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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Sitten des Dorischen Stammes gehörte. In Kreta
hatte sich dieselbe, nach dem einheimischen Schriftstel-
ler Sosikrates 1, zu Phästos erhalten; man übte hier
schon die Knaben sehr früh in Scherzreden, und die
Apophthegmen von Phästos waren auf der ganzen In-
sel berühmt. Grade so wurde auch in Sparta jene
eigenthümliche Weise des Ausdrucks schon den Knaben
eingepflanzt; der Eiren legte ihnen Fragen vor zu
schneller und treffender Beantwortung 2; man gewöhnte
sie ihren Reden eine gewisse Bitterkeit und zugleich
einen eignen Reiz zu geben 3. Hernach nährten und
beschäftigten diese Neigung die vielerlei Gelegenheiten,
wo das öffentliche Leben Spott und Verhöhnung als
Mittel der Besserung brauchte 4; besonders wurde am
Feste der Gymnopädien bei der allgemeinen Heiterkeit
auch dem Witze der freiste Lauf gelassen 5. Im tägli-
chen Leben schien Spott und Scherz besonders bei den
öffentlichen Mahlen an seiner Stelle 6; ihn ertragen
zu können, galt auch als Zeichen eines Lakonischen Ge-
müths; doch durfte, wer ihn übel empfand, den
Spötter abzulassen bitten, und der Andre mußte ihm
dann Folge leisten 7. Aehnliche Sitten blühten in
frühern Zeiten auch außer Sparta; unter den Freiern
der Agariste im Hause des Tyrannen von Sikyon

de zum Hydarnes "nicht mit Lanzen, mit Beilen würdest du uns
dann rathen um die Freiheit zu kämpfen", und wie Amompharetos
den Steinblock als Stimmstein vor Pausanias Füße wirst.
1 Bei Ath. 6, 261 c.
2 Plut. und Herakl. Pont. 2.
3 Plut. Lyk. 17. 19.
4 Oben S. 224.
5 Dies schließe
ich aus der S. 343. anges. St. des Pollux, verglichen mit Leoty-
chidas khleuasma an den Gymnopädien bei Herod. 6, 67.
6 Xen. Staat 3, 5. Oben S. 278, 2.
7 Plut. Lyk. 12. vgl.
Maer. Sat. 7, 5.

Sitten des Doriſchen Stammes gehoͤrte. In Kreta
hatte ſich dieſelbe, nach dem einheimiſchen Schriftſtel-
ler Soſikrates 1, zu Phaͤſtos erhalten; man uͤbte hier
ſchon die Knaben ſehr fruͤh in Scherzreden, und die
Apophthegmen von Phaͤſtos waren auf der ganzen In-
ſel beruͤhmt. Grade ſo wurde auch in Sparta jene
eigenthuͤmliche Weiſe des Ausdrucks ſchon den Knaben
eingepflanzt; der Eiren legte ihnen Fragen vor zu
ſchneller und treffender Beantwortung 2; man gewoͤhnte
ſie ihren Reden eine gewiſſe Bitterkeit und zugleich
einen eignen Reiz zu geben 3. Hernach naͤhrten und
beſchaͤftigten dieſe Neigung die vielerlei Gelegenheiten,
wo das oͤffentliche Leben Spott und Verhoͤhnung als
Mittel der Beſſerung brauchte 4; beſonders wurde am
Feſte der Gymnopaͤdien bei der allgemeinen Heiterkeit
auch dem Witze der freiſte Lauf gelaſſen 5. Im taͤgli-
chen Leben ſchien Spott und Scherz beſonders bei den
oͤffentlichen Mahlen an ſeiner Stelle 6; ihn ertragen
zu koͤnnen, galt auch als Zeichen eines Lakoniſchen Ge-
muͤths; doch durfte, wer ihn uͤbel empfand, den
Spoͤtter abzulaſſen bitten, und der Andre mußte ihm
dann Folge leiſten 7. Aehnliche Sitten bluͤhten in
fruͤhern Zeiten auch außer Sparta; unter den Freiern
der Agariſte im Hauſe des Tyrannen von Sikyon

de zum Hydarnes „nicht mit Lanzen, mit Beilen wuͤrdeſt du uns
dann rathen um die Freiheit zu kaͤmpfen“, und wie Amompharetos
den Steinblock als Stimmſtein vor Pauſanias Fuͤße wirſt.
1 Bei Ath. 6, 261 c.
2 Plut. und Herakl. Pont. 2.
3 Plut. Lyk. 17. 19.
4 Oben S. 224.
5 Dies ſchließe
ich aus der S. 343. angeſ. St. des Pollux, verglichen mit Leoty-
chidas χλεύασμα an den Gymnopaͤdien bei Herod. 6, 67.
6 Xen. Staat 3, 5. Oben S. 278, 2.
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[389/0395] Sitten des Doriſchen Stammes gehoͤrte. In Kreta hatte ſich dieſelbe, nach dem einheimiſchen Schriftſtel- ler Soſikrates 1, zu Phaͤſtos erhalten; man uͤbte hier ſchon die Knaben ſehr fruͤh in Scherzreden, und die Apophthegmen von Phaͤſtos waren auf der ganzen In- ſel beruͤhmt. Grade ſo wurde auch in Sparta jene eigenthuͤmliche Weiſe des Ausdrucks ſchon den Knaben eingepflanzt; der Eiren legte ihnen Fragen vor zu ſchneller und treffender Beantwortung 2; man gewoͤhnte ſie ihren Reden eine gewiſſe Bitterkeit und zugleich einen eignen Reiz zu geben 3. Hernach naͤhrten und beſchaͤftigten dieſe Neigung die vielerlei Gelegenheiten, wo das oͤffentliche Leben Spott und Verhoͤhnung als Mittel der Beſſerung brauchte 4; beſonders wurde am Feſte der Gymnopaͤdien bei der allgemeinen Heiterkeit auch dem Witze der freiſte Lauf gelaſſen 5. Im taͤgli- chen Leben ſchien Spott und Scherz beſonders bei den oͤffentlichen Mahlen an ſeiner Stelle 6; ihn ertragen zu koͤnnen, galt auch als Zeichen eines Lakoniſchen Ge- muͤths; doch durfte, wer ihn uͤbel empfand, den Spoͤtter abzulaſſen bitten, und der Andre mußte ihm dann Folge leiſten 7. Aehnliche Sitten bluͤhten in fruͤhern Zeiten auch außer Sparta; unter den Freiern der Agariſte im Hauſe des Tyrannen von Sikyon 4 1 Bei Ath. 6, 261 c. 2 Plut. und Herakl. Pont. 2. 3 Plut. Lyk. 17. 19. 4 Oben S. 224. 5 Dies ſchließe ich aus der S. 343. angeſ. St. des Pollux, verglichen mit Leoty- chidas χλεύασμα an den Gymnopaͤdien bei Herod. 6, 67. 6 Xen. Staat 3, 5. Oben S. 278, 2. 7 Plut. Lyk. 12. vgl. Maer. Sat. 7, 5. 4 de zum Hydarnes „nicht mit Lanzen, mit Beilen wuͤrdeſt du uns dann rathen um die Freiheit zu kaͤmpfen“, und wie Amompharetos den Steinblock als Stimmſtein vor Pauſanias Fuͤße wirſt.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/395>, abgerufen am 24.11.2024.