chen, auch den Heloten waren menuseis gestattet 1, aber die Klage führte, wie wir es von den Ephoren so häu- fig finden, ein Magistrat. In dem gerichtlichen Verfahren Sparta's hatte sich wahrscheinlich sehr viel von jener althellenischen Einfalt erhalten, die Ari- stoteles z. B. an den Kriminaluntersuchungen in dem Aeolischen Kyme bemerkt, wo bei Klagen auf Mord Zeugen aus dem Geschlechte des Ermordeten zum Er- weis der Beschuldigung genügten 2. In dem altkreti- schen Rechte des Rhadamanth wurden Streitigkeiten gewöhnlich auf eine sehr kurze Weise durch den Schwur entschieden 3; und Charondas Gesetzgebung der Chal- kidischen Colonieen war die erste, die Untersuchungen über falsch Zeugniß anordnete 4. -- Das Recht, wo- nach gerichtet wurde, glaubte man in den Personen der Magistrate selbst vorhanden, und ein äußerlich fest- gestelltes Recht gab es wenigstens, so lange Sparta blühete, nicht; die später vorkommenden Exegeten der Lykurgischen Gesetze 5 scheinen ein geschriebenes Recht vorauszusetzen, wenn man sie mit den Syrakusischen Exegeten des Diokleischen Codex vergleicht 6: doch kön- nen sie auch blos aus einer innern Kenntniß des tra- ditionellen Rechts responsa gegeben haben, wie die exegetai ton patrion zu Athen 7. So war es denn auch den Richtern anheim gestellt, nach ihrem Ermes-
1 Thuk. 1, 132.
2 Arist. Pol. 2, 5, 12. Denselben Charakter zeigt das Kymäische Gesetz, nach dem die Nachbarn eines Bestohlenen den Verlust ersetzen mußten (Herakl. Pont. 11. vgl. Hesiod T. u. W. 348.), vgl. auch Str. 13, 622. Doch rühmt Ephoros (bei Steph. Boiotia) die nomon eutaxia seiner Landsloute.
3 Platon Ges. 12, 948.
4 Arist. 2, 9, 8.
5 exege- tes ton Lukourgeion in der Fourmont. Inschr. bei Corsini N. Gr. diss. 5. p. 84.
6 S. oben S. 161. vgl. Ruhnken zu Timäos p. 111.
7 Meier de bonis damn. Praef. p. 7.
chen, auch den Heloten waren μηνύσεις geſtattet 1, aber die Klage fuͤhrte, wie wir es von den Ephoren ſo haͤu- fig finden, ein Magiſtrat. In dem gerichtlichen Verfahren Sparta’s hatte ſich wahrſcheinlich ſehr viel von jener althelleniſchen Einfalt erhalten, die Ari- ſtoteles z. B. an den Kriminalunterſuchungen in dem Aeoliſchen Kyme bemerkt, wo bei Klagen auf Mord Zeugen aus dem Geſchlechte des Ermordeten zum Er- weis der Beſchuldigung genuͤgten 2. In dem altkreti- ſchen Rechte des Rhadamanth wurden Streitigkeiten gewoͤhnlich auf eine ſehr kurze Weiſe durch den Schwur entſchieden 3; und Charondas Geſetzgebung der Chal- kidiſchen Colonieen war die erſte, die Unterſuchungen uͤber falſch Zeugniß anordnete 4. — Das Recht, wo- nach gerichtet wurde, glaubte man in den Perſonen der Magiſtrate ſelbſt vorhanden, und ein aͤußerlich feſt- geſtelltes Recht gab es wenigſtens, ſo lange Sparta bluͤhete, nicht; die ſpaͤter vorkommenden Exegeten der Lykurgiſchen Geſetze 5 ſcheinen ein geſchriebenes Recht vorauszuſetzen, wenn man ſie mit den Syrakuſiſchen Exegeten des Diokleiſchen Codex vergleicht 6: doch koͤn- nen ſie auch blos aus einer innern Kenntniß des tra- ditionellen Rechts responsa gegeben haben, wie die ἐξηγηταὶ τῶν πατρίων zu Athen 7. So war es denn auch den Richtern anheim geſtellt, nach ihrem Ermeſ-
1 Thuk. 1, 132.
2 Ariſt. Pol. 2, 5, 12. Denſelben Charakter zeigt das Kymaͤiſche Geſetz, nach dem die Nachbarn eines Beſtohlenen den Verluſt erſetzen mußten (Herakl. Pont. 11. vgl. Heſiod T. u. W. 348.), vgl. auch Str. 13, 622. Doch ruͤhmt Ephoros (bei Steph. Βοιωτἰα) die νόμων εὐταξία ſeiner Landsloute.
3 Platon Geſ. 12, 948.
4 Ariſt. 2, 9, 8.
5 ἐξηγη- τὴς τῶν Λυκουϱγείων in der Fourmont. Inſchr. bei Corſini N. Gr. diss. 5. p. 84.
6 S. oben S. 161. vgl. Ruhnken zu Timaͤos p. 111.
7 Meier de bonis damn. Praef. p. 7.
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Verfahren Sparta’s hatte ſich wahrſcheinlich ſehr
viel von jener althelleniſchen Einfalt erhalten, die Ari-
ſtoteles z. B. an den Kriminalunterſuchungen in dem
Aeoliſchen Kyme bemerkt, wo bei Klagen auf Mord
Zeugen aus dem Geſchlechte des Ermordeten zum Er-
weis der Beſchuldigung genuͤgten 2. In dem altkreti-
ſchen Rechte des Rhadamanth wurden Streitigkeiten
gewoͤhnlich auf eine ſehr kurze Weiſe durch den Schwur
entſchieden 3; und Charondas Geſetzgebung der Chal-
kidiſchen Colonieen war die erſte, die Unterſuchungen
uͤber falſch Zeugniß anordnete 4. — Das Recht, wo-
nach gerichtet wurde, glaubte man in den Perſonen
der Magiſtrate ſelbſt vorhanden, und ein aͤußerlich feſt-
geſtelltes Recht gab es wenigſtens, ſo lange Sparta
bluͤhete, nicht; die ſpaͤter vorkommenden Exegeten der
Lykurgiſchen Geſetze 5 ſcheinen ein geſchriebenes Recht
vorauszuſetzen, wenn man ſie mit den Syrakuſiſchen
Exegeten des Diokleiſchen Codex vergleicht 6: doch koͤn-
nen ſie auch blos aus einer innern Kenntniß des tra-
ditionellen Rechts responsa gegeben haben, wie die
ἐξηγηταὶ τῶν πατρίων zu Athen 7. So war es denn
auch den Richtern anheim geſtellt, nach ihrem Ermeſ-
1 Thuk. 1, 132.
2 Ariſt. Pol. 2, 5, 12. Denſelben
Charakter zeigt das Kymaͤiſche Geſetz, nach dem die Nachbarn eines
Beſtohlenen den Verluſt erſetzen mußten (Herakl. Pont. 11. vgl.
Heſiod T. u. W. 348.), vgl. auch Str. 13, 622. Doch ruͤhmt
Ephoros (bei Steph. Βοιωτἰα) die νόμων εὐταξία ſeiner Landsloute.
3 Platon Geſ. 12, 948.
4 Ariſt. 2, 9, 8.
5 ἐξηγη-
τὴς τῶν Λυκουϱγείων in der Fourmont. Inſchr. bei Corſini N. Gr.
diss. 5. p. 84.
6 S. oben S. 161. vgl. Ruhnken zu Timaͤos
p. 111.
7 Meier de bonis damn. Praef. p. 7.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/227>, abgerufen am 16.02.2025.
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