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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Staatsverbrechen, namentlich der Könige und anderer
Obrigkeiten richtete ein hohes Magistratengericht 1.
Die Volksversammlung war wohl nie Gericht; über
die Erbfolge des Throns wurde bei Streitigkeiten wahr-
scheinlich nur an sie referirt, und sie faßte dann einen
Beschluß 2; die Sache der Tresanten von Leuktra ent-
zog sie dadurch dem gewöhnlichen Gerichte, daß sie
einen außerordentlichen Nomothetes für den einzelnen
Fall ernannte, und dessen Vorschlag hernach bestätigte 3.
Ostrakismos kommt in Dorischen Staaten nur nach
Auflösung der ältern Verfassung vor 4. Natürlich gab
es in Privatsachen auch in Sparta Schiedsrichter, wie
in der Homerischen Zeit; auch compromissarische 5: ob
aber öffentlich dazu bestellte, wie in Athen, ist unbe-
kannt. -- Befugt zu klagen waren zu Sparta wie
zu Athen in Privatsachen, wie sich von selbst versteht,
die Betheiligten, in Criminalfällen die nächsten Ver-
wandten oder eigentlichen Bluträcher; die öffentlichen
Anklagen aber konnte dort wohl schwerlich, wie hier,
ein jeder Bürger des Staats erheben, indem ein sol-
ches Verfahren mit der Demokratie im genauesten Zu-
sammenhange zu stehen scheint. Der Privat konnte so-
nach nicht mehr als eine Anzeige bei der Obrigkeit ma-

1 Nach Plut. von Sokr. Dämon. 33. S. 365. straften die
Geronten den Lysanoridas (s. oben S. 211.), aber es war wohl
auch das große Magistratengericht.
2 oben S. 85. 101, 1.
3 Plut. Ages. 30.
4 oben S. 145. 159. 167. Aber in
Kreta (oben S. 277, 7.) und vielleicht in Aegina (Aegin. p. 133.)
waren ähnliche oligarchische Einrichtungen.
5 Plut. Lak.
Apophth. p. 200. -- Von den Argivischen Gerichtshöfen kennen
wir den auf dem Pron (Deinias bei Schol. Eurip. Orest. 869, aus
welchen Schol. man auch sieht, daß dabei der Platz der Volksver-
sammlung, alidias, hernach eliaia, lag; vgl. oben S. 86.)
vielleicht dem Attischen Areopag ähnlich, und das Gericht en Kha-
radrph außer der Stadt über rückkehrende Feldherren (Thuk. 5, 60.).

Staatsverbrechen, namentlich der Koͤnige und anderer
Obrigkeiten richtete ein hohes Magiſtratengericht 1.
Die Volksverſammlung war wohl nie Gericht; uͤber
die Erbfolge des Throns wurde bei Streitigkeiten wahr-
ſcheinlich nur an ſie referirt, und ſie faßte dann einen
Beſchluß 2; die Sache der Treſanten von Leuktra ent-
zog ſie dadurch dem gewoͤhnlichen Gerichte, daß ſie
einen außerordentlichen Nomothetes fuͤr den einzelnen
Fall ernannte, und deſſen Vorſchlag hernach beſtaͤtigte 3.
Oſtrakismos kommt in Doriſchen Staaten nur nach
Aufloͤſung der aͤltern Verfaſſung vor 4. Natuͤrlich gab
es in Privatſachen auch in Sparta Schiedsrichter, wie
in der Homeriſchen Zeit; auch compromiſſariſche 5: ob
aber oͤffentlich dazu beſtellte, wie in Athen, iſt unbe-
kannt. — Befugt zu klagen waren zu Sparta wie
zu Athen in Privatſachen, wie ſich von ſelbſt verſteht,
die Betheiligten, in Criminalfaͤllen die naͤchſten Ver-
wandten oder eigentlichen Blutraͤcher; die oͤffentlichen
Anklagen aber konnte dort wohl ſchwerlich, wie hier,
ein jeder Buͤrger des Staats erheben, indem ein ſol-
ches Verfahren mit der Demokratie im genaueſten Zu-
ſammenhange zu ſtehen ſcheint. Der Privat konnte ſo-
nach nicht mehr als eine Anzeige bei der Obrigkeit ma-

