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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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nisse eines und desselben geistigen Nationalindividuums
sind. Aber auch das läßt sich daraus abnehmen, daß
diese nationale Individualität tiefer liegt, als daß sie
durch äußre Bedingungen hervorgebracht sein könnte.
Wie möchte das Leben in den Gebirgen für sich genü-
gen, um einen so bestimmten Volkscharakter zu erzeu-
gen: obgleich allerdings nicht zu zweifeln ist, daß
dieser bestimmte Charakter binnenländische und gebirgige
Wohnsitze brauchte, um sich consequent auszubilden
und feste Gestalt zu gewinnen. Vielmehr wie die
Hellenen Hellenen waren durch äußre Umstände so
wenig als durch freie Selbstbestimmung, sondern durch
eine höhere Ordnung der Dinge: eben so sind die Do-
rier auch wieder Dorier nach derselben Ordnung. Das
Land ist wie der Leib der Nation, und wirkt allerdings
auf diese, um eine nothwendige Uebereinstimmung
beider hervorzubringen: aber die Nationen waren in
keiner erdenklichen Zeit unbestimmte Massen, die die
äußre Welt und Natur zu bestimmen und zu formen
gehabt hätte.

Nachweisbarer haben indeß die äußern Umstände,
namentlich das Lokal, die politischen Verhältnisse, die
Weltstellung und der Verkehr, dazu gewirkt den Do-
rischen Charakter in den einzelnen Städten zu
modificiren, und nach bestimmten Seiten zu wenden,
umzubilden, zu wecken oder einseitig zu versteinern:
wornach man von jenem idealen Grundcharakter des
Stamms den besondern einer jeden Stadt zu scheiden,
und dessen Eigenheiten vorzüglich im politischen und
praktischen Leben darzulegen versuchen kann. Mit
einigen Blicken darauf wollen wir unsre Darstellung
beschließen.



niſſe eines und deſſelben geiſtigen Nationalindividuums
ſind. Aber auch das laͤßt ſich daraus abnehmen, daß
dieſe nationale Individualitaͤt tiefer liegt, als daß ſie
durch aͤußre Bedingungen hervorgebracht ſein koͤnnte.
Wie moͤchte das Leben in den Gebirgen fuͤr ſich genuͤ-
gen, um einen ſo beſtimmten Volkscharakter zu erzeu-
gen: obgleich allerdings nicht zu zweifeln iſt, daß
dieſer beſtimmte Charakter binnenlaͤndiſche und gebirgige
Wohnſitze brauchte, um ſich conſequent auszubilden
und feſte Geſtalt zu gewinnen. Vielmehr wie die
Hellenen Hellenen waren durch aͤußre Umſtaͤnde ſo
wenig als durch freie Selbſtbeſtimmung, ſondern durch
eine hoͤhere Ordnung der Dinge: eben ſo ſind die Do-
rier auch wieder Dorier nach derſelben Ordnung. Das
Land iſt wie der Leib der Nation, und wirkt allerdings
auf dieſe, um eine nothwendige Uebereinſtimmung
beider hervorzubringen: aber die Nationen waren in
keiner erdenklichen Zeit unbeſtimmte Maſſen, die die
aͤußre Welt und Natur zu beſtimmen und zu formen
gehabt haͤtte.

Nachweisbarer haben indeß die aͤußern Umſtaͤnde,
namentlich das Lokal, die politiſchen Verhaͤltniſſe, die
Weltſtellung und der Verkehr, dazu gewirkt den Do-
riſchen Charakter in den einzelnen Staͤdten zu
modificiren, und nach beſtimmten Seiten zu wenden,
umzubilden, zu wecken oder einſeitig zu verſteinern:
wornach man von jenem idealen Grundcharakter des
Stamms den beſondern einer jeden Stadt zu ſcheiden,
und deſſen Eigenheiten vorzuͤglich im politiſchen und
praktiſchen Leben darzulegen verſuchen kann. Mit
einigen Blicken darauf wollen wir unſre Darſtellung
beſchließen.



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[407/0413] niſſe eines und deſſelben geiſtigen Nationalindividuums ſind. Aber auch das laͤßt ſich daraus abnehmen, daß dieſe nationale Individualitaͤt tiefer liegt, als daß ſie durch aͤußre Bedingungen hervorgebracht ſein koͤnnte. Wie moͤchte das Leben in den Gebirgen fuͤr ſich genuͤ- gen, um einen ſo beſtimmten Volkscharakter zu erzeu- gen: obgleich allerdings nicht zu zweifeln iſt, daß dieſer beſtimmte Charakter binnenlaͤndiſche und gebirgige Wohnſitze brauchte, um ſich conſequent auszubilden und feſte Geſtalt zu gewinnen. Vielmehr wie die Hellenen Hellenen waren durch aͤußre Umſtaͤnde ſo wenig als durch freie Selbſtbeſtimmung, ſondern durch eine hoͤhere Ordnung der Dinge: eben ſo ſind die Do- rier auch wieder Dorier nach derſelben Ordnung. Das Land iſt wie der Leib der Nation, und wirkt allerdings auf dieſe, um eine nothwendige Uebereinſtimmung beider hervorzubringen: aber die Nationen waren in keiner erdenklichen Zeit unbeſtimmte Maſſen, die die aͤußre Welt und Natur zu beſtimmen und zu formen gehabt haͤtte. Nachweisbarer haben indeß die aͤußern Umſtaͤnde, namentlich das Lokal, die politiſchen Verhaͤltniſſe, die Weltſtellung und der Verkehr, dazu gewirkt den Do- riſchen Charakter in den einzelnen Staͤdten zu modificiren, und nach beſtimmten Seiten zu wenden, umzubilden, zu wecken oder einſeitig zu verſteinern: wornach man von jenem idealen Grundcharakter des Stamms den beſondern einer jeden Stadt zu ſcheiden, und deſſen Eigenheiten vorzuͤglich im politiſchen und praktiſchen Leben darzulegen verſuchen kann. Mit einigen Blicken darauf wollen wir unſre Darſtellung beſchließen.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/413>, abgerufen am 24.11.2024.