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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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dann nach langem Kriege, wie es scheint, auch von da
verjagt, oder von neuem unterworfen 1.

Aber auch Periöken hatten die Argeier 2, welche mit
einem besondern Namen Orneaten genannt wurden.
So hießen eigentlich die Einwohner einer Stadt Orneä
in den Gränzgebirgen gegen Mantinea, welche, lange
unabhängig, doch endlich, etwa gegen Olymp 50. 3,
von den Argeiern unterworfen wurde; und dann von
diesem Orte die ganze Classe von Periöken. Diese Or-
neaten oder Periöken bildeten also Gemeinden für sich,
wie die Lakonischen, und zwar bis gegen den Persi-
schen Krieg. Denn zu dieser Zeit zogen die Argeier,
wie oben nachgewiesen, die umliegenden Periökischen
Gemeinden 4 zur Ergänzung und Vermehrung ihrer
eigenen Zahl an sich, und machten sie zu Stadtbür-
gern: womit eine ganz neue Periode in der Argeiischen
Verfassungsgeschichte anhebt, deren Verhältnisse als
bekannter öfter mit Unrecht auf die frühern Zeiten
übergetragen worden sind. So sagt Isokrates 5, daß
die Dorier von Argos, wie von Messene, die frühern
Landeseinwohner (als sunoikous) mit in die Stadt
aufgenommen, und ihnen mit Ausnahme der Ehren-
stellen gleiches Bürgerrecht gegeben hätten, und stellt
damit das Verfahren der Spartiaten in einen Gegen-
satz, der, wie nunmehro Jeder sieht, durchaus nichtig

1 Von der Freilassung Argeiischer Knechte spricht die Stelle
Hesych s. v. eleitheron udor: en Argei apo tes Sunageeas (ob
PhUSADEILS, vgl. Kallim. Bad der Pall. 47. Euphorion Fr. 19
Meineke) pinousi krenes eleutheroumenoi ton oiketon.
2 Arist.
Pol. 5, 2, 8.
3 Bd. 2. S. 159.
4 nicht die Gymne-
sier s. Bd. 2. S. 174, 1.
5 Panathen. 73. vgl. 99. So
glaube ich auch, daß sich Paus. täuschen lassen, wenn er 2, 19. den
Arg. seit der ältesten Zeit Liebe zur Isegorie und Volksfreiheit bei-
schreibt.

dann nach langem Kriege, wie es ſcheint, auch von da
verjagt, oder von neuem unterworfen 1.

Aber auch Perioͤken hatten die Argeier 2, welche mit
einem beſondern Namen Orneaten genannt wurden.
So hießen eigentlich die Einwohner einer Stadt Orneaͤ
in den Graͤnzgebirgen gegen Mantinea, welche, lange
unabhaͤngig, doch endlich, etwa gegen Olymp 50. 3,
von den Argeiern unterworfen wurde; und dann von
dieſem Orte die ganze Claſſe von Perioͤken. Dieſe Or-
neaten oder Perioͤken bildeten alſo Gemeinden fuͤr ſich,
wie die Lakoniſchen, und zwar bis gegen den Perſi-
ſchen Krieg. Denn zu dieſer Zeit zogen die Argeier,
wie oben nachgewieſen, die umliegenden Perioͤkiſchen
Gemeinden 4 zur Ergaͤnzung und Vermehrung ihrer
eigenen Zahl an ſich, und machten ſie zu Stadtbuͤr-
gern: womit eine ganz neue Periode in der Argeiiſchen
Verfaſſungsgeſchichte anhebt, deren Verhaͤltniſſe als
bekannter oͤfter mit Unrecht auf die fruͤhern Zeiten
uͤbergetragen worden ſind. So ſagt Iſokrates 5, daß
die Dorier von Argos, wie von Meſſene, die fruͤhern
Landeseinwohner (als συνοίκους) mit in die Stadt
aufgenommen, und ihnen mit Ausnahme der Ehren-
ſtellen gleiches Buͤrgerrecht gegeben haͤtten, und ſtellt
damit das Verfahren der Spartiaten in einen Gegen-
ſatz, der, wie nunmehro Jeder ſieht, durchaus nichtig

1 Von der Freilaſſung Argeiiſcher Knechte ſpricht die Stelle
Heſych s. v. ἐλείθεϱον ὕδωϱ: ἐν Ἄϱγει ἀπὸ τῆς Συναγεέας (ob
ΦϒΣΑΔΕΙΛΣ, vgl. Kallim. Bad der Pall. 47. Euphorion Fr. 19
Meineke) πίνουσι κϱήνης ἐλευθεϱούμενοι τῶν οἰκετῶν.
2 Ariſt.
Pol. 5, 2, 8.
3 Bd. 2. S. 159.
4 nicht die Gymne-
ſier ſ. Bd. 2. S. 174, 1.
5 Panathen. 73. vgl. 99. So
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[57/0063] dann nach langem Kriege, wie es ſcheint, auch von da verjagt, oder von neuem unterworfen 1. Aber auch Perioͤken hatten die Argeier 2, welche mit einem beſondern Namen Orneaten genannt wurden. So hießen eigentlich die Einwohner einer Stadt Orneaͤ in den Graͤnzgebirgen gegen Mantinea, welche, lange unabhaͤngig, doch endlich, etwa gegen Olymp 50. 3, von den Argeiern unterworfen wurde; und dann von dieſem Orte die ganze Claſſe von Perioͤken. Dieſe Or- neaten oder Perioͤken bildeten alſo Gemeinden fuͤr ſich, wie die Lakoniſchen, und zwar bis gegen den Perſi- ſchen Krieg. Denn zu dieſer Zeit zogen die Argeier, wie oben nachgewieſen, die umliegenden Perioͤkiſchen Gemeinden 4 zur Ergaͤnzung und Vermehrung ihrer eigenen Zahl an ſich, und machten ſie zu Stadtbuͤr- gern: womit eine ganz neue Periode in der Argeiiſchen Verfaſſungsgeſchichte anhebt, deren Verhaͤltniſſe als bekannter oͤfter mit Unrecht auf die fruͤhern Zeiten uͤbergetragen worden ſind. So ſagt Iſokrates 5, daß die Dorier von Argos, wie von Meſſene, die fruͤhern Landeseinwohner (als συνοίκους) mit in die Stadt aufgenommen, und ihnen mit Ausnahme der Ehren- ſtellen gleiches Buͤrgerrecht gegeben haͤtten, und ſtellt damit das Verfahren der Spartiaten in einen Gegen- ſatz, der, wie nunmehro Jeder ſieht, durchaus nichtig 1 Von der Freilaſſung Argeiiſcher Knechte ſpricht die Stelle Heſych s. v. ἐλείθεϱον ὕδωϱ: ἐν Ἄϱγει ἀπὸ τῆς Συναγεέας (ob ΦϒΣΑΔΕΙΛΣ, vgl. Kallim. Bad der Pall. 47. Euphorion Fr. 19 Meineke) πίνουσι κϱήνης ἐλευθεϱούμενοι τῶν οἰκετῶν. 2 Ariſt. Pol. 5, 2, 8. 3 Bd. 2. S. 159. 4 nicht die Gymne- ſier ſ. Bd. 2. S. 174, 1. 5 Panathen. 73. vgl. 99. So glaube ich auch, daß ſich Pauſ. taͤuſchen laſſen, wenn er 2, 19. den Arg. ſeit der aͤlteſten Zeit Liebe zur Iſegorie und Volksfreiheit bei- ſchreibt.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/63>, abgerufen am 21.11.2024.