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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Feste gern in Ruhe 1, sondern respektirte selbst fremde,
wie es sich noch Ol. 97, 2. lange durch die "heiligen
Monate" der Argeier hinhalten und täuschen ließ 2.
Wenn aber der Staat, so lange er diesen Grundsätzen
treu blieb, fremde Krieger nicht zweck- und maaßlos
mordete, so schonte er um desto mehr die eigenen, und
jeder mäßige Verlust war ihm höchst empfindlich, aber
es fielen auch im Hoplitenkampfe von der siegreichen
Parthei meistentheils sehr wenige. Jeder weiß von
der thränenlosen Schlacht, in der die Stadt keinen
Todten zu betrauern hatte 3. Man kann daher Spar-
ta nichts weniger vorwerfen, als ungestüme Kriegslust,
tollkühnen Leichtsinn und Eroberungssucht. Der letzten
wehrte wohl auch der Lykurgische Grundsatz: nicht oft
gegen dieselben Feinde zu ziehn 4, dessen Nichtbeach-
tung ein Vorwurf gegen Agesilaos ist; wie schwer
die Lakedämonier an größere Kriege gingen, ist hin-
länglich bekannt. Und doch hatte Sparta im Kampfe
auf offenem Felde bis zur Schlacht von Leuktra fast
die Sicherheit des Sieges 5, indem das Bewußtsein der
Meisterschaft im Waffengebrauche zu dem Nationalge-
fühl des Dorischen Stammes hinzutrat, der über Jo-
nier zu siegen von vornherein vertraute 6. Wie furcht-

1 Wie die Hyakinthien und Karneen. Daß die Stelle Herod.
6, 106. sich nur auf diese bezieht, und nur im Karneios die Spart.
nicht vor dem Vollmonde auszogen, darüber s. besonders Böckb
Index lect. aestiv. Berol. 1816. Doch bat nicht blos Plutarch
sie falsch gefaßt (Diogen. Prov. 6, 20. Jo. Tzetz. Jamb. 161.), u.
Herod. selbst ist nicht ohne Schuld.
2 Xen. H. 4, 7, 2.
3 So verlor auch Brasidas gegen Kleon nur sieben Mann,
Thuk. 5, 11., und die Lakedämonier in der großen Schlacht von
Korinth acht. Xen. H. 4, 3, 1.
4 Plut. Lyk. 13. Ages. 26.
Lak. Ap. p. 188. 222. Polyän 1, 16, 2.
5 vgl. was Archi-
dam bei Jsokr. von den Heerszügen der Könige seines Geschlechts
sagt, auch Panathen. 100.
6 Thuk. 1, 121. Herod. 7, 102.
vgl. Hegemon in der Palat. Anthol. 7, 436. Dorios a meleta.

Feſte gern in Ruhe 1, ſondern reſpektirte ſelbſt fremde,
wie es ſich noch Ol. 97, 2. lange durch die “heiligen
Monate” der Argeier hinhalten und taͤuſchen ließ 2.
Wenn aber der Staat, ſo lange er dieſen Grundſaͤtzen
treu blieb, fremde Krieger nicht zweck- und maaßlos
mordete, ſo ſchonte er um deſto mehr die eigenen, und
jeder maͤßige Verluſt war ihm hoͤchſt empfindlich, aber
es fielen auch im Hoplitenkampfe von der ſiegreichen
Parthei meiſtentheils ſehr wenige. Jeder weiß von
der thraͤnenloſen Schlacht, in der die Stadt keinen
Todten zu betrauern hatte 3. Man kann daher Spar-
ta nichts weniger vorwerfen, als ungeſtuͤme Kriegsluſt,
tollkuͤhnen Leichtſinn und Eroberungsſucht. Der letzten
wehrte wohl auch der Lykurgiſche Grundſatz: nicht oft
gegen dieſelben Feinde zu ziehn 4, deſſen Nichtbeach-
tung ein Vorwurf gegen Ageſilaos iſt; wie ſchwer
die Lakedaͤmonier an groͤßere Kriege gingen, iſt hin-
laͤnglich bekannt. Und doch hatte Sparta im Kampfe
auf offenem Felde bis zur Schlacht von Leuktra faſt
die Sicherheit des Sieges 5, indem das Bewußtſein der
Meiſterſchaft im Waffengebrauche zu dem Nationalge-
fuͤhl des Doriſchen Stammes hinzutrat, der uͤber Jo-
nier zu ſiegen von vornherein vertraute 6. Wie furcht-

