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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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selbst, für den es kein Synonymum giebt. So war
den Alten selbst Dorios ein sehr bestimmter Begriff
im Kern, und doch nach Außen höchst mannigfach und
vielseitig 1.

Wir stellen einen Zug des Dorischen Charakters
voraus, auf den wir öfter hingewiesen haben 2; nicht
als wenn in ihm der Grund und Ursprung alles andern
gegeben wäre, sondern weil er mit besondrer Entschie-
denheit hervortritt: das Streben nach der Ein-
heit im Ganzen
. Nichts Einzelnes soll für sich
sein wollen, sondern Alles im Ganzen sein Ziel und
Maaß finden. Jeder soll genau innerhalb der Schran-
ken bleiben, die ihm die höhere Ordnung des Ganzen
vorgeschrieben 3. So soll im Staate weder der Ein-
zelne nach Unabhängigkeit für sich streben, noch irgend
ein Stand aus seiner Stellung heraustreten. Die
Aristokratie und alle Unterthänigkeitsverhältnisse wur-
den hier strenger festgehalten als anderswo 4; und
auf den Gehorsam in jeder Hinsicht größeres Gewicht
gelegt als auf Aeußerung individueller Freiheit. Das
Staatsleben, die Erziehung, das Heer durchzieht eine
höchst complicirte, aber eben so regelmäßige Ordnung
des Befehls und des Gehorsams 5. Ein Jeglicher muß
auf seinem Flecke gehorchen. Auch jeder kleinere Ver-
ein ist auf solche Weise gegliedert, überall Abstufung,

1 Es ist bemerkenswerth, daß unter den Stammnamen allein
Dorieus mit Emphase gesprochen für sich schon lobt, (wie in meh-
rern Stellen Pindars, Böckh zu Pind. P. 8, 21. Dissen zu den
N. 3, 3. auch öfter bei Plutarch, vgl. das Epigr. bei Athen. 5,
209. und Damagetos in der Palat. Anthol. 7, 231.) und einen von
den übrigen Hellenen respektirten Nationalstolz ausspricht. Thuk. 6,
77. Valcken. ad Adon. p. 385 c.
2 Bd. 2. S. 366. 3.
S. 6. 19.
3 Vgl. S. 184.
4 S. 64.
5 S. 183.
239. 302.
26 *

ſelbſt, fuͤr den es kein Synonymum giebt. So war
den Alten ſelbſt Δώριος ein ſehr beſtimmter Begriff
im Kern, und doch nach Außen hoͤchſt mannigfach und
vielſeitig 1.

Wir ſtellen einen Zug des Doriſchen Charakters
voraus, auf den wir oͤfter hingewieſen haben 2; nicht
als wenn in ihm der Grund und Urſprung alles andern
gegeben waͤre, ſondern weil er mit beſondrer Entſchie-
denheit hervortritt: das Streben nach der Ein-
heit im Ganzen
. Nichts Einzelnes ſoll fuͤr ſich
ſein wollen, ſondern Alles im Ganzen ſein Ziel und
Maaß finden. Jeder ſoll genau innerhalb der Schran-
ken bleiben, die ihm die hoͤhere Ordnung des Ganzen
vorgeſchrieben 3. So ſoll im Staate weder der Ein-
zelne nach Unabhaͤngigkeit fuͤr ſich ſtreben, noch irgend
ein Stand aus ſeiner Stellung heraustreten. Die
Ariſtokratie und alle Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe wur-
den hier ſtrenger feſtgehalten als anderswo 4; und
auf den Gehorſam in jeder Hinſicht groͤßeres Gewicht
gelegt als auf Aeußerung individueller Freiheit. Das
Staatsleben, die Erziehung, das Heer durchzieht eine
hoͤchſt complicirte, aber eben ſo regelmaͤßige Ordnung
des Befehls und des Gehorſams 5. Ein Jeglicher muß
auf ſeinem Flecke gehorchen. Auch jeder kleinere Ver-
ein iſt auf ſolche Weiſe gegliedert, uͤberall Abſtufung,

1 Es iſt bemerkenswerth, daß unter den Stammnamen allein
Δωϱιεὺς mit Emphaſe geſprochen fuͤr ſich ſchon lobt, (wie in meh-
rern Stellen Pindars, Boͤckh zu Pind. P. 8, 21. Diſſen zu den
N. 3, 3. auch oͤfter bei Plutarch, vgl. das Epigr. bei Athen. 5,
209. und Damagetos in der Palat. Anthol. 7, 231.) und einen von
den uͤbrigen Hellenen reſpektirten Nationalſtolz ausſpricht. Thuk. 6,
77. Valcken. ad Adon. p. 385 c.
2 Bd. 2. S. 366. 3.
S. 6. 19.
3 Vgl. S. 184.
4 S. 64.
5 S. 183.
239. 302.
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[403/0409] ſelbſt, fuͤr den es kein Synonymum giebt. So war den Alten ſelbſt Δώριος ein ſehr beſtimmter Begriff im Kern, und doch nach Außen hoͤchſt mannigfach und vielſeitig 1. Wir ſtellen einen Zug des Doriſchen Charakters voraus, auf den wir oͤfter hingewieſen haben 2; nicht als wenn in ihm der Grund und Urſprung alles andern gegeben waͤre, ſondern weil er mit beſondrer Entſchie- denheit hervortritt: das Streben nach der Ein- heit im Ganzen. Nichts Einzelnes ſoll fuͤr ſich ſein wollen, ſondern Alles im Ganzen ſein Ziel und Maaß finden. Jeder ſoll genau innerhalb der Schran- ken bleiben, die ihm die hoͤhere Ordnung des Ganzen vorgeſchrieben 3. So ſoll im Staate weder der Ein- zelne nach Unabhaͤngigkeit fuͤr ſich ſtreben, noch irgend ein Stand aus ſeiner Stellung heraustreten. Die Ariſtokratie und alle Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe wur- den hier ſtrenger feſtgehalten als anderswo 4; und auf den Gehorſam in jeder Hinſicht groͤßeres Gewicht gelegt als auf Aeußerung individueller Freiheit. Das Staatsleben, die Erziehung, das Heer durchzieht eine hoͤchſt complicirte, aber eben ſo regelmaͤßige Ordnung des Befehls und des Gehorſams 5. Ein Jeglicher muß auf ſeinem Flecke gehorchen. Auch jeder kleinere Ver- ein iſt auf ſolche Weiſe gegliedert, uͤberall Abſtufung, 1 Es iſt bemerkenswerth, daß unter den Stammnamen allein Δωϱιεὺς mit Emphaſe geſprochen fuͤr ſich ſchon lobt, (wie in meh- rern Stellen Pindars, Boͤckh zu Pind. P. 8, 21. Diſſen zu den N. 3, 3. auch oͤfter bei Plutarch, vgl. das Epigr. bei Athen. 5, 209. und Damagetos in der Palat. Anthol. 7, 231.) und einen von den uͤbrigen Hellenen reſpektirten Nationalſtolz ausſpricht. Thuk. 6, 77. Valcken. ad Adon. p. 385 c. 2 Bd. 2. S. 366. 3. S. 6. 19. 3 Vgl. S. 184. 4 S. 64. 5 S. 183. 239. 302. 26 *

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/409>, abgerufen am 24.11.2024.