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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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übten, die andern nichts als häusliche Geschäfte 1.
Hieraus erklärt sich, warum zu Sparta Jungfrauen
mit offenem Angesicht, Frauen dagegen verschleiert er-
schienen 2; auch war es gewöhnlich, daß man jene mit
jungen Leuten über die Straße gehen sah 3 -- was den
letztern sicher nicht erlaubt war; und so wurden auch
in Sparta 4, in Kreta 5, in Olympia endlich Jung-
frauen zur Schau gymnischer Agonen zugelassen, und
nur Frauen ausgeschlossen 6: alles umgekehrt in Jonien,
wo gerade die unverheiratheten Mädchen am meisten
im Innern der Häuser verschlossen lebten 7.

Diese verschiedene Stellung im Leben also wurde
auch durch die Tracht bezeichnet, die bei den Jungfrauen
offenbar leichter und freier war; denn nur von diesen
ist bei dem Vorwurfe unziemlicher Nacktheit überall die
Rede. Diesem Vorwurfe liegt aber bei den Athenern ein
seltsames Vergessen ursprünglicher Sitte zu Grunde:
da das Leben ihrer Frauen nach und nach völlig orien-
talisirt worden war, erschien ihnen das Aecht-Helle-
nische zuletzt als fremdartig 8: so daß sich über Do-

1 Platon Gesetze 7, 805. 6.
2 Lak. Apophth. p. 235.
Apostol. 18, 19.
3 Eurip. Androm. 598. auch bei Plut.
Vergl. Numa's 3. ai xun neoisin exeremousa[ - 1 Zeichen fehlt] domous. Daher
Properz 3, 12, 21. lex igitur Spartana vetat secedere aman-
tes; Et licet in triviis ad latus esse suae.
4 zu schließen
aus Plut. Lyk. 14.
5 Thes. 19.
6 Paus. 5, 6, 5. (über
die Geschichte der Pherenike Böckh Expl. Pind. p. 166.) 6, 20, 6.
Daher konnten auch hier, freilich nur in Curulkämpfen, Jungfrauen
siegen, wie Kyniska Paus. 3, 8, 1. 5, 12, 3. 6, 1. Xen. Ages.
9, 6. Plut. Ages. 20. Lak. Ap. p. 184. Euryleonis Paus. 3, 17,
6. -- In Kyrene waren nach Pind. P. 9, 102. (e uion) auch
Frauen zugelassen, vgl. Böckh Expl. p. 328., dergleichen auch
daselbst nach einer Inschr. bei Della-Cella gymnischen Kämpfen
vorstanden.
7 katakleistoi, Sappho Fr. 15. p. 46 Wolf.
Phokylid. V. 203.
8 epei e ge Ellenike esthee pasa e ar-

uͤbten, die andern nichts als haͤusliche Geſchaͤfte 1.
Hieraus erklaͤrt ſich, warum zu Sparta Jungfrauen
mit offenem Angeſicht, Frauen dagegen verſchleiert er-
ſchienen 2; auch war es gewoͤhnlich, daß man jene mit
jungen Leuten uͤber die Straße gehen ſah 3 — was den
letztern ſicher nicht erlaubt war; und ſo wurden auch
in Sparta 4, in Kreta 5, in Olympia endlich Jung-
frauen zur Schau gymniſcher Agonen zugelaſſen, und
nur Frauen ausgeſchloſſen 6: alles umgekehrt in Jonien,
wo gerade die unverheiratheten Maͤdchen am meiſten
im Innern der Haͤuſer verſchloſſen lebten 7.

Dieſe verſchiedene Stellung im Leben alſo wurde
auch durch die Tracht bezeichnet, die bei den Jungfrauen
offenbar leichter und freier war; denn nur von dieſen
iſt bei dem Vorwurfe unziemlicher Nacktheit uͤberall die
Rede. Dieſem Vorwurfe liegt aber bei den Athenern ein
ſeltſames Vergeſſen urſpruͤnglicher Sitte zu Grunde:
da das Leben ihrer Frauen nach und nach voͤllig orien-
taliſirt worden war, erſchien ihnen das Aecht-Helle-
niſche zuletzt als fremdartig 8: ſo daß ſich uͤber Do-

