wie die Befreiung des Theseus aus dem Hades, und wohl alle andern Attischen Heraklesfabeln kamen bei Herodor nicht vor. Plut. Thes. 29. 30. Dies hängt damit zusammen, daß die Cerberusfabel bei ihm an- ders gestellt war und erzählt wurde. -- Noch wird aus dem 5ten Buch die Hungerlosigkeit des Herakles angeführt (Proklos zu Hesiods T. und W. 40.), und ohne Nennung des Buches, daß der Held den Geier für das glücklichste Zeichen hielt. Arist. Hist. anim. 6, 6. 9, 12. Plut. Rom. 9. Qu. Rom. 93. Beides ließe sich allenfalls placiren, aber ohne gehörige Si- cherheit.
4.
Vergleicht man diese Reihe von Fragmenten mit Apollodors Erzählung, so sieht man ein, daß der letztre den Connex seiner Fabel in der Hauptsache dem Herodor verdankt, wenn auch mehrere Abweichungen statt finden, besonders da wo im Apollodor verwirrte und abgebrochne Stellen sind. Dem Charakter nach steht Herodor den historisirenden Mythographen schon sehr nahe; er schob geographische und ethnographische Excurse ein, wodurch die Mythologie ganz ihre Eigen- thümlichkeit verlor; er räsonnirte über Gleichzeitigkeit mythischer Thaten; er deutete wunderbare und seltsame Fabeln um. -- Was aber seine Quellen betrifft: so mag er das Meiste aus den Logographen, namentlich Pherekydes, oder unmittelbarer aus alten Epopöen aufgenommen und verbunden haben, Manches aber brachte er zuerst aus Lokalsagen hinein, namentlich die Abentheuer in seiner Vaterstadt Herakleia. Denn da- von erzählte, soviel wir wissen, kein Früherer, und gewiß nicht so Bestimmtes und Einzelnes.
5.
Unter den Logographen kommen wir zuerst zu Pherekydes: dessen Fragmente Sturz ziemlich voll- ständig gesammelt hat, daher wir uns hier mit um so kürzrer Andeutung begnügen dürfen. Die Tödtung des Elektryon durch Amphitryon wurde wie bei Apd. 2, 4, 5. erzählt, wenig abweichend von Hesiod Schild V. 10. Frgm. 12. p. 103. Sturz. Vom Zuge gegen die Teleboer wie Apd.; und dem Becher, den Zeus der Alkmene gab, wie Herodor, bei Ath. 11,
30 *
wie die Befreiung des Theſeus aus dem Hades, und wohl alle andern Attiſchen Heraklesfabeln kamen bei Herodor nicht vor. Plut. Theſ. 29. 30. Dies haͤngt damit zuſammen, daß die Cerberusfabel bei ihm an- ders geſtellt war und erzaͤhlt wurde. — Noch wird aus dem 5ten Buch die Hungerloſigkeit des Herakles angefuͤhrt (Proklos zu Heſiods T. und W. 40.), und ohne Nennung des Buches, daß der Held den Geier fuͤr das gluͤcklichſte Zeichen hielt. Ariſt. Hist. anim. 6, 6. 9, 12. Plut. Rom. 9. Qu. Rom. 93. Beides ließe ſich allenfalls placiren, aber ohne gehoͤrige Si- cherheit.
4.
