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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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drei, oder wenn wir Myson mitrechnen, ohne Perian-
dros zu streichen, vier von ihnen Dorischer Abkunft,
Cheilon ein Spartiat, (und von diesem hieß die Weise
des Ausdrucks vorzugsweise die Cheilonische 1); es
mag aber zur Zeit derselben mehrere Männer ähnlicher
Sinnesart gegeben haben, wie Aristodemos den Ar-
geier2. Das Eigenthümliche in allen diesen Sprüchen ist
nicht eine besondre Weisheit, sondern eine tüchtige Ge-
sinnung, die sich ihrer eignen Grundsätze bewußt wird,
und dies wieder nicht durch Reflexion, sondern durch
ein plötzliches Einleuchten. Nimmt man diesen Ge-
sichtspunkt, so begreift man auch die Bewundrung, ich
möchte sagen, den freudigen Schreck, den Sätze, wie
"Erkunde dich selbst, Folge dem Gott" bei den Zeit-
genossen hervorbrachten, indem sie ein Allen innerlich
Bewußtes mit Energie und Klarheit zu Aller Genüge
aussprachen. Darum war auch der Pythische Apollon,
von Dorischer Nationalansicht geleitet, diesen Weisen
ganz besonders hold, mit deren apophthegmatischer
Weisheit seine eigne eine gewisse Verwandschaft zei-
get 3: daß die Amphiktyonen jene Sentenzen an den
Tempel zu Delphoi schreiben ließen, scheint faktisch 4,
und auch die Ernennung der Sieben durch das Orakel,
wenn auch fabelhaft ausgeschmückt, doch auf ein wirk-
liches Ereigniß gegründet 5.


1 Diog. L. 1, 72.
2 oder Spartiaten, s. die Stellen
oben S. 11, 1. vgl. Diog. Laert. 1, 41. Noch Andre nennt Her-
mipp ebd. 42.
3 So soll z. B. Apoll dem Gyges Aehnli-
ches geantwortet haben, wie Solon dem Krösos, Valer. Max. 7,
1, 2.
4 Plut. a. O.
5 Die Hauptstelle darüber De-
metr. Phaler. bei Diog. L. 1, 22. der sie Ol. 48, 3. setzt, in das-
selbe Jahr, in das die Parische Marmorchronik und zwar wohl
nach demselben (wenn auch unrichtig, Böckh Expl. Pind. O. 12.
p. 207.
) den ersten Pythischen agon stephanites setzt. -- Auch der

drei, oder wenn wir Myſon mitrechnen, ohne Perian-
dros zu ſtreichen, vier von ihnen Doriſcher Abkunft,
Cheilon ein Spartiat, (und von dieſem hieß die Weiſe
des Ausdrucks vorzugsweiſe die Cheiloniſche 1); es
mag aber zur Zeit derſelben mehrere Maͤnner aͤhnlicher
Sinnesart gegeben haben, wie Ariſtodemos den Ar-
geier2. Das Eigenthuͤmliche in allen dieſen Spruͤchen iſt
nicht eine beſondre Weisheit, ſondern eine tuͤchtige Ge-
ſinnung, die ſich ihrer eignen Grundſaͤtze bewußt wird,
und dies wieder nicht durch Reflexion, ſondern durch
ein ploͤtzliches Einleuchten. Nimmt man dieſen Ge-
ſichtspunkt, ſo begreift man auch die Bewundrung, ich
moͤchte ſagen, den freudigen Schreck, den Saͤtze, wie
„Erkunde dich ſelbſt, Folge dem Gott“ bei den Zeit-
genoſſen hervorbrachten, indem ſie ein Allen innerlich
Bewußtes mit Energie und Klarheit zu Aller Genuͤge
ausſprachen. Darum war auch der Pythiſche Apollon,
von Doriſcher Nationalanſicht geleitet, dieſen Weiſen
ganz beſonders hold, mit deren apophthegmatiſcher
Weisheit ſeine eigne eine gewiſſe Verwandſchaft zei-
get 3: daß die Amphiktyonen jene Sentenzen an den
Tempel zu Delphoi ſchreiben ließen, ſcheint faktiſch 4,
und auch die Ernennung der Sieben durch das Orakel,
wenn auch fabelhaft ausgeſchmuͤckt, doch auf ein wirk-
liches Ereigniß gegruͤndet 5.


