Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

selten, so lange eine Gemeinschaft auch in der Gesin-
nung bestand; sie mußten bedeutend beitragen, dem
sonst einförmigen Mahle Reiz und Abwechselung zu
geben.

7.

In der Kretischen Einrichtung dagegen ist es
der Staat, der alle Bürger und ihre Frauen täglich
bewirthet 1. Was die Gemeine von dem Gemeinlande
sowohl als den Tributen der Periöken einnahm, ward
nach den Monaten des Jahres in zwölf Theile 2, in
zwei nach der Verwendung getheilt, so daß die Hälfte
für Opfer und die Kosten der Staatsverwaltung, die
andere für die Speisungen bestimmt wurde 3. Nun
wurde aber diese Hälfte unter die einzelnen Häuser
vertheilt, u. Jeder gab seinen Antheil der Syssitiengesell-
schaft (etairia) der er angehörte 4. Man fragt: warum
der Staat nicht gleich diese Summe unter die Syssi-
tien vertheilte, an die sie durch die einzelnen Bürger
kommen sollte: aber wahrscheinlich waren dies von den
einzelnen Theilnehmern frei gebildete Gesellschafften.
Das Vertheilen der Staatseinkünfte erinnert an das
Verfahren der Athener mit dem Ertrage der Laurischen
Silberminen. Außerdem gab indeß noch jeder Bürger
ein Zehntel des Ertrags der Erndte, und jeder Klarot
für seinen Herrn einen Aeginetischen Stater 5.

So wohl begreiflich und zweckdienlich diese Ein-
richtung ist: so wenig kommen wir mit der Lakonischen
völlig ins Klare. Der Ertrag eines kleros betrug,
nach einer obigen Stelle, für den Spartiaten 82
Medimnen. Nehmen wir diese für Attische, wie wir

1 Arist. 7, 4. ek koinou (i. e. e publicis vectigalibus)
trephesthai pantas kai gunaikas kai paidas kai andras.
2 nach
dem Kretikos nomos bei Platon Ges. 8, 847.
3 Arist. 2,
7, 4.
4 Dosiadas bei Athen. 4, 143 b., welche Stelle mit
der Aristotelischen wohl übereinstimmt.
5 S. oben S. 54.

ſelten, ſo lange eine Gemeinſchaft auch in der Geſin-
nung beſtand; ſie mußten bedeutend beitragen, dem
ſonſt einfoͤrmigen Mahle Reiz und Abwechſelung zu
geben.

7.

In der Kretiſchen Einrichtung dagegen iſt es
der Staat, der alle Buͤrger und ihre Frauen taͤglich
bewirthet 1. Was die Gemeine von dem Gemeinlande
ſowohl als den Tributen der Perioͤken einnahm, ward
nach den Monaten des Jahres in zwoͤlf Theile 2, in
zwei nach der Verwendung getheilt, ſo daß die Haͤlfte
fuͤr Opfer und die Koſten der Staatsverwaltung, die
andere fuͤr die Speiſungen beſtimmt wurde 3. Nun
wurde aber dieſe Haͤlfte unter die einzelnen Haͤuſer
vertheilt, u. Jeder gab ſeinen Antheil der Syſſitiengeſell-
ſchaft (ἑταιρία) der er angehoͤrte 4. Man fragt: warum
der Staat nicht gleich dieſe Summe unter die Syſſi-
tien vertheilte, an die ſie durch die einzelnen Buͤrger
kommen ſollte: aber wahrſcheinlich waren dies von den
einzelnen Theilnehmern frei gebildete Geſellſchafften.
Das Vertheilen der Staatseinkuͤnfte erinnert an das
Verfahren der Athener mit dem Ertrage der Lauriſchen
Silberminen. Außerdem gab indeß noch jeder Buͤrger
ein Zehntel des Ertrags der Erndte, und jeder Klarot
fuͤr ſeinen Herrn einen Aeginetiſchen Stater 5.

So wohl begreiflich und zweckdienlich dieſe Ein-
richtung iſt: ſo wenig kommen wir mit der Lakoniſchen
voͤllig ins Klare. Der Ertrag eines κλῆρος betrug,
nach einer obigen Stelle, fuͤr den Spartiaten 82
Medimnen. Nehmen wir dieſe fuͤr Attiſche, wie wir

