Schwieriger ist es, sich von der Behandlung und Lebensweise der Heloten einen deutlichen Begriff zu machen, weil der rhetorische Geist der spätern Ge- schichtsschreibung, sich besonders in Deklamationen für die Humanität gefallend, und die Unkenntniß eigen- thümlicher Verhältnisse Vieles verwirrt und entstellt hat. Myron von Priene mahlte in seinem Roman über den Messenischen Krieg Sparta sehr schwarz, und suchte durch Schilderung des Schicksals, welches die Ueber- wundenen traf, am Ende zu rühren. "Den Heloten befehlen die Spartiaten, sagt er 1, jedes schimpfliche Geschäft. Sie zwingen sie eine Hundsfellmütze (kune) zu tragen, einen Schaafpelz (diphthera) umzuhängen, und Jahr für Jahr schuldios Schläge zu empfangen, damit sie nie verlernen Sklaven zu sein. Dazu haben sie denen, welche durch Größe und Schönheit sich über die Gebühr eines Knechtes erheben, Todesstrafe be- stimmt, und strafen den Besitzer, welcher nicht die mannhaftesten unter ihnen schlägt." Die gänzliche Ver- fälschung alles ruhigen Urtheils liegt gleich in der ersten Angabe offen da. Denn jene Ledermütze mit breitem Rande und den Schaafpelz trugen die Heloten aus kei- nem andern Grunde, als weil es die alteinheimische Landtracht war, welche auch die Arkader aus alter Sitte beibehalten hatten 2; wie auch Laertes, Odys-
1 bei Athen. 14, 657 d. Die kune wird wohl auch als zur Helotentracht gehörig bezeichnet in der Geschichte des Antiochos von Phalanths Signal zur Verschwörung (Str. 6, 278.), obgleich An- dere (Aeneas Poliore. 11.) einen pilos an die Stelle setzen.
2 Kune Arkas, Sophokl. Inachos bei Schol. Arist. Vög. 1203. Valcken. zu Theokr. Adoniaz. S. 345, einerlei mit pilos Ark. Polyän 4, 14. galerus Arcad. Stat. Theb. 4, 299. 7, 39. Kune Boiotia als Tracht des Landlebens, Hesych. Arkader in Ziegen- und Schaaffellen zu Felde ziehend. Paus. 4, 11, 1.
3.
Schwieriger iſt es, ſich von der Behandlung und Lebensweiſe der Heloten einen deutlichen Begriff zu machen, weil der rhetoriſche Geiſt der ſpaͤtern Ge- ſchichtsſchreibung, ſich beſonders in Deklamationen fuͤr die Humanitaͤt gefallend, und die Unkenntniß eigen- thuͤmlicher Verhaͤltniſſe Vieles verwirrt und entſtellt hat. Myron von Priene mahlte in ſeinem Roman uͤber den Meſſeniſchen Krieg Sparta ſehr ſchwarz, und ſuchte durch Schilderung des Schickſals, welches die Ueber- wundenen traf, am Ende zu ruͤhren. “Den Heloten befehlen die Spartiaten, ſagt er 1, jedes ſchimpfliche Geſchaͤft. Sie zwingen ſie eine Hundsfellmuͤtze (κυνῆ) zu tragen, einen Schaafpelz (διφϑέρα) umzuhaͤngen, und Jahr fuͤr Jahr ſchuldios Schlaͤge zu empfangen, damit ſie nie verlernen Sklaven zu ſein. Dazu haben ſie denen, welche durch Groͤße und Schoͤnheit ſich uͤber die Gebuͤhr eines Knechtes erheben, Todesſtrafe be- ſtimmt, und ſtrafen den Beſitzer, welcher nicht die mannhafteſten unter ihnen ſchlaͤgt.” Die gaͤnzliche Ver- faͤlſchung alles ruhigen Urtheils liegt gleich in der erſten Angabe offen da. Denn jene Ledermuͤtze mit breitem Rande und den Schaafpelz trugen die Heloten aus kei- nem andern Grunde, als weil es die alteinheimiſche Landtracht war, welche auch die Arkader aus alter Sitte beibehalten hatten 2; wie auch Laertes, Odyſ-
1 bei Athen. 14, 657 d. Die κυνῆ wird wohl auch als zur Helotentracht gehoͤrig bezeichnet in der Geſchichte des Antiochos von Phalanths Signal zur Verſchwoͤrung (Str. 6, 278.), obgleich An- dere (Aeneas Poliore. 11.) einen πῖλος an die Stelle ſetzen.
