durchdrang, wenn auch keine laute Begeisterung, eine um desto tiefer gewurzelte Achtung vor dem Schönen, die sich schon in dem ältesten Erzeugniß des Volks, der Religion, ausspricht.
Wir erlauben uns hier einige Bemerkungen über bildende Kunst anzuknüpfen; in denen wir indeß um so kürzer sein dürfen, da dieser Zweig menschlicher Thätigkeit vom nationalen Leben, namentlich in kleine- ren Abtheilungen, minder streng abhängt, als die mu- sische Kunst, die Theil der Volkserziehung, während jene der Pflege Weniger übergeben ist. Obgleich es, wie schon hieraus erhellt, schwer anzugeben sein wird, was in der alten Bildhauerei dem Dorischen Volk- stamme eigenthümlich und von ihm ausgegangen sei: werden wir doch Einiges in Bezug darauf schon aus dem Gegebnen abnehmen können. In dem Dorischen Leben herrschte eine gewisse gesunde Sinnlichkeit, ein Gefallen an unverhüllter kräftiger Natur. Daß die- ses der bildenden Kunst entgegengekommen sei und sie ungemein begünstigt habe, läßt sich voraussetzen, und mit welchem Auge der menschliche Leib in den Kunst- schulen dieses Stamms studirt und verstanden worden ist, davon geben erhaltne Werke derselben den Beweis. Die durch Gymnastik und Waffenübung gezeitigte und veredelte physische Schönheit des Stammes 1 führte das Studium auf die richtigen Wege; und die vor- herrschende Religion, der Cultus des Apollon, zeigt durch das Energische der Gestalt und das Plastische der Attribute des Gottes eben so das ursprüngliche Talent des Stammes für bildende Kunst, als er die- selbe in einer Stufenleiter von Darstellungen zum Höchsten zu führen geeignet war. Auf der andern
1 Oben S. 282. 313.
durchdrang, wenn auch keine laute Begeiſterung, eine um deſto tiefer gewurzelte Achtung vor dem Schoͤnen, die ſich ſchon in dem aͤlteſten Erzeugniß des Volks, der Religion, ausſpricht.
Wir erlauben uns hier einige Bemerkungen uͤber bildende Kunſt anzuknuͤpfen; in denen wir indeß um ſo kuͤrzer ſein duͤrfen, da dieſer Zweig menſchlicher Thaͤtigkeit vom nationalen Leben, namentlich in kleine- ren Abtheilungen, minder ſtreng abhaͤngt, als die mu- ſiſche Kunſt, die Theil der Volkserziehung, waͤhrend jene der Pflege Weniger uͤbergeben iſt. Obgleich es, wie ſchon hieraus erhellt, ſchwer anzugeben ſein wird, was in der alten Bildhauerei dem Doriſchen Volk- ſtamme eigenthuͤmlich und von ihm ausgegangen ſei: werden wir doch Einiges in Bezug darauf ſchon aus dem Gegebnen abnehmen koͤnnen. In dem Doriſchen Leben herrſchte eine gewiſſe geſunde Sinnlichkeit, ein Gefallen an unverhuͤllter kraͤftiger Natur. Daß die- ſes der bildenden Kunſt entgegengekommen ſei und ſie ungemein beguͤnſtigt habe, laͤßt ſich vorausſetzen, und mit welchem Auge der menſchliche Leib in den Kunſt- ſchulen dieſes Stamms ſtudirt und verſtanden worden iſt, davon geben erhaltne Werke derſelben den Beweis. Die durch Gymnaſtik und Waffenuͤbung gezeitigte und veredelte phyſiſche Schoͤnheit des Stammes 1 fuͤhrte das Studium auf die richtigen Wege; und die vor- herrſchende Religion, der Cultus des Apollon, zeigt durch das Energiſche der Geſtalt und das Plaſtiſche der Attribute des Gottes eben ſo das urſpruͤngliche Talent des Stammes fuͤr bildende Kunſt, als er die- ſelbe in einer Stufenleiter von Darſtellungen zum Hoͤchſten zu fuͤhren geeignet war. Auf der andern
1 Oben S. 282. 313.
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durchdrang, wenn auch keine laute Begeiſterung, eine
um deſto tiefer gewurzelte Achtung vor dem Schoͤnen,
die ſich ſchon in dem aͤlteſten Erzeugniß des Volks,
der Religion, ausſpricht.
Wir erlauben uns hier einige Bemerkungen uͤber
bildende Kunſt anzuknuͤpfen; in denen wir indeß
um ſo kuͤrzer ſein duͤrfen, da dieſer Zweig menſchlicher
Thaͤtigkeit vom nationalen Leben, namentlich in kleine-
ren Abtheilungen, minder ſtreng abhaͤngt, als die mu-
ſiſche Kunſt, die Theil der Volkserziehung, waͤhrend
jene der Pflege Weniger uͤbergeben iſt. Obgleich es,
wie ſchon hieraus erhellt, ſchwer anzugeben ſein wird,
was in der alten Bildhauerei dem Doriſchen Volk-
ſtamme eigenthuͤmlich und von ihm ausgegangen ſei:
werden wir doch Einiges in Bezug darauf ſchon aus
dem Gegebnen abnehmen koͤnnen. In dem Doriſchen
Leben herrſchte eine gewiſſe geſunde Sinnlichkeit, ein
Gefallen an unverhuͤllter kraͤftiger Natur. Daß die-
ſes der bildenden Kunſt entgegengekommen ſei und ſie
ungemein beguͤnſtigt habe, laͤßt ſich vorausſetzen, und
mit welchem Auge der menſchliche Leib in den Kunſt-
ſchulen dieſes Stamms ſtudirt und verſtanden worden
iſt, davon geben erhaltne Werke derſelben den Beweis.
Die durch Gymnaſtik und Waffenuͤbung gezeitigte und
veredelte phyſiſche Schoͤnheit des Stammes 1 fuͤhrte
das Studium auf die richtigen Wege; und die vor-
herrſchende Religion, der Cultus des Apollon, zeigt
durch das Energiſche der Geſtalt und das Plaſtiſche
der Attribute des Gottes eben ſo das urſpruͤngliche
Talent des Stammes fuͤr bildende Kunſt, als er die-
ſelbe in einer Stufenleiter von Darſtellungen zum
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1 Oben S. 282. 313.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/386>, abgerufen am 25.11.2024.
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