1 Wie die Hyakinthien und Karneen. Daß die Stelle Herod.
6, 106. ſich nur auf dieſe bezieht, und nur im Karneios die Spart.
nicht vor dem Vollmonde auszogen, daruͤber ſ. beſonders Boͤckb
Index lect. aestiv. Berol. 1816. Doch bat nicht blos Plutarch
ſie falſch gefaßt (Diogen. Prov. 6, 20. Jo. Tzetz. Jamb. 161.), u.
Herod. ſelbſt iſt nicht ohne Schuld.
2 Xen. H. 4, 7, 2.
3 So verlor auch Braſidas gegen Kleon nur ſieben Mann,
Thuk. 5, 11., und die Lakedaͤmonier in der großen Schlacht von
Korinth acht. Xen. H. 4, 3, 1.
4 Plut. Lyk. 13. Ageſ. 26.
Lak. Ap. p. 188. 222. Polyaͤn 1, 16, 2.
5 vgl. was Archi-
dam bei Jſokr. von den Heerszuͤgen der Koͤnige ſeines Geſchlechts
ſagt, auch Panathen. 100.
6 Thuk. 1, 121. Herod. 7, 102.
vgl. Hegemon in der Palat. Anthol. 7, 436. Δώϱιος ἁ μελέτα.
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[248/0254] Feſte gern in Ruhe 1, ſondern reſpektirte ſelbſt fremde, wie es ſich noch Ol. 97, 2. lange durch die “heiligen Monate” der Argeier hinhalten und taͤuſchen ließ 2. Wenn aber der Staat, ſo lange er dieſen Grundſaͤtzen treu blieb, fremde Krieger nicht zweck- und maaßlos mordete, ſo ſchonte er um deſto mehr die eigenen, und jeder maͤßige Verluſt war ihm hoͤchſt empfindlich, aber es fielen auch im Hoplitenkampfe von der ſiegreichen Parthei meiſtentheils ſehr wenige. Jeder weiß von der thraͤnenloſen Schlacht, in der die Stadt keinen Todten zu betrauern hatte 3. Man kann daher Spar- ta nichts weniger vorwerfen, als ungeſtuͤme Kriegsluſt, tollkuͤhnen Leichtſinn und Eroberungsſucht. Der letzten wehrte wohl auch der Lykurgiſche Grundſatz: nicht oft gegen dieſelben Feinde zu ziehn 4, deſſen Nichtbeach- tung ein Vorwurf gegen Ageſilaos iſt; wie ſchwer die Lakedaͤmonier an groͤßere Kriege gingen, iſt hin- laͤnglich bekannt. Und doch hatte Sparta im Kampfe auf offenem Felde bis zur Schlacht von Leuktra faſt die Sicherheit des Sieges 5, indem das Bewußtſein der Meiſterſchaft im Waffengebrauche zu dem Nationalge- fuͤhl des Doriſchen Stammes hinzutrat, der uͤber Jo- nier zu ſiegen von vornherein vertraute 6. Wie furcht- 1 Wie die Hyakinthien und Karneen. Daß die Stelle Herod. 6, 106. ſich nur auf dieſe bezieht, und nur im Karneios die Spart. nicht vor dem Vollmonde auszogen, daruͤber ſ. beſonders Boͤckb Index lect. aestiv. Berol. 1816. Doch bat nicht blos Plutarch ſie falſch gefaßt (Diogen. Prov. 6, 20. Jo. Tzetz. Jamb. 161.), u. Herod. ſelbſt iſt nicht ohne Schuld. 2 Xen. H. 4, 7, 2. 3 So verlor auch Braſidas gegen Kleon nur ſieben Mann, Thuk. 5, 11., und die Lakedaͤmonier in der großen Schlacht von Korinth acht. Xen. H. 4, 3, 1. 4 Plut. Lyk. 13. Ageſ. 26. Lak. Ap. p. 188. 222. Polyaͤn 1, 16, 2. 5 vgl. was Archi- dam bei Jſokr. von den Heerszuͤgen der Koͤnige ſeines Geſchlechts ſagt, auch Panathen. 100. 6 Thuk. 1, 121. Herod. 7, 102. vgl. Hegemon in der Palat. Anthol. 7, 436. Δώϱιος ἁ μελέτα.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/254>, abgerufen am 24.08.2024.