Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

tische Benennung der Frau: mesodoma 1, allein schon
beweist), von ihrem Manne mit dem Namen: Herrin,
despoina, geehrt 2, mit einer nordhellenischen Galan-
terie, die darum auch den Thessalern national war 3;
auch war der Ausdruck weder Ironie noch bedeutungs-
los. Ja so fremdartig däuchte den Griechen in einer
Zeit, als die Attische Bildung den Sinn für die un-
befangene Betrachtung nationaler Sitte verdunkelt hat-
te, das Ansehn, dessen die Lakonischen Frauen genos-
sen, und der Einfluß, den sie als Hausfrauen und
Familienmütter übten, daß schon Aristoteles meinte 4:
die Frauen unter das Gesetz zu bändigen, daran sei
Lykurgs Verstand und Ueberlegung gescheitert, und er
habe es aufgeben müssen, ihre Lebensweise gleich der
der Männer zu regeln und zu beschränken; auch schalt
man öfter die Spartiaten als unter dem Joche und
in der Knechtschaft ihrer Frauen 5. Und dessenunge-
achtet konnte Alkman, sonst ein großer Verehrer Lake-
dämonischer Frauenschönheit, sagen:


1 Hesych. s. v. oiketis Theokr. 18, 28. vgl. das Apophth.
des Aregeus bei Plut. Lak. Ap. p. 198. des Euboidas p. 205. das
der Lakaena p. 262. die auf die Frage: was sie verstände, antwor-
tet: eu oikein oikon.
2 Plut. Lyk. 14.
3 Oben Bd.
2. S. 5.
4 Pol. 2, 6, 8. und bei Plut. Lyk. 14. Auch
waren damals die Sitten der Frauen Sp. wirklich verfallen, und
eine gew. Licenz, anesis, hatte überhand genommen. Arist. 2, 6,
5. Platon Ges. 1, 637. Dion. H. Arch. 2, 24.
5 Plut.
Lyk. 14. Vergl. Numa's 3. Aristot. spricht auch 2, 6, 7. von ih-
rem Einfluß auf den Staat in der Zeit der Hegemonie Sp.: er
nahm noch zu, als ein großer Theil des Grundbesitzes in die Hand
der Frauen gekommen war. -- Aelians 12, 34. seltsame Versiche-
rung: Pausanias habe seine Frau geliebt, hat Kuhn richtig
auf einen uxorius gedeutet; -- und als einen solchen scheint die
Mythe auch prochronistisch den Spart. Menelaos gefaßt zu haben.
S. z. B. Aristoph. Lys. 155.

tiſche Benennung der Frau: μεσοδόμα 1, allein ſchon
beweist), von ihrem Manne mit dem Namen: Herrin,
δέσποινα, geehrt 2, mit einer nordhelleniſchen Galan-
terie, die darum auch den Theſſalern national war 3;
auch war der Ausdruck weder Ironie noch bedeutungs-
los. Ja ſo fremdartig daͤuchte den Griechen in einer
Zeit, als die Attiſche Bildung den Sinn fuͤr die un-
befangene Betrachtung nationaler Sitte verdunkelt hat-
te, das Anſehn, deſſen die Lakoniſchen Frauen genoſ-
ſen, und der Einfluß, den ſie als Hausfrauen und
Familienmuͤtter uͤbten, daß ſchon Ariſtoteles meinte 4:
die Frauen unter das Geſetz zu baͤndigen, daran ſei
Lykurgs Verſtand und Ueberlegung geſcheitert, und er
habe es aufgeben muͤſſen, ihre Lebensweiſe gleich der
der Maͤnner zu regeln und zu beſchraͤnken; auch ſchalt
man oͤfter die Spartiaten als unter dem Joche und
in der Knechtſchaft ihrer Frauen 5. Und deſſenunge-
achtet konnte Alkman, ſonſt ein großer Verehrer Lake-
daͤmoniſcher Frauenſchoͤnheit, ſagen:


1 Heſych. s. v. οἰκέτις Theokr. 18, 28. vgl. das Apophth.
des Aregeus bei Plut. Lak. Ap. p. 198. des Euboidas p. 205. das
der Lakaena p. 262. die auf die Frage: was ſie verſtaͤnde, antwor-
tet: εὖ οἰκεῖν οἶκον.
