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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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2.

Dabei kommen wir immer auf das Resultat,
daß vor dem Aufblühn dieser von Asien mannigfach
berührten Schule die Dorier des Peloponnes, die rei-
nen Hellenen, vor allen andern Stämmen des Grie-
chenvolkes die Musik übten. Denn daß der Name
der Tonart nicht etwa blos in dem äußern Vorwiegen
des Volkstammes seinen Grund hat, dafür bürgt nun
auch die innre Uebereinstimmung des Charakters der-
selben mit dem Dorismus überhaupt. Die Alten, die
das Ethische in der Musik unendlich bestimmter zu fas-
sen verstanden, als es in unsrer ins Formlose und Un-
endliche verschwimmenden Tonkunst möglich ist, maßen
derselben durchaus etwas ungemein Ernstes, Festes und
Männliches bei, geeignet Ausdauer zu geben zur Be-
stehung großer Gefahren und Mühseeligkeiten, zugleich
das Gemüth zu stählen und zu stärken gegen innerli-
chen Sturm; sie fanden in ihr feierliche Hoheit und
einfache Großartigkeit, sich hinneigend nach der Seite
des Strengen und Harten, und entgegenstehend dem
Unsteten, Leidenschaftlichen, Schwärmerischen 1: alles
Ausdrücke, die fast eben so gut die Religion, die Kunst,
die Sitte der Dorier zu bezeichnen gebraucht werden
konnten. Die Strenge und Härte dieser Musik, die
schon den spätern Alten als düster und anmuthlos
(skuthropos, tetrica,) erschien, und unsern verweich-
lichten Ohren noch mehr so erscheinen würde, hat et-
was Auffallendes, verglichen mit dem anmuthigen,
milden und heitern Charakter, der damals schon lange
in der epischen Poesie herrschte; sie belehrt uns ohne
Zweifel am meisten über den Unterschied der Asiati-
schen, und der aus den Gebirgen Nordgriechenlands

1 Zusammengestellt aus Böckh de metr. Pind. p. 238. s.
besonders Herakl. Pont. bei Ath. 14, 624 d.
2.

Dabei kommen wir immer auf das Reſultat,
daß vor dem Aufbluͤhn dieſer von Aſien mannigfach
beruͤhrten Schule die Dorier des Peloponnes, die rei-
nen Hellenen, vor allen andern Staͤmmen des Grie-
chenvolkes die Muſik uͤbten. Denn daß der Name
der Tonart nicht etwa blos in dem aͤußern Vorwiegen
des Volkſtammes ſeinen Grund hat, dafuͤr buͤrgt nun
auch die innre Uebereinſtimmung des Charakters der-
ſelben mit dem Dorismus uͤberhaupt. Die Alten, die
das Ethiſche in der Muſik unendlich beſtimmter zu faſ-
ſen verſtanden, als es in unſrer ins Formloſe und Un-
endliche verſchwimmenden Tonkunſt moͤglich iſt, maßen
derſelben durchaus etwas ungemein Ernſtes, Feſtes und
Maͤnnliches bei, geeignet Ausdauer zu geben zur Be-
ſtehung großer Gefahren und Muͤhſeeligkeiten, zugleich
das Gemuͤth zu ſtaͤhlen und zu ſtaͤrken gegen innerli-
chen Sturm; ſie fanden in ihr feierliche Hoheit und
einfache Großartigkeit, ſich hinneigend nach der Seite
des Strengen und Harten, und entgegenſtehend dem
Unſteten, Leidenſchaftlichen, Schwaͤrmeriſchen 1: alles
Ausdruͤcke, die faſt eben ſo gut die Religion, die Kunſt,
die Sitte der Dorier zu bezeichnen gebraucht werden
konnten. Die Strenge und Haͤrte dieſer Muſik, die
ſchon den ſpaͤtern Alten als duͤſter und anmuthlos
(σκυθρωπὸς, tetrica,) erſchien, und unſern verweich-
lichten Ohren noch mehr ſo erſcheinen wuͤrde, hat et-
was Auffallendes, verglichen mit dem anmuthigen,
milden und heitern Charakter, der damals ſchon lange
in der epiſchen Poeſie herrſchte; ſie belehrt uns ohne
Zweifel am meiſten uͤber den Unterſchied der Aſiati-
ſchen, und der aus den Gebirgen Nordgriechenlands

1 Zuſammengeſtellt aus Boͤckh de metr. Pind. p. 238. ſ.
beſonders Herakl. Pont. bei Ath. 14, 624 d.
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[319/0325] 2. Dabei kommen wir immer auf das Reſultat, daß vor dem Aufbluͤhn dieſer von Aſien mannigfach beruͤhrten Schule die Dorier des Peloponnes, die rei- nen Hellenen, vor allen andern Staͤmmen des Grie- chenvolkes die Muſik uͤbten. Denn daß der Name der Tonart nicht etwa blos in dem aͤußern Vorwiegen des Volkſtammes ſeinen Grund hat, dafuͤr buͤrgt nun auch die innre Uebereinſtimmung des Charakters der- ſelben mit dem Dorismus uͤberhaupt. Die Alten, die das Ethiſche in der Muſik unendlich beſtimmter zu faſ- ſen verſtanden, als es in unſrer ins Formloſe und Un- endliche verſchwimmenden Tonkunſt moͤglich iſt, maßen derſelben durchaus etwas ungemein Ernſtes, Feſtes und Maͤnnliches bei, geeignet Ausdauer zu geben zur Be- ſtehung großer Gefahren und Muͤhſeeligkeiten, zugleich das Gemuͤth zu ſtaͤhlen und zu ſtaͤrken gegen innerli- chen Sturm; ſie fanden in ihr feierliche Hoheit und einfache Großartigkeit, ſich hinneigend nach der Seite des Strengen und Harten, und entgegenſtehend dem Unſteten, Leidenſchaftlichen, Schwaͤrmeriſchen 1: alles Ausdruͤcke, die faſt eben ſo gut die Religion, die Kunſt, die Sitte der Dorier zu bezeichnen gebraucht werden konnten. Die Strenge und Haͤrte dieſer Muſik, die ſchon den ſpaͤtern Alten als duͤſter und anmuthlos (σκυθρωπὸς, tetrica,) erſchien, und unſern verweich- lichten Ohren noch mehr ſo erſcheinen wuͤrde, hat et- was Auffallendes, verglichen mit dem anmuthigen, milden und heitern Charakter, der damals ſchon lange in der epiſchen Poeſie herrſchte; ſie belehrt uns ohne Zweifel am meiſten uͤber den Unterſchied der Aſiati- ſchen, und der aus den Gebirgen Nordgriechenlands 1 Zuſammengeſtellt aus Boͤckh de metr. Pind. p. 238. ſ. beſonders Herakl. Pont. bei Ath. 14, 624 d.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/325>, abgerufen am 23.11.2024.