Vergleicht man dieſe Reihe von Fragmenten mit Apollodors Erzaͤhlung, ſo ſieht man ein, daß der letztre den Connex ſeiner Fabel in der Hauptſache dem Herodor verdankt, wenn auch mehrere Abweichungen ſtatt finden, beſonders da wo im Apollodor verwirrte und abgebrochne Stellen ſind. Dem Charakter nach ſteht Herodor den hiſtoriſirenden Mythographen ſchon ſehr nahe; er ſchob geographiſche und ethnographiſche Excurſe ein, wodurch die Mythologie ganz ihre Eigen- thuͤmlichkeit verlor; er raͤſonnirte uͤber Gleichzeitigkeit mythiſcher Thaten; er deutete wunderbare und ſeltſame Fabeln um. — Was aber ſeine Quellen betrifft: ſo mag er das Meiſte aus den Logographen, namentlich Pherekydes, oder unmittelbarer aus alten Epopoͤen aufgenommen und verbunden haben, Manches aber brachte er zuerſt aus Lokalſagen hinein, namentlich die Abentheuer in ſeiner Vaterſtadt Herakleia. Denn da- von erzaͤhlte, ſoviel wir wiſſen, kein Fruͤherer, und gewiß nicht ſo Beſtimmtes und Einzelnes.
5.
Unter den Logographen kommen wir zuerſt zu Pherekydes: deſſen Fragmente Sturz ziemlich voll- ſtaͤndig geſammelt hat, daher wir uns hier mit um ſo kuͤrzrer Andeutung begnuͤgen duͤrfen. Die Toͤdtung des Elektryon durch Amphitryon wurde wie bei Apd. 2, 4, 5. erzaͤhlt, wenig abweichend von Heſiod Schild V. 10. Frgm. 12. p. 103. Sturz. Vom Zuge gegen die Teleboer wie Apd.; und dem Becher, den Zeus der Alkmene gab, wie Herodor, bei Ath. 11,
30 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0473"n="467"/>
wie die Befreiung des Theſeus aus dem Hades, und<lb/>
wohl alle andern Attiſchen Heraklesfabeln kamen bei<lb/>
Herodor <hirendition="#g">nicht</hi> vor. Plut. Theſ. 29. 30. Dies haͤngt<lb/>
damit zuſammen, daß die Cerberusfabel bei ihm an-<lb/>
ders geſtellt war und erzaͤhlt wurde. — Noch wird<lb/>
aus dem 5ten Buch die Hungerloſigkeit des Herakles<lb/>
angefuͤhrt (Proklos zu Heſiods T. und W. 40.), und<lb/>
ohne Nennung des Buches, daß der Held den Geier<lb/>
fuͤr das gluͤcklichſte Zeichen hielt. Ariſt. <hirendition="#aq">Hist. anim.</hi><lb/>
6, 6. 9, 12. Plut. Rom. 9. <hirendition="#aq">Qu. Rom.</hi> 93. Beides<lb/>
ließe ſich allenfalls placiren, aber ohne gehoͤrige Si-<lb/>
cherheit.</p></div><lb/><divn="3"><head>4.</head><lb/><p>Vergleicht man dieſe Reihe von Fragmenten<lb/>
mit Apollodors Erzaͤhlung, ſo ſieht man ein, daß der<lb/>
letztre den Connex ſeiner Fabel in der Hauptſache dem<lb/>
Herodor verdankt, wenn auch mehrere Abweichungen<lb/>ſtatt finden, beſonders da wo im Apollodor verwirrte<lb/>
und abgebrochne Stellen ſind. Dem Charakter nach<lb/>ſteht Herodor den hiſtoriſirenden Mythographen ſchon<lb/>ſehr nahe; er ſchob geographiſche und ethnographiſche<lb/>
Excurſe ein, wodurch die Mythologie ganz ihre Eigen-<lb/>
thuͤmlichkeit verlor; er raͤſonnirte uͤber Gleichzeitigkeit<lb/>
mythiſcher Thaten; er deutete wunderbare und ſeltſame<lb/>
Fabeln um. — Was aber ſeine Quellen betrifft: ſo<lb/>
mag er das Meiſte aus den Logographen, namentlich<lb/>
Pherekydes, oder unmittelbarer aus alten Epopoͤen<lb/>
