187.</note>. So i&#x017F;t es bei dem a&#x0364;lte&#x017F;ten Dichter, und das-<lb/>
&#x017F;elbe Verha&#x0364;ltniß geben auch einzelne Nachrichten ge-<lb/>
&#x017F;chichtlicher Art an. Als &#x017F;ich die Acha&#x0364;er auf die Ku&#x0364;&#x017F;te<lb/>
Aegialeia warfen, &#x017F;etzten &#x017F;ie &#x017F;ich hier in den Sta&#x0364;dten<lb/>
und Burgen fe&#x017F;t; und trennten &#x017F;ich ga&#x0364;nzlich von den<lb/>
Landbewohnern; wenig&#x017F;tens wi&#x017F;&#x017F;en wir dies von Pa-<lb/>
tra&#x0364; <note place="foot" n="3">Pau&#x017F;. 7, 18, 3.</note>; &#x017F;o daß hier der&#x017F;elbe Volk&#x017F;tamm als Eroberer<lb/>
die Haupt&#x017F;tadt bewohnte, der als Unterworfener in<lb/>
Lakonika in die Landorte zer&#x017F;treut war; er&#x017F;t &#x017F;pa&#x0364;ter zo-<lb/>
gen die Acha&#x0364;i&#x017F;chen Sta&#x0364;dte, Patra&#x0364;, Dyme, Aegion ihre<lb/>
Demen in &#x017F;ich hinein <note place="foot" n="4">Str. a. O. vgl. 8, 386. &#x03BF;&#x1F31; &#x03BC;&#x1F72;&#x03BD; &#x03BF;&#x1F50;&#x03BD; &#x1F3C;&#x03C9;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2;<lb/>
&#x03BA;&#x03C9;&#x03BC;&#x03B7;&#x03B4;&#x1F78;&#x03BD; &#x1F64;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BD;, (ohne Mauern der Sta&#x0364;dte Th. 3, 33.) &#x03BF;&#x1F31; &#x03B4;&#x031B; &#x1FBD; &#x0391;-<lb/>
&#x03C7;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BF;&#x1F76; &#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C2; &#x1F14;&#x03BA;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;. Ueber den &#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x1F78;&#x03C2; von Patra&#x0364;, Dyme,<lb/>
Aegion 8. <hi rendition="#aq">p. 337.</hi></note>. In Athen hatten ein&#x017F;t die<lb/>
Eupatriden die Stadt &#x017F;elb&#x017F;t inne <note place="foot" n="5">&#x0395;&#x1F50;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03F1;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BF;&#x1F31; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78; &#x03C4;&#x1F78; &#x1F04;&#x03C3;&#x03C4;&#x03C5; &#x03BF;&#x1F30;&#x03BA;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BD;-<lb/>
&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2;, <hi rendition="#aq">Bekk. Anecd. p. 257.</hi></note>, welche Nachricht<lb/>
auffallend dadurch be&#x017F;ta&#x0364;tigt wird, daß einer der De-<lb/>
men Kydathena&#x0364;on in der Stadt lag <note place="foot" n="6">&#x039A;&#x03C5;&#x03B4;&#x03B1;&#x03B8;&#x03AE;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B4;&#x1FC6;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BD;<lb/>
&#x1F04;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B5;&#x03B9; He&#x017F;ych. Schol. Platon Symp. <hi rendition="#aq">p. 43.</hi> R.</note>: und was i&#x017F;t<lb/>
Kydathena&#x0364;os anders als ein edler nnd ruhmvoller Athe-<lb/>
ner <note place="foot" n="7">&#x039A;&#x03C5;&#x03B4;&#x03B1;-<lb/>
&#x03B8;&#x03B7;&#x03BD;&#x03B1;&#x1F35;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F14;&#x03BD;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BE;&#x03BF;&#x03C2; &#x0391;&#x03D1;&#x03B7;&#x03BD;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03C2; He&#x017F;ych.</note>? Daraus erkla&#x0364;rt &#x017F;ich der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0077] Demos iſt urſpruͤnglich Bezeichnung des Gebiets einer Gemeinde, und dann auch der daſſelbe bewohnen- den Geſammtheit; Πόλις dagegen die Stadt, die man ſich in Homeriſcher Zeit wohl nie unbefeſtigt denken darf. An dieſe aber knuͤpft ſich alles Staatsleben des Ganzen an, und es wohnen hier beſonders die von eigenem Betrieb des Landbaues Befreiten, die Krieger- geſchlechter, die Edlen 1; darum wird es auch bei Homer fuͤr eine Schmach oder ein Ungluͤck angeſehen, wenn ein Edler unter den Leibeigenen auf dem Lande lebt 2. So iſt es bei dem aͤlteſten Dichter, und das- ſelbe Verhaͤltniß geben auch einzelne Nachrichten ge- ſchichtlicher Art an. Als ſich die Achaͤer auf die Kuͤſte Aegialeia warfen, ſetzten ſie ſich hier in den Staͤdten und Burgen feſt; und trennten ſich gaͤnzlich von den Landbewohnern; wenigſtens wiſſen wir dies von Pa- traͤ 3; ſo daß hier derſelbe Volkſtamm als Eroberer die Hauptſtadt bewohnte, der als Unterworfener in Lakonika in die Landorte zerſtreut war; erſt ſpaͤter zo- gen die Achaͤiſchen Staͤdte, Patraͤ, Dyme, Aegion ihre Demen in ſich hinein 4. In Athen hatten einſt die Eupatriden die Stadt ſelbſt inne 5, welche Nachricht auffallend dadurch beſtaͤtigt wird, daß einer der De- men Kydathenaͤon in der Stadt lag 6: und was iſt Kydathenaͤos anders als ein edler nnd ruhmvoller Athe- ner 7? Daraus erklaͤrt ſich der Unterſchied zwiſchen 1 Od. 24, 414. κατἀ πτὸλιν. 2 Od. 11, 187. 3 Pauſ. 7, 18, 3. 4 Str. a. O. vgl. 8, 386. οἱ μὲν οὐν Ἴωνες κωμηδὸν ὤκουν, (ohne Mauern der Staͤdte Th. 3, 33.) οἱ δ̛ ᾽ Α- χαιοὶ πόλεις ἔκτισαν. Ueber den συνοικισμὸς von Patraͤ, Dyme, Aegion 8. p. 337. 5 Εὐπατϱίδαι οἱ αὐτὸ τὸ ἄστυ οἰκοῦν- τες, Bekk. Anecd. p. 257. 6 Κυδαθήναιον δῆμος ἐν ἄστει Heſych. Schol. Platon Symp. p. 43. R. 7 Κυδα- θηναἵος ἔνδοξος Αϑηναῖος Heſych.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/77
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/77>, abgerufen am 24.11.2024.