2 Plut. Lyk. 14.
3 Oben Bd.
2. S. 5.
4 Pol. 2, 6, 8. und bei Plut. Lyk. 14. Auch
waren damals die Sitten der Frauen Sp. wirklich verfallen, und
eine gew. Licenz, ἄνεσις, hatte uͤberhand genommen. Ariſt. 2, 6,
5. Platon Geſ. 1, 637. Dion. H. Arch. 2, 24.
5 Plut.
Lyk. 14. Vergl. Numa’s 3. Ariſtot. ſpricht auch 2, 6, 7. von ih-
rem Einfluß auf den Staat in der Zeit der Hegemonie Sp.: er
nahm noch zu, als ein großer Theil des Grundbeſitzes in die Hand
der Frauen gekommen war. — Aelians 12, 34. ſeltſame Verſiche-
rung: Pauſanias habe ſeine Frau geliebt, hat Kuhn richtig
auf einen uxorius gedeutet; — und als einen ſolchen ſcheint die
Mythe auch prochroniſtiſch den Spart. Menelaos gefaßt zu haben.
S. z. B. Ariſtoph. Lyſ. 155.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0293" n="287"/>
ti&#x017F;che Benennung der Frau: &#x03BC;&#x03B5;&#x03C3;&#x03BF;&#x03B4;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B1; <note place="foot" n="1">He&#x017F;ych. <hi rendition="#aq">s. v.</hi> &#x03BF;&#x1F30;&#x03BA;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C2; Theokr. 18, 28. vgl. das Apophth.<lb/>
des Aregeus bei Plut. Lak. Ap. <hi rendition="#aq">p. 198.</hi> des Euboidas <hi rendition="#aq">p. 205.</hi> das<lb/>
der Lakaena <hi rendition="#aq">p. 262.</hi> die auf die Frage: was &#x017F;ie ver&#x017F;ta&#x0364;nde, antwor-<lb/>
tet: &#x03B5;&#x1F56; &#x03BF;&#x1F30;&#x03BA;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD; &#x03BF;&#x1F36;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;.</note>, allein &#x017F;chon<lb/>
beweist), von ihrem Manne mit dem Namen: Herrin,<lb/>
&#x03B4;&#x03AD;&#x03C3;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B1;, geehrt <note place="foot" n="2">Plut. Lyk. 14.</note>, mit einer nordhelleni&#x017F;chen Galan-<lb/>
terie, die darum auch den The&#x017F;&#x017F;alern national war <note place="foot" n="3">Oben Bd.<lb/>
2. S. 5.</note>;<lb/>
auch war der Ausdruck weder Ironie noch bedeutungs-<lb/>
los. Ja &#x017F;o fremdartig da&#x0364;uchte den Griechen in einer<lb/>
Zeit, als die Atti&#x017F;che Bildung den Sinn fu&#x0364;r die un-<lb/>
befangene Betrachtung nationaler Sitte verdunkelt hat-<lb/>
te, das An&#x017F;ehn, de&#x017F;&#x017F;en die Lakoni&#x017F;chen Frauen geno&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und der Einfluß, den &#x017F;ie als Hausfrauen und<lb/>
Familienmu&#x0364;tter u&#x0364;bten, daß &#x017F;chon Ari&#x017F;toteles meinte <note place="foot" n="4">Pol. 2, 6, 8. und bei Plut. Lyk. 14. Auch<lb/>
waren damals die Sitten der Frauen Sp. wirklich verfallen, und<lb/>
eine gew. Licenz, &#x1F04;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2;, hatte u&#x0364;berhand genommen. Ari&#x017F;t. 2, 6,<lb/>
5. Platon Ge&#x017F;. 1, 637. Dion. H. Arch. 2, 24.</note>:<lb/>
die Frauen unter das Ge&#x017F;etz zu ba&#x0364;ndigen, daran &#x017F;ei<lb/>
Lykurgs Ver&#x017F;tand und Ueberlegung ge&#x017F;cheitert, und er<lb/>
habe es aufgeben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ihre Lebenswei&#x017F;e gleich der<lb/>
der Ma&#x0364;nner zu regeln und zu be&#x017F;chra&#x0364;nken; auch &#x017F;chalt<lb/>