1 Diog. L. 1, 72.
2 oder Spartiaten, ſ. die Stellen
oben S. 11, 1. vgl. Diog. Laert. 1, 41. Noch Andre nennt Her-
mipp ebd. 42.
3 So ſoll z. B. Apoll dem Gyges Aehnli-
ches geantwortet haben, wie Solon dem Kroͤſos, Valer. Max. 7,
1, 2.
4 Plut. a. O.
5 Die Hauptſtelle daruͤber De-
metr. Phaler. bei Diog. L. 1, 22. der ſie Ol. 48, 3. ſetzt, in das-
ſelbe Jahr, in das die Pariſche Marmorchronik und zwar wohl
nach demſelben (wenn auch unrichtig, Boͤckh Expl. Pind. O. 12.
p. 207.
) den erſten Pythiſchen ἀγὼν στεφανίτης ſetzt. — Auch der
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[391/0397] drei, oder wenn wir Myſon mitrechnen, ohne Perian- dros zu ſtreichen, vier von ihnen Doriſcher Abkunft, Cheilon ein Spartiat, (und von dieſem hieß die Weiſe des Ausdrucks vorzugsweiſe die Cheiloniſche 1); es mag aber zur Zeit derſelben mehrere Maͤnner aͤhnlicher Sinnesart gegeben haben, wie Ariſtodemos den Ar- geier 2. Das Eigenthuͤmliche in allen dieſen Spruͤchen iſt nicht eine beſondre Weisheit, ſondern eine tuͤchtige Ge- ſinnung, die ſich ihrer eignen Grundſaͤtze bewußt wird, und dies wieder nicht durch Reflexion, ſondern durch ein ploͤtzliches Einleuchten. Nimmt man dieſen Ge- ſichtspunkt, ſo begreift man auch die Bewundrung, ich moͤchte ſagen, den freudigen Schreck, den Saͤtze, wie „Erkunde dich ſelbſt, Folge dem Gott“ bei den Zeit- genoſſen hervorbrachten, indem ſie ein Allen innerlich Bewußtes mit Energie und Klarheit zu Aller Genuͤge ausſprachen. Darum war auch der Pythiſche Apollon, von Doriſcher Nationalanſicht geleitet, dieſen Weiſen ganz beſonders hold, mit deren apophthegmatiſcher Weisheit ſeine eigne eine gewiſſe Verwandſchaft zei- get 3: daß die Amphiktyonen jene Sentenzen an den Tempel zu Delphoi ſchreiben ließen, ſcheint faktiſch 4, und auch die Ernennung der Sieben durch das Orakel, wenn auch fabelhaft ausgeſchmuͤckt, doch auf ein wirk- liches Ereigniß gegruͤndet 5. 1 Diog. L. 1, 72. 2 oder Spartiaten, ſ. die Stellen oben S. 11, 1. vgl. Diog. Laert. 1, 41. Noch Andre nennt Her- mipp ebd. 42. 3 So ſoll z. B. Apoll dem Gyges Aehnli- ches geantwortet haben, wie Solon dem Kroͤſos, Valer. Max. 7, 1, 2. 4 Plut. a. O. 5 Die Hauptſtelle daruͤber De- metr. Phaler. bei Diog. L. 1, 22. der ſie Ol. 48, 3. ſetzt, in das- ſelbe Jahr, in das die Pariſche Marmorchronik und zwar wohl nach demſelben (wenn auch unrichtig, Boͤckh Expl. Pind. O. 12. p. 207.) den erſten Pythiſchen ἀγὼν στεφανίτης ſetzt. — Auch der

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/397>, abgerufen am 24.11.2024.