1 Nach Plut. von Sokr. Daͤmon. 33. S. 365. ſtraften die
Geronten den Lyſanoridas (ſ. oben S. 211.), aber es war wohl
auch das große Magiſtratengericht.
2 oben S. 85. 101, 1.
3 Plut. Ageſ. 30.
4 oben S. 145. 159. 167. Aber in
Kreta (oben S. 277, 7.) und vielleicht in Aegina (Aegin. p. 133.)
waren aͤhnliche oligarchiſche Einrichtungen.
5 Plut. Lak.
Apophth. p. 200. — Von den Argiviſchen Gerichtshoͤfen kennen
wir den auf dem Pron (Deinias bei Schol. Eurip. Oreſt. 869, aus
welchen Schol. man auch ſieht, daß dabei der Platz der Volksver-
ſammlung, ἁλιδιὰς, hernach ἡλιαἰα, lag; vgl. oben S. 86.)
vielleicht dem Attiſchen Areopag aͤhnlich, und das Gericht ἐν Χα-
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[220/0226] Staatsverbrechen, namentlich der Koͤnige und anderer Obrigkeiten richtete ein hohes Magiſtratengericht 1. Die Volksverſammlung war wohl nie Gericht; uͤber die Erbfolge des Throns wurde bei Streitigkeiten wahr- ſcheinlich nur an ſie referirt, und ſie faßte dann einen Beſchluß 2; die Sache der Treſanten von Leuktra ent- zog ſie dadurch dem gewoͤhnlichen Gerichte, daß ſie einen außerordentlichen Nomothetes fuͤr den einzelnen Fall ernannte, und deſſen Vorſchlag hernach beſtaͤtigte 3. Oſtrakismos kommt in Doriſchen Staaten nur nach Aufloͤſung der aͤltern Verfaſſung vor 4. Natuͤrlich gab es in Privatſachen auch in Sparta Schiedsrichter, wie in der Homeriſchen Zeit; auch compromiſſariſche 5: ob aber oͤffentlich dazu beſtellte, wie in Athen, iſt unbe- kannt. — Befugt zu klagen waren zu Sparta wie zu Athen in Privatſachen, wie ſich von ſelbſt verſteht, die Betheiligten, in Criminalfaͤllen die naͤchſten Ver- wandten oder eigentlichen Blutraͤcher; die oͤffentlichen Anklagen aber konnte dort wohl ſchwerlich, wie hier, ein jeder Buͤrger des Staats erheben, indem ein ſol- ches Verfahren mit der Demokratie im genaueſten Zu- ſammenhange zu ſtehen ſcheint. Der Privat konnte ſo- nach nicht mehr als eine Anzeige bei der Obrigkeit ma- 1 Nach Plut. von Sokr. Daͤmon. 33. S. 365. ſtraften die Geronten den Lyſanoridas (ſ. oben S. 211.), aber es war wohl auch das große Magiſtratengericht. 2 oben S. 85. 101, 1. 3 Plut. Ageſ. 30. 4 oben S. 145. 159. 167. Aber in Kreta (oben S. 277, 7.) und vielleicht in Aegina (Aegin. p. 133.) waren aͤhnliche oligarchiſche Einrichtungen. 5 Plut. Lak. Apophth. p. 200. — Von den Argiviſchen Gerichtshoͤfen kennen wir den auf dem Pron (Deinias bei Schol. Eurip. Oreſt. 869, aus welchen Schol. man auch ſieht, daß dabei der Platz der Volksver- ſammlung, ἁλιδιὰς, hernach ἡλιαἰα, lag; vgl. oben S. 86.) vielleicht dem Attiſchen Areopag aͤhnlich, und das Gericht ἐν Χα- ϱἀδϱφ außer der Stadt uͤber ruͤckkehrende Feldherren (Thuk. 5, 60.).

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/226>, abgerufen am 22.11.2024.