Hätte die Spartanische Verfassung große und zwar entscheidende Versammlungen des gesammten Volks zu- gelassen: so wäre sie im Grunde schon durchaus demo- kratisch gewesen, und hätte es immer mehr werden müssen, nach dem nothwendigen Gange der Dinge. Aber man denke sich die Periöken in die Nähe Spar- ta's zwischen die Babyka und den Knakion zusammen- strömend. Wo sollten die, welche mehrere Tage brauch- ten, um von Kyphanta, Pylos, Tänaron anzulangen, Wohnung und Unterkommen finden; und wie konnten sie überhaupt bereit stehn, Heimat und Gewerbe bei solchem Aufgebote zu verlassen. Es hielt ja selbst schwer, ein bewaffnetes Heer der Periöken in der Schnelle zusammenzubringen. Gewiß gehört überall zur Volksversammlung eine Stadtgemeine, daher in der Athenischen und jeder ähnlichen Demokratie je- der Bürger auch in der Stadt auf irgend eine Weise ansässig und so zu sagen eingepfarrt sein mußte 1.
3.
Hat man sich aber einmal überzeugt, daß die Lage und Stellung der Periöken einen Antheil an der Gesammtregierung nicht wohl zuließ: so wird man das Verhältniß derselben zu den Spartiaten nicht allzudrü- ckend finden. Sie theilten mit ihnen das ehrenvolleste Geschäft der Kriegführung, und zwar auch als Schwer- bewaffnete oder Linientruppen 2. Bei Platää standen
1 Mit perioikos ist wohl khorites einerlei, wie öfter auch Laked. heißen, Aelian V. G. 9, 27. Val. khoritides Bakkhai oben Bd. 2. S. 374, 1. aus Hesych. Oi apo tes khoras werden bei Athen. 15, 674 a. aus Sosibios tois ek tes agoges paisin (den in Sparta erzogenen) entgegengesetzt. Vgl. Casaub. Die Periöken- erziehung war also von der Spartiatischen ganz verschieden.
2 Isokrates, Panath. 73. nachdem die Laked. die Periöken kat andra enagkazon sumparatattesthai sphisin autois, verwechselt schmählig die Periöken und Heloten, wie auch im Folgenden.
Haͤtte die Spartaniſche Verfaſſung große und zwar entſcheidende Verſammlungen des geſammten Volks zu- gelaſſen: ſo waͤre ſie im Grunde ſchon durchaus demo- kratiſch geweſen, und haͤtte es immer mehr werden muͤſſen, nach dem nothwendigen Gange der Dinge. Aber man denke ſich die Perioͤken in die Naͤhe Spar- ta’s zwiſchen die Babyka und den Knakion zuſammen- ſtroͤmend. Wo ſollten die, welche mehrere Tage brauch- ten, um von Kyphanta, Pylos, Taͤnaron anzulangen, Wohnung und Unterkommen finden; und wie konnten ſie uͤberhaupt bereit ſtehn, Heimat und Gewerbe bei ſolchem Aufgebote zu verlaſſen. Es hielt ja ſelbſt ſchwer, ein bewaffnetes Heer der Perioͤken in der Schnelle zuſammenzubringen. Gewiß gehoͤrt uͤberall zur Volksverſammlung eine Stadtgemeine, daher in der Atheniſchen und jeder aͤhnlichen Demokratie je- der Buͤrger auch in der Stadt auf irgend eine Weiſe anſaͤſſig und ſo zu ſagen eingepfarrt ſein mußte 1.
3.
Hat man ſich aber einmal uͤberzeugt, daß die Lage und Stellung der Perioͤken einen Antheil an der Geſammtregierung nicht wohl zuließ: ſo wird man das Verhaͤltniß derſelben zu den Spartiaten nicht allzudruͤ- ckend finden. Sie theilten mit ihnen das ehrenvolleſte Geſchaͤft der Kriegfuͤhrung, und zwar auch als Schwer- bewaffnete oder Linientruppen 2. Bei Plataͤaͤ ſtanden
1 Mit πεϱίοικος iſt wohl χωϱίτης einerlei, wie oͤfter auch Laked. heißen, Aelian V. G. 9, 27. Val. χωϱίτιδες Βάκχαι oben Bd. 2. S. 374, 1. aus Heſych. Οἱ ἀπὸ τῆς χώϱας werden bei Athen. 15, 674 a. aus Soſibios τοῖς ἐκ τῆς ἀγωγῆς παισὶν (den in Sparta erzogenen) entgegengeſetzt. Vgl. Caſaub. Die Perioͤken- erziehung war alſo von der Spartiatiſchen ganz verſchieden.