1 Platon Geſetze 7, 805. 6.
2 Lak. Apophth. p. 235.
Apoſtol. 18, 19.
3 Eurip. Androm. 598. auch bei Plut.
Vergl. Numa’s 3. αἱ ξὺν νἑοισιν ἐξεϱημοῦσα[ – 1 Zeichen fehlt] δόμους. Daher
Properz 3, 12, 21. lex igitur Spartana vetat secedere aman-
tes; Et licet in triviis ad latus esse suae.
4 zu ſchließen
aus Plut. Lyk. 14.
5 Theſ. 19.
6 Pauſ. 5, 6, 5. (uͤber
die Geſchichte der Pherenike Boͤckh Expl. Pind. p. 166.) 6, 20, 6.
Daher konnten auch hier, freilich nur in Curulkaͤmpfen, Jungfrauen
ſiegen, wie Kyniska Pauſ. 3, 8, 1. 5, 12, 3. 6, 1. Xen. Ageſ.
9, 6. Plut. Ageſ. 20. Lak. Ap. p. 184. Euryleonis Pauſ. 3, 17,
6. — In Kyrene waren nach Pind. P. 9, 102. (ἢ υἱὀν) auch
Frauen zugelaſſen, vgl. Boͤckh Expl. p. 328., dergleichen auch
daſelbſt nach einer Inſchr. bei Della-Cella gymniſchen Kaͤmpfen
vorſtanden.
7 κατάκλειστοι, Sappho Fr. 15. p. 46 Wolf.
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[262/0268] uͤbten, die andern nichts als haͤusliche Geſchaͤfte 1. Hieraus erklaͤrt ſich, warum zu Sparta Jungfrauen mit offenem Angeſicht, Frauen dagegen verſchleiert er- ſchienen 2; auch war es gewoͤhnlich, daß man jene mit jungen Leuten uͤber die Straße gehen ſah 3 — was den letztern ſicher nicht erlaubt war; und ſo wurden auch in Sparta 4, in Kreta 5, in Olympia endlich Jung- frauen zur Schau gymniſcher Agonen zugelaſſen, und nur Frauen ausgeſchloſſen 6: alles umgekehrt in Jonien, wo gerade die unverheiratheten Maͤdchen am meiſten im Innern der Haͤuſer verſchloſſen lebten 7. Dieſe verſchiedene Stellung im Leben alſo wurde auch durch die Tracht bezeichnet, die bei den Jungfrauen offenbar leichter und freier war; denn nur von dieſen iſt bei dem Vorwurfe unziemlicher Nacktheit uͤberall die Rede. Dieſem Vorwurfe liegt aber bei den Athenern ein ſeltſames Vergeſſen urſpruͤnglicher Sitte zu Grunde: da das Leben ihrer Frauen nach und nach voͤllig orien- taliſirt worden war, erſchien ihnen das Aecht-Helle- niſche zuletzt als fremdartig 8: ſo daß ſich uͤber Do- 1 Platon Geſetze 7, 805. 6. 2 Lak. Apophth. p. 235. Apoſtol. 18, 19. 3 Eurip. Androm. 598. auch bei Plut. Vergl. Numa’s 3. αἱ ξὺν νἑοισιν ἐξεϱημοῦσα_ δόμους. Daher Properz 3, 12, 21. lex igitur Spartana vetat secedere aman- tes; Et licet in triviis ad latus esse suae. 4 zu ſchließen aus Plut. Lyk. 14. 5 Theſ. 19. 6 Pauſ. 5, 6, 5. (uͤber die Geſchichte der Pherenike Boͤckh Expl. Pind. p. 166.) 6, 20, 6. Daher konnten auch hier, freilich nur in Curulkaͤmpfen, Jungfrauen ſiegen, wie Kyniska Pauſ. 3, 8, 1. 5, 12, 3. 6, 1. Xen. Ageſ. 9, 6. Plut. Ageſ. 20. Lak. Ap. p. 184. Euryleonis Pauſ. 3, 17, 6. — In Kyrene waren nach Pind. P. 9, 102. (ἢ υἱὀν) auch Frauen zugelaſſen, vgl. Boͤckh Expl. p. 328., dergleichen auch daſelbſt nach einer Inſchr. bei Della-Cella gymniſchen Kaͤmpfen vorſtanden. 7 κατάκλειστοι, Sappho Fr. 15. p. 46 Wolf. Phokylid. V. 203. 8 ἐπεὶ ἢ γε Ἑλληνικὴ ἐσϑὴε πᾶσα ἡ ἀϱ-

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/268>, abgerufen am 24.11.2024.