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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Befriedigen des Bedürfnisses durch Beziehung auf in-
neres Sein; und da solche Aeußerlichkeiten gerade der
Betrachtung am offensten liegen: so lenkt sich auch die
unsere am ersten darauf zu.

Die Dorier wohnten schlicht und einfach. Lykurg
hatte als Gesetz ausgesprochen: in jeglichem Hause sollte
die Thüre blos mit der Säge und die Decke mit dem
Beile gearbeitet sein 1; nicht etwa allem höhern Be-
triebe der Baukunst zu wehren beabsichtigend, sondern
damit diese auf ihrer allein würdige Gegenstände, Tem-
pel und öffentliche Gebäude, beschränkt, und nicht die
Magd des Privatluxus werde. Während unter den Achäern
Homers die Könige nicht blos in sehr ausgedehnten,
sondern mitunter auch in reich geschmückten Häusern
wohnten, deren Wände von Erz, Silber, Gold, Bern-
stein und Helfenbein strahlten: war alle ähnliche Pracht
von den Wohnungen der Enkel des Herakles entfernt.
Die Amtswohnung beider Fürsten sollte Aristodemos bei
der Einnahme Sparta's gebaut haben; hier wohnte
noch Agesilaos nach der Väter Sitte, und seine Thüren
waren, nach Xenophons freilich übertriebenem Aus-
drucke, noch die des ursprünglichen Bau's 2. Mit
naivem Witze fragte daher Leotychidas, der Alte, (Ol.
72.) einen Gastfreund von Korinth, wo der Reichthum
zeitig Luxus im Bauen angeregt, da er die Decke des
Gemachs mit vertieften Feldern geschmückt (phatnoma-
tike) sah: Wachsen bei euch die Hölzer viereckig? 3.
Uebrigens mag man sich diese Häuser dabei geräumig
und weitläuftig denken; einen Hof, durch eine Mauer

1 Plut. Lyk. 13. de esu carn. 2, 2. reg. apophth. p. 125.
Lac. ap. 222. Qu. Rom. 87. p
. 363. Proklos zu Hesiod T. u.
W. 421.
2 S. oben S. 107, 3.
3 Plut. Lyk. 13.
vgl. Lak. Apophth. S. 179. 222.

Befriedigen des Beduͤrfniſſes durch Beziehung auf in-
neres Sein; und da ſolche Aeußerlichkeiten gerade der
Betrachtung am offenſten liegen: ſo lenkt ſich auch die
unſere am erſten darauf zu.

Die Dorier wohnten ſchlicht und einfach. Lykurg
hatte als Geſetz ausgeſprochen: in jeglichem Hauſe ſollte
die Thuͤre blos mit der Saͤge und die Decke mit dem
Beile gearbeitet ſein 1; nicht etwa allem hoͤhern Be-
triebe der Baukunſt zu wehren beabſichtigend, ſondern
damit dieſe auf ihrer allein wuͤrdige Gegenſtaͤnde, Tem-
pel und oͤffentliche Gebaͤude, beſchraͤnkt, und nicht die
Magd des Privatluxus werde. Waͤhrend unter den Achaͤern
Homers die Koͤnige nicht blos in ſehr ausgedehnten,
ſondern mitunter auch in reich geſchmuͤckten Haͤuſern
wohnten, deren Waͤnde von Erz, Silber, Gold, Bern-
ſtein und Helfenbein ſtrahlten: war alle aͤhnliche Pracht
von den Wohnungen der Enkel des Herakles entfernt.
Die Amtswohnung beider Fuͤrſten ſollte Ariſtodemos bei
der Einnahme Sparta’s gebaut haben; hier wohnte
noch Ageſilaos nach der Vaͤter Sitte, und ſeine Thuͤren
waren, nach Xenophons freilich uͤbertriebenem Aus-
drucke, noch die des urſpruͤnglichen Bau’s 2. Mit
naivem Witze fragte daher Leotychidas, der Alte, (Ol.
72.) einen Gaſtfreund von Korinth, wo der Reichthum
zeitig Luxus im Bauen angeregt, da er die Decke des
Gemachs mit vertieften Feldern geſchmuͤckt (φατνωμα-
τικὴ) ſah: Wachſen bei euch die Hoͤlzer viereckig? 3.
Uebrigens mag man ſich dieſe Haͤuſer dabei geraͤumig
und weitlaͤuftig denken; einen Hof, durch eine Mauer

1 Plut. Lyk. 13. de esu carn. 2, 2. reg. apophth. p. 125.
Lac. ap. 222. Qu. Rom. 87. p
. 363. Proklos zu Heſiod T. u.
W. 421.
2 S. oben S. 107, 3.
3 Plut. Lyk. 13.
vgl. Lak. Apophth. S. 179. 222.
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[254/0260] Befriedigen des Beduͤrfniſſes durch Beziehung auf in- neres Sein; und da ſolche Aeußerlichkeiten gerade der Betrachtung am offenſten liegen: ſo lenkt ſich auch die unſere am erſten darauf zu. Die Dorier wohnten ſchlicht und einfach. Lykurg hatte als Geſetz ausgeſprochen: in jeglichem Hauſe ſollte die Thuͤre blos mit der Saͤge und die Decke mit dem Beile gearbeitet ſein 1; nicht etwa allem hoͤhern Be- triebe der Baukunſt zu wehren beabſichtigend, ſondern damit dieſe auf ihrer allein wuͤrdige Gegenſtaͤnde, Tem- pel und oͤffentliche Gebaͤude, beſchraͤnkt, und nicht die Magd des Privatluxus werde. Waͤhrend unter den Achaͤern Homers die Koͤnige nicht blos in ſehr ausgedehnten, ſondern mitunter auch in reich geſchmuͤckten Haͤuſern wohnten, deren Waͤnde von Erz, Silber, Gold, Bern- ſtein und Helfenbein ſtrahlten: war alle aͤhnliche Pracht von den Wohnungen der Enkel des Herakles entfernt. Die Amtswohnung beider Fuͤrſten ſollte Ariſtodemos bei der Einnahme Sparta’s gebaut haben; hier wohnte noch Ageſilaos nach der Vaͤter Sitte, und ſeine Thuͤren waren, nach Xenophons freilich uͤbertriebenem Aus- drucke, noch die des urſpruͤnglichen Bau’s 2. Mit naivem Witze fragte daher Leotychidas, der Alte, (Ol. 72.) einen Gaſtfreund von Korinth, wo der Reichthum zeitig Luxus im Bauen angeregt, da er die Decke des Gemachs mit vertieften Feldern geſchmuͤckt (φατνωμα- τικὴ) ſah: Wachſen bei euch die Hoͤlzer viereckig? 3. Uebrigens mag man ſich dieſe Haͤuſer dabei geraͤumig und weitlaͤuftig denken; einen Hof, durch eine Mauer 1 Plut. Lyk. 13. de esu carn. 2, 2. reg. apophth. p. 125. Lac. ap. 222. Qu. Rom. 87. p. 363. Proklos zu Heſiod T. u. W. 421. 2 S. oben S. 107, 3. 3 Plut. Lyk. 13. vgl. Lak. Apophth. S. 179. 222.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/260>, abgerufen am 24.11.2024.