aufgenommen und verbunden haben, Manches aber<lb/>
brachte er zuerſt aus Lokalſagen hinein, namentlich die<lb/>
Abentheuer in ſeiner Vaterſtadt Herakleia. Denn da-<lb/>
von erzaͤhlte, ſoviel wir wiſſen, kein Fruͤherer, und<lb/>
gewiß nicht ſo Beſtimmtes und Einzelnes.</p></div><lb/><divn="3"><head>5.</head><lb/><p>Unter den Logographen kommen wir zuerſt zu<lb/><hirendition="#g">Pherekydes:</hi> deſſen Fragmente Sturz ziemlich voll-<lb/>ſtaͤndig geſammelt hat, daher wir uns hier mit um ſo<lb/>
kuͤrzrer Andeutung begnuͤgen duͤrfen. Die Toͤdtung<lb/>
des Elektryon durch Amphitryon wurde wie bei Apd.<lb/>
2, 4, 5. erzaͤhlt, wenig abweichend von Heſiod Schild<lb/>
V. 10. Frgm. 12. <hirendition="#aq">p.</hi> 103. Sturz. Vom Zuge<lb/>
gegen die Teleboer wie Apd.; und dem Becher, den<lb/>
Zeus der Alkmene gab, wie Herodor, bei Ath. 11,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">30 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[467/0473]
wie die Befreiung des Theſeus aus dem Hades, und
wohl alle andern Attiſchen Heraklesfabeln kamen bei
Herodor nicht vor. Plut. Theſ. 29. 30. Dies haͤngt
damit zuſammen, daß die Cerberusfabel bei ihm an-
ders geſtellt war und erzaͤhlt wurde. — Noch wird
aus dem 5ten Buch die Hungerloſigkeit des Herakles
angefuͤhrt (Proklos zu Heſiods T. und W. 40.), und
ohne Nennung des Buches, daß der Held den Geier
fuͤr das gluͤcklichſte Zeichen hielt. Ariſt. Hist. anim.
6, 6. 9, 12. Plut. Rom. 9. Qu. Rom. 93. Beides
ließe ſich allenfalls placiren, aber ohne gehoͤrige Si-
cherheit.
4.
Vergleicht man dieſe Reihe von Fragmenten
mit Apollodors Erzaͤhlung, ſo ſieht man ein, daß der
letztre den Connex ſeiner Fabel in der Hauptſache dem
Herodor verdankt, wenn auch mehrere Abweichungen
ſtatt finden, beſonders da wo im Apollodor verwirrte
und abgebrochne Stellen ſind. Dem Charakter nach
ſteht Herodor den hiſtoriſirenden Mythographen ſchon
ſehr nahe; er ſchob geographiſche und ethnographiſche
Excurſe ein, wodurch die Mythologie ganz ihre Eigen-
thuͤmlichkeit verlor; er raͤſonnirte uͤber Gleichzeitigkeit
mythiſcher Thaten; er deutete wunderbare und ſeltſame
Fabeln um. — Was aber ſeine Quellen betrifft: ſo
mag er das Meiſte aus den Logographen, namentlich
Pherekydes, oder unmittelbarer aus alten Epopoͤen
aufgenommen und verbunden haben, Manches aber
brachte er zuerſt aus Lokalſagen hinein, namentlich die
Abentheuer in ſeiner Vaterſtadt Herakleia. Denn da-
von erzaͤhlte, ſoviel wir wiſſen, kein Fruͤherer, und
gewiß nicht ſo Beſtimmtes und Einzelnes.
5.
Unter den Logographen kommen wir zuerſt zu
Pherekydes: deſſen Fragmente Sturz ziemlich voll-
ſtaͤndig geſammelt hat, daher wir uns hier mit um ſo
kuͤrzrer Andeutung begnuͤgen duͤrfen. Die Toͤdtung
des Elektryon durch Amphitryon wurde wie bei Apd.
2, 4, 5. erzaͤhlt, wenig abweichend von Heſiod Schild
V. 10. Frgm. 12. p. 103. Sturz. Vom Zuge
gegen die Teleboer wie Apd.; und dem Becher, den
Zeus der Alkmene gab, wie Herodor, bei Ath. 11,
30 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/473>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.