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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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gehn müssen, es konnte nur dann Bestand haben, wenn
es mit dem innerlichen Wesen derer, die die Philo-
sophie aufnehmen sollten, verwandt war. Daß die Re-
ligion, an welche sich diese Philosophie anschließt, Dori-
schen Ursprungs war, ist hinlänglich nachgewiesen, die
Apollinische nämlich 1: deren Hauptinstitut, der Del-
phische Tempel, von den Alten in eine gewiß nicht
erfundne Verbindung mit Pythagoras gesetzt wird;
so daß er nach Aristoxenos 2 selbst die Grundlehren seiner
Wissenschaft von der Pythia Themistokleia empfangen
haben soll; und eben so ist auch schon bemerkt, daß
die politische Einrichtung des Bundes auf den Grund-
sätzen des Dorischen Staatslebens beruhte. Was aber
das übrige Leben betrifft: so genügt es, zum Erweise
daß auch dies Dorisch, an die allseitige Ausbildung
der Pythagoreischen Frauen zu erinnern, einer Theano,
Phintys, Arignote 3, an den Ernst und die Ruhe des
Lebens, an den Gebrauch der Musik zur Beschwichti-
gung und Besänftigung von Leidenschaften, an die
Syssitien und deren Heiterkeit, das Schweigen als
Hauptmittel der Erziehung u. s. w. Wie aber nun
auch die Spekulation der Pythagoreer das geistige
Leben des Dorischen Volkstamms zu Tage gebiert, ist
zwar einerseits eine der interessantesten Fragen im Ge-
biete dieser Untersuchungen, aber andrerseits eine zu
gewichtige, und tiefere Studien voraussetzende, um
sie hier in der Eile lösen zu wollen. Soviel lehrt
aber auch eine flüchtige Betrachtung dieser Philosophie,
daß ihr erstens eine Grundansicht vorliegt, die das

1 Bd. 2. S. 365.
2 Bei Diog. L. 8, 21. vgl. Porph.
Pyth. 41. der sie Aristokleia nennt.
3 Auch deren Schweigsamkeit
ist bemerkenswerth, Timäos bei Diog. L. 8, 17. Gale Opusc.
myth. T. 1. p. 739.

gehn muͤſſen, es konnte nur dann Beſtand haben, wenn
es mit dem innerlichen Weſen derer, die die Philo-
ſophie aufnehmen ſollten, verwandt war. Daß die Re-
ligion, an welche ſich dieſe Philoſophie anſchließt, Dori-
ſchen Urſprungs war, iſt hinlaͤnglich nachgewieſen, die
Apolliniſche naͤmlich 1: deren Hauptinſtitut, der Del-
phiſche Tempel, von den Alten in eine gewiß nicht
erfundne Verbindung mit Pythagoras geſetzt wird;
ſo daß er nach Ariſtoxenos 2 ſelbſt die Grundlehren ſeiner
Wiſſenſchaft von der Pythia Themiſtokleia empfangen
haben ſoll; und eben ſo iſt auch ſchon bemerkt, daß
die politiſche Einrichtung des Bundes auf den Grund-
ſaͤtzen des Doriſchen Staatslebens beruhte. Was aber
das uͤbrige Leben betrifft: ſo genuͤgt es, zum Erweiſe
daß auch dies Doriſch, an die allſeitige Ausbildung
der Pythagoreiſchen Frauen zu erinnern, einer Theano,
Phintys, Arignote 3, an den Ernſt und die Ruhe des
Lebens, an den Gebrauch der Muſik zur Beſchwichti-
gung und Beſaͤnftigung von Leidenſchaften, an die
Syſſitien und deren Heiterkeit, das Schweigen als
Hauptmittel der Erziehung u. ſ. w. Wie aber nun
auch die Spekulation der Pythagoreer das geiſtige
Leben des Doriſchen Volkſtamms zu Tage gebiert, iſt
zwar einerſeits eine der intereſſanteſten Fragen im Ge-
biete dieſer Unterſuchungen, aber andrerſeits eine zu
gewichtige, und tiefere Studien vorausſetzende, um
ſie hier in der Eile loͤſen zu wollen. Soviel lehrt
aber auch eine fluͤchtige Betrachtung dieſer Philoſophie,
daß ihr erſtens eine Grundanſicht vorliegt, die das

1 Bd. 2. S. 365.
2 Bei Diog. L. 8, 21. vgl. Porph.
Pyth. 41. der ſie Ariſtokleia nennt.
3 Auch deren Schweigſamkeit
iſt bemerkenswerth, Timaͤos bei Diog. L. 8, 17. Gale Opusc.
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[394/0400] gehn muͤſſen, es konnte nur dann Beſtand haben, wenn es mit dem innerlichen Weſen derer, die die Philo- ſophie aufnehmen ſollten, verwandt war. Daß die Re- ligion, an welche ſich dieſe Philoſophie anſchließt, Dori- ſchen Urſprungs war, iſt hinlaͤnglich nachgewieſen, die Apolliniſche naͤmlich 1: deren Hauptinſtitut, der Del- phiſche Tempel, von den Alten in eine gewiß nicht erfundne Verbindung mit Pythagoras geſetzt wird; ſo daß er nach Ariſtoxenos 2 ſelbſt die Grundlehren ſeiner Wiſſenſchaft von der Pythia Themiſtokleia empfangen haben ſoll; und eben ſo iſt auch ſchon bemerkt, daß die politiſche Einrichtung des Bundes auf den Grund- ſaͤtzen des Doriſchen Staatslebens beruhte. Was aber das uͤbrige Leben betrifft: ſo genuͤgt es, zum Erweiſe daß auch dies Doriſch, an die allſeitige Ausbildung der Pythagoreiſchen Frauen zu erinnern, einer Theano, Phintys, Arignote 3, an den Ernſt und die Ruhe des Lebens, an den Gebrauch der Muſik zur Beſchwichti- gung und Beſaͤnftigung von Leidenſchaften, an die Syſſitien und deren Heiterkeit, das Schweigen als Hauptmittel der Erziehung u. ſ. w. Wie aber nun auch die Spekulation der Pythagoreer das geiſtige Leben des Doriſchen Volkſtamms zu Tage gebiert, iſt zwar einerſeits eine der intereſſanteſten Fragen im Ge- biete dieſer Unterſuchungen, aber andrerſeits eine zu gewichtige, und tiefere Studien vorausſetzende, um ſie hier in der Eile loͤſen zu wollen. Soviel lehrt aber auch eine fluͤchtige Betrachtung dieſer Philoſophie, daß ihr erſtens eine Grundanſicht vorliegt, die das 1 Bd. 2. S. 365. 2 Bei Diog. L. 8, 21. vgl. Porph. Pyth. 41. der ſie Ariſtokleia nennt. 3 Auch deren Schweigſamkeit iſt bemerkenswerth, Timaͤos bei Diog. L. 8, 17. Gale Opusc. myth. T. 1. p. 739.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/400>, abgerufen am 24.11.2024.