man o&#x0364;fter die Spartiaten als unter dem Joche und<lb/>
in der Knecht&#x017F;chaft ihrer Frauen <note place="foot" n="5">Plut.<lb/>
Lyk. 14. Vergl. Numa&#x2019;s 3. Ari&#x017F;tot. &#x017F;pricht auch 2, 6, 7. von ih-<lb/>
rem Einfluß auf den <hi rendition="#g">Staat</hi> in der Zeit der Hegemonie Sp.: er<lb/>
nahm noch zu, als ein großer Theil des Grundbe&#x017F;itzes in die Hand<lb/>
der Frauen gekommen war. &#x2014; Aelians 12, 34. &#x017F;elt&#x017F;ame Ver&#x017F;iche-<lb/>
rung: Pau&#x017F;anias <hi rendition="#g">habe &#x017F;eine Frau geliebt,</hi> hat Kuhn richtig<lb/>
auf einen <hi rendition="#aq">uxorius</hi> gedeutet; &#x2014; und als einen &#x017F;olchen &#x017F;cheint die<lb/>
Mythe auch prochroni&#x017F;ti&#x017F;ch den Spart. Menelaos gefaßt zu haben.<lb/>
S. z. B. Ari&#x017F;toph. Ly&#x017F;. 155.</note>. Und de&#x017F;&#x017F;enunge-<lb/>
achtet konnte Alkman, &#x017F;on&#x017F;t ein großer Verehrer Lake-<lb/>
da&#x0364;moni&#x017F;cher Frauen&#x017F;cho&#x0364;nheit, &#x017F;agen:</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0293] tiſche Benennung der Frau: μεσοδόμα 1, allein ſchon beweist), von ihrem Manne mit dem Namen: Herrin, δέσποινα, geehrt 2, mit einer nordhelleniſchen Galan- terie, die darum auch den Theſſalern national war 3; auch war der Ausdruck weder Ironie noch bedeutungs- los. Ja ſo fremdartig daͤuchte den Griechen in einer Zeit, als die Attiſche Bildung den Sinn fuͤr die un- befangene Betrachtung nationaler Sitte verdunkelt hat- te, das Anſehn, deſſen die Lakoniſchen Frauen genoſ- ſen, und der Einfluß, den ſie als Hausfrauen und Familienmuͤtter uͤbten, daß ſchon Ariſtoteles meinte 4: die Frauen unter das Geſetz zu baͤndigen, daran ſei Lykurgs Verſtand und Ueberlegung geſcheitert, und er habe es aufgeben muͤſſen, ihre Lebensweiſe gleich der der Maͤnner zu regeln und zu beſchraͤnken; auch ſchalt man oͤfter die Spartiaten als unter dem Joche und in der Knechtſchaft ihrer Frauen 5. Und deſſenunge- achtet konnte Alkman, ſonſt ein großer Verehrer Lake- daͤmoniſcher Frauenſchoͤnheit, ſagen: 1 Heſych. s. v. οἰκέτις Theokr. 18, 28. vgl. das Apophth. des Aregeus bei Plut. Lak. Ap. p. 198. des Euboidas p. 205. das der Lakaena p. 262. die auf die Frage: was ſie verſtaͤnde, antwor- tet: εὖ οἰκεῖν οἶκον. 2 Plut. Lyk. 14. 3 Oben Bd. 2. S. 5. 4 Pol. 2, 6, 8. und bei Plut. Lyk. 14. Auch waren damals die Sitten der Frauen Sp. wirklich verfallen, und eine gew. Licenz, ἄνεσις, hatte uͤberhand genommen. Ariſt. 2, 6, 5. Platon Geſ. 1, 637. Dion. H. Arch. 2, 24. 5 Plut. Lyk. 14. Vergl. Numa’s 3. Ariſtot. ſpricht auch 2, 6, 7. von ih- rem Einfluß auf den Staat in der Zeit der Hegemonie Sp.: er nahm noch zu, als ein großer Theil des Grundbeſitzes in die Hand der Frauen gekommen war. — Aelians 12, 34. ſeltſame Verſiche- rung: Pauſanias habe ſeine Frau geliebt, hat Kuhn richtig auf einen uxorius gedeutet; — und als einen ſolchen ſcheint die Mythe auch prochroniſtiſch den Spart. Menelaos gefaßt zu haben. S. z. B. Ariſtoph. Lyſ. 155.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/293
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/293>, abgerufen am 24.11.2024.