2 Κυνᾔ ̓ Αϱκάς, Sophokl. Inachos bei Schol. Ariſt. Voͤg. 1203. Valcken. zu Theokr. Adoniaz. S. 345, einerlei mit πῖλος Αϱκ. Polyaͤn 4, 14. galerus Arcad. Stat. Theb. 4, 299. 7, 39. Κυνῆ Βοιωτἱα als Tracht des Landlebens, Heſych. Arkader in Ziegen- und Schaaffellen zu Felde ziehend. Pauſ. 4, 11, 1.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbn="40"facs="#f0046"/><divn="3"><head>3.</head><lb/><p>Schwieriger iſt es, ſich von der Behandlung<lb/>
und Lebensweiſe der Heloten einen deutlichen Begriff<lb/>
zu machen, weil der rhetoriſche Geiſt der ſpaͤtern Ge-<lb/>ſchichtsſchreibung, ſich beſonders in Deklamationen fuͤr<lb/>
die Humanitaͤt gefallend, und die Unkenntniß eigen-<lb/>
thuͤmlicher Verhaͤltniſſe Vieles verwirrt und entſtellt<lb/>
hat. Myron von Priene mahlte in ſeinem Roman uͤber<lb/>
den Meſſeniſchen Krieg Sparta ſehr ſchwarz, und ſuchte<lb/>
durch Schilderung des Schickſals, welches die Ueber-<lb/>
wundenen traf, am Ende zu ruͤhren. “Den Heloten<lb/>
befehlen die Spartiaten, ſagt er <noteplace="foot"n="1">bei Athen. 14, 657 <hirendition="#aq">d.</hi> Die κυνῆ wird wohl auch als zur<lb/>
Helotentracht gehoͤrig bezeichnet in der Geſchichte des Antiochos von<lb/>
Phalanths Signal zur Verſchwoͤrung (Str. 6, 278.), obgleich An-<lb/>
dere (Aeneas Poliore. 11.) einen πῖλος an die Stelle ſetzen.</note>, jedes ſchimpfliche<lb/>
Geſchaͤft. Sie zwingen ſie eine Hundsfellmuͤtze (κυνῆ)<lb/>
zu tragen, einen Schaafpelz (διφϑέρα) umzuhaͤngen,<lb/>
und Jahr fuͤr Jahr ſchuldios Schlaͤge zu empfangen,<lb/>
damit ſie nie verlernen Sklaven zu ſein. Dazu haben<lb/>ſie denen, welche durch Groͤße und Schoͤnheit ſich uͤber<lb/>
die Gebuͤhr eines Knechtes erheben, Todesſtrafe be-<lb/>ſtimmt, und ſtrafen den Beſitzer, welcher nicht die<lb/>
mannhafteſten unter ihnen ſchlaͤgt.” Die gaͤnzliche Ver-<lb/>
faͤlſchung alles ruhigen Urtheils liegt gleich in der erſten<lb/>
Angabe offen da. Denn jene Ledermuͤtze mit breitem<lb/>
Rande und den Schaafpelz trugen die Heloten aus kei-<lb/>
nem andern Grunde, als weil es die alteinheimiſche<lb/>
Landtracht war, welche auch die Arkader aus alter<lb/>
Sitte beibehalten hatten <noteplace="foot"n="2">Κυνᾔ̓Αϱκάς, Sophokl. Inachos bei Schol. Ariſt. Voͤg. 1203.<lb/>
Valcken. zu Theokr. Adoniaz. S. 345, einerlei mit πῖλοςΑϱκ.<lb/>
Polyaͤn 4, 14. <hirendition="#aq">galerus Arcad.</hi> Stat. Theb. 4, 299. 7, 39. Κυνῆ<lb/>Βοιωτἱα als Tracht des Landlebens, Heſych. Arkader in Ziegen- und<lb/>
Schaaffellen zu Felde ziehend. Pauſ. 4, 11, 1.</note>; wie auch Laertes, Odyſ-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[40/0046]
3.
Schwieriger iſt es, ſich von der Behandlung
und Lebensweiſe der Heloten einen deutlichen Begriff
zu machen, weil der rhetoriſche Geiſt der ſpaͤtern Ge-
ſchichtsſchreibung, ſich beſonders in Deklamationen fuͤr
die Humanitaͤt gefallend, und die Unkenntniß eigen-
thuͤmlicher Verhaͤltniſſe Vieles verwirrt und entſtellt
hat. Myron von Priene mahlte in ſeinem Roman uͤber
den Meſſeniſchen Krieg Sparta ſehr ſchwarz, und ſuchte
durch Schilderung des Schickſals, welches die Ueber-
wundenen traf, am Ende zu ruͤhren. “Den Heloten
befehlen die Spartiaten, ſagt er 1, jedes ſchimpfliche
Geſchaͤft. Sie zwingen ſie eine Hundsfellmuͤtze (κυνῆ)
zu tragen, einen Schaafpelz (διφϑέρα) umzuhaͤngen,
und Jahr fuͤr Jahr ſchuldios Schlaͤge zu empfangen,
damit ſie nie verlernen Sklaven zu ſein. Dazu haben
ſie denen, welche durch Groͤße und Schoͤnheit ſich uͤber
die Gebuͤhr eines Knechtes erheben, Todesſtrafe be-
ſtimmt, und ſtrafen den Beſitzer, welcher nicht die
mannhafteſten unter ihnen ſchlaͤgt.” Die gaͤnzliche Ver-
faͤlſchung alles ruhigen Urtheils liegt gleich in der erſten
Angabe offen da. Denn jene Ledermuͤtze mit breitem
Rande und den Schaafpelz trugen die Heloten aus kei-
nem andern Grunde, als weil es die alteinheimiſche
Landtracht war, welche auch die Arkader aus alter
Sitte beibehalten hatten 2; wie auch Laertes, Odyſ-
1 bei Athen. 14, 657 d. Die κυνῆ wird wohl auch als zur
Helotentracht gehoͤrig bezeichnet in der Geſchichte des Antiochos von
Phalanths Signal zur Verſchwoͤrung (Str. 6, 278.), obgleich An-
dere (Aeneas Poliore. 11.) einen πῖλος an die Stelle ſetzen.
2 Κυνᾔ ̓ Αϱκάς, Sophokl. Inachos bei Schol. Ariſt. Voͤg. 1203.
Valcken. zu Theokr. Adoniaz. S. 345, einerlei mit πῖλος Αϱκ.
Polyaͤn 4, 14. galerus Arcad. Stat. Theb. 4, 299. 7, 39. Κυνῆ
Βοιωτἱα als Tracht des Landlebens, Heſych. Arkader in Ziegen- und
Schaaffellen zu Felde ziehend. Pauſ. 4, 11, 1.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/46>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.