2 Iſokrates, Panath. 73. nachdem die Laked. die Perioͤken κατ̕ ἄνδϱα ἠνάγκαζον συμπαϱατάττεσϑαι σφίσιν αὐτοῖς, verwechſelt ſchmaͤhlig die Perioͤken und Heloten, wie auch im Folgenden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbn="25"facs="#f0031"/>
Haͤtte die Spartaniſche Verfaſſung große und zwar<lb/>
entſcheidende Verſammlungen des geſammten Volks zu-<lb/>
gelaſſen: ſo waͤre ſie im Grunde ſchon durchaus demo-<lb/>
kratiſch geweſen, und haͤtte es immer mehr werden<lb/>
muͤſſen, nach dem nothwendigen Gange der Dinge.<lb/>
Aber man denke ſich die Perioͤken in die Naͤhe Spar-<lb/>
ta’s zwiſchen die Babyka und den Knakion zuſammen-<lb/>ſtroͤmend. Wo ſollten die, welche mehrere Tage brauch-<lb/>
ten, um von Kyphanta, Pylos, Taͤnaron anzulangen,<lb/>
Wohnung und Unterkommen finden; und wie konnten<lb/>ſie uͤberhaupt bereit ſtehn, Heimat und Gewerbe bei<lb/>ſolchem Aufgebote zu verlaſſen. Es hielt ja ſelbſt<lb/>ſchwer, ein bewaffnetes Heer der Perioͤken in der<lb/>
Schnelle zuſammenzubringen. Gewiß gehoͤrt uͤberall<lb/>
zur Volksverſammlung eine <hirendition="#g">Stadtgemeine</hi>, daher<lb/>
in der Atheniſchen und jeder aͤhnlichen Demokratie je-<lb/>
der Buͤrger auch in der Stadt auf irgend eine Weiſe<lb/>
anſaͤſſig und ſo zu ſagen eingepfarrt ſein mußte <noteplace="foot"n="1">Mit πεϱίοικος iſt wohl χωϱίτης einerlei, wie oͤfter auch<lb/>
Laked. heißen, Aelian V. G. 9, 27. Val. χωϱίτιδεςΒάκχαι oben<lb/>
Bd. 2. S. 374, 1. aus Heſych. Οἱἀπὸτῆςχώϱας werden bei<lb/>
Athen. 15, 674 <hirendition="#aq">a.</hi> aus Soſibios τοῖςἐκτῆςἀγωγῆςπαισὶν (den<lb/>
in Sparta erzogenen) entgegengeſetzt. Vgl. Caſaub. Die Perioͤken-<lb/>
erziehung war alſo von der Spartiatiſchen ganz verſchieden.</note>.</p></div><lb/><divn="3"><head>3.</head><lb/><p>Hat man ſich aber einmal uͤberzeugt, daß die<lb/>
Lage und Stellung der Perioͤken einen Antheil an der<lb/>
Geſammtregierung nicht wohl zuließ: ſo wird man das<lb/>
Verhaͤltniß derſelben zu den Spartiaten nicht allzudruͤ-<lb/>
ckend finden. Sie theilten mit ihnen das ehrenvolleſte<lb/>
Geſchaͤft der Kriegfuͤhrung, und zwar auch als Schwer-<lb/>
bewaffnete oder Linientruppen <noteplace="foot"n="2">Iſokrates, Panath. 73. nachdem die Laked. die Perioͤken κατ̕<lb/><hirendition="#g">ἄνδϱα</hi>ἠνάγκαζονσυμπαϱατάττεσϑαισφίσιναὐτοῖς, verwechſelt<lb/>ſchmaͤhlig die Perioͤken und Heloten, wie auch im Folgenden.</note>. Bei Plataͤaͤſtanden<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[25/0031]
Haͤtte die Spartaniſche Verfaſſung große und zwar
entſcheidende Verſammlungen des geſammten Volks zu-
gelaſſen: ſo waͤre ſie im Grunde ſchon durchaus demo-
kratiſch geweſen, und haͤtte es immer mehr werden
muͤſſen, nach dem nothwendigen Gange der Dinge.
Aber man denke ſich die Perioͤken in die Naͤhe Spar-
ta’s zwiſchen die Babyka und den Knakion zuſammen-
ſtroͤmend. Wo ſollten die, welche mehrere Tage brauch-
ten, um von Kyphanta, Pylos, Taͤnaron anzulangen,
Wohnung und Unterkommen finden; und wie konnten
ſie uͤberhaupt bereit ſtehn, Heimat und Gewerbe bei
ſolchem Aufgebote zu verlaſſen. Es hielt ja ſelbſt
ſchwer, ein bewaffnetes Heer der Perioͤken in der
Schnelle zuſammenzubringen. Gewiß gehoͤrt uͤberall
zur Volksverſammlung eine Stadtgemeine, daher
in der Atheniſchen und jeder aͤhnlichen Demokratie je-
der Buͤrger auch in der Stadt auf irgend eine Weiſe
anſaͤſſig und ſo zu ſagen eingepfarrt ſein mußte 1.
3.
Hat man ſich aber einmal uͤberzeugt, daß die
Lage und Stellung der Perioͤken einen Antheil an der
Geſammtregierung nicht wohl zuließ: ſo wird man das
Verhaͤltniß derſelben zu den Spartiaten nicht allzudruͤ-
ckend finden. Sie theilten mit ihnen das ehrenvolleſte
Geſchaͤft der Kriegfuͤhrung, und zwar auch als Schwer-
bewaffnete oder Linientruppen 2. Bei Plataͤaͤ ſtanden
1 Mit πεϱίοικος iſt wohl χωϱίτης einerlei, wie oͤfter auch
Laked. heißen, Aelian V. G. 9, 27. Val. χωϱίτιδες Βάκχαι oben
Bd. 2. S. 374, 1. aus Heſych. Οἱ ἀπὸ τῆς χώϱας werden bei
Athen. 15, 674 a. aus Soſibios τοῖς ἐκ τῆς ἀγωγῆς παισὶν (den
in Sparta erzogenen) entgegengeſetzt. Vgl. Caſaub. Die Perioͤken-
erziehung war alſo von der Spartiatiſchen ganz verſchieden.
2 Iſokrates, Panath. 73. nachdem die Laked. die Perioͤken κατ̕
ἄνδϱα ἠνάγκαζον συμπαϱατάττεσϑαι σφίσιν αὐτοῖς, verwechſelt
ſchmaͤhlig die Perioͤken und Heloten, wie auch im Folgenden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/31>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.