1 Ariſt. 7, 4. ἐκ κοινοῦ (i. e. e publicis vectigalibus)
τϱἐφεσϑαι πάντας καὶ γυναῖκας καὶ παῖδας καὶ ἂνδϱας.
2 nach
dem Κϱητικὸς νόμος bei Platon Geſ. 8, 847.
3 Ariſt. 2,
7, 4.
4 Doſiadas bei Athen. 4, 143 b., welche Stelle mit
der Ariſtoteliſchen wohl uͤbereinſtimmt.
5 S. oben S. 54.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0209" n="203"/>
&#x017F;elten, &#x017F;o lange eine Gemein&#x017F;chaft auch in der Ge&#x017F;in-<lb/>
nung be&#x017F;tand; &#x017F;ie mußten bedeutend beitragen, dem<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t einfo&#x0364;rmigen Mahle Reiz und Abwech&#x017F;elung zu<lb/>
geben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>7.</head><lb/>
            <p>In der Kreti&#x017F;chen Einrichtung dagegen i&#x017F;t es<lb/>
der Staat, der alle Bu&#x0364;rger und ihre Frauen ta&#x0364;glich<lb/>
bewirthet <note place="foot" n="1">Ari&#x017F;t. 7, 4. &#x1F10;&#x03BA; &#x03BA;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BD;&#x03BF;&#x1FE6; (<hi rendition="#aq">i. e. e publicis vectigalibus</hi>)<lb/>
&#x03C4;&#x03F1;&#x1F10;&#x03C6;&#x03B5;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C0;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03B3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C0;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03B4;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F02;&#x03BD;&#x03B4;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2;.</note>. Was die Gemeine von dem Gemeinlande<lb/>
&#x017F;owohl als den Tributen der Perio&#x0364;ken einnahm, ward<lb/>
nach den Monaten des Jahres in zwo&#x0364;lf Theile <note place="foot" n="2">nach<lb/>
dem &#x039A;&#x03F1;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F78;&#x03C2; &#x03BD;&#x1F79;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; bei Platon Ge&#x017F;. 8, 847.</note>, in<lb/>
zwei nach der Verwendung getheilt, &#x017F;o daß die Ha&#x0364;lfte<lb/>
fu&#x0364;r Opfer und die Ko&#x017F;ten der Staatsverwaltung, die<lb/>
andere fu&#x0364;r die Spei&#x017F;ungen be&#x017F;timmt wurde <note place="foot" n="3">Ari&#x017F;t. 2,<lb/>
7, 4.</note>. Nun<lb/>
wurde aber die&#x017F;e Ha&#x0364;lfte unter die einzelnen Ha&#x0364;u&#x017F;er<lb/>
vertheilt, u. Jeder gab &#x017F;einen Antheil der Sy&#x017F;&#x017F;itienge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft (&#x1F11;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C1;&#x03AF;&#x03B1;) der er angeho&#x0364;rte <note place="foot" n="4">Do&#x017F;iadas bei Athen. 4, 143 <hi rendition="#aq">b.</hi>, welche Stelle mit<lb/>
der Ari&#x017F;toteli&#x017F;chen wohl u&#x0364;berein&#x017F;timmt.</note>. Man fragt: warum<lb/>
der Staat nicht gleich die&#x017F;e Summe unter die Sy&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
tien vertheilte, an die &#x017F;ie durch die einzelnen Bu&#x0364;rger<lb/>
kommen &#x017F;ollte: aber wahr&#x017F;cheinlich waren dies von den<lb/>
einzelnen Theilnehmern frei gebildete Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften.<lb/>
Das Vertheilen der Staatseinku&#x0364;nfte erinnert an das<lb/>
Verfahren der Athener mit dem Ertrage der Lauri&#x017F;chen<lb/>
Silberminen. Außerdem gab indeß noch jeder Bu&#x0364;rger<lb/>
ein Zehntel des Ertrags der Erndte, und jeder Klarot<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;einen Herrn einen Aegineti&#x017F;chen Stater <note place="foot" n="5">S. oben S. 54.</note>.</p><lb/>
            <p>So wohl begreiflich und zweckdienlich die&#x017F;e Ein-<lb/>
richtung i&#x017F;t: &#x017F;o wenig kommen wir mit der Lakoni&#x017F;chen<lb/>
vo&#x0364;llig ins Klare. Der Ertrag eines &#x03BA;&#x03BB;&#x1FC6;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2; betrug,<lb/>
nach einer obigen Stelle, fu&#x0364;r den Spartiaten 82<lb/>
Medimnen. Nehmen wir die&#x017F;e fu&#x0364;r Atti&#x017F;che, wie wir<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0209] ſelten, ſo lange eine Gemeinſchaft auch in der Geſin- nung beſtand; ſie mußten bedeutend beitragen, dem ſonſt einfoͤrmigen Mahle Reiz und Abwechſelung zu geben. 7. In der Kretiſchen Einrichtung dagegen iſt es der Staat, der alle Buͤrger und ihre Frauen taͤglich bewirthet 1. Was die Gemeine von dem Gemeinlande ſowohl als den Tributen der Perioͤken einnahm, ward nach den Monaten des Jahres in zwoͤlf Theile 2, in zwei nach der Verwendung getheilt, ſo daß die Haͤlfte fuͤr Opfer und die Koſten der Staatsverwaltung, die andere fuͤr die Speiſungen beſtimmt wurde 3. Nun wurde aber dieſe Haͤlfte unter die einzelnen Haͤuſer vertheilt, u. Jeder gab ſeinen Antheil der Syſſitiengeſell- ſchaft (ἑταιρία) der er angehoͤrte 4. Man fragt: warum der Staat nicht gleich dieſe Summe unter die Syſſi- tien vertheilte, an die ſie durch die einzelnen Buͤrger kommen ſollte: aber wahrſcheinlich waren dies von den einzelnen Theilnehmern frei gebildete Geſellſchafften. Das Vertheilen der Staatseinkuͤnfte erinnert an das Verfahren der Athener mit dem Ertrage der Lauriſchen Silberminen. Außerdem gab indeß noch jeder Buͤrger ein Zehntel des Ertrags der Erndte, und jeder Klarot fuͤr ſeinen Herrn einen Aeginetiſchen Stater 5. So wohl begreiflich und zweckdienlich dieſe Ein- richtung iſt: ſo wenig kommen wir mit der Lakoniſchen voͤllig ins Klare. Der Ertrag eines κλῆρος betrug, nach einer obigen Stelle, fuͤr den Spartiaten 82 Medimnen. Nehmen wir dieſe fuͤr Attiſche, wie wir 1 Ariſt. 7, 4. ἐκ κοινοῦ (i. e. e publicis vectigalibus) τϱἐφεσϑαι πάντας καὶ γυναῖκας καὶ παῖδας καὶ ἂνδϱας. 2 nach dem Κϱητικὸς νόμος bei Platon Geſ. 8, 847. 3 Ariſt. 2, 7, 4. 4 Doſiadas bei Athen. 4, 143 b., welche Stelle mit der Ariſtoteliſchen wohl uͤbereinſtimmt. 5 S. oben S. 54.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/209
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/209>, abgerufen am 22.12.2024.