ausgezeichnetem Geiste, Praktiker und Theoretiker, ihre Achtung einem Staate zuwandten 1, den uns neuere Schriftsteller 2 oft als eine Horde von Halbwilden vor- gestellt haben. Gewiß dürfen wir das Urtheil der Ge- nannten, die sicherlich den Gegenstand desselben genug- sam kannten, nicht aus einer kränklichen Sehnsucht nach einem für die Athener verlornen Naturzustande abzu- leiten suchen. -- Uns Neuern dagegen wollen nur gar zu oft vorgefaßte Ansichten von dem Bildungsgange des Menschengeschlechts nicht gestatten, den Eindruck der Geschichte unbefangen aufzunehmen; wir weigern uns in einem Jahrhundert, das wir mit rohen Versuchen einen Staat zu organisiren beschäftigt glauben, die tiefste politische Weisheit zu erkennen. Anders die spe- kulativen Politiker des Alterthums, wie die Pythago- reer und Platon, denen fast nur der Spartiatisch-Kre- tische, das heißt, der altdorische Staat, überhaupt als Staat galt; und in der That kommt die in Sparta verwirklichte Staatsidee der am nächsten, die Pytha- goras in Unteritalien zu verwirklichen strebte, und Platon als verwirklicht zu werden mögliche aufstellte: eine festgeschlossene der Familie verwandte Gemeinschaft mit dem Zwecke wechselseitiger Erziehung. Denn Py- thagoras Orden hat mit dem Spartiatischen Staate außer dem aristokratischen Geiste noch sehr viel ande- res Uebereinstimmendes, die Syssitien und das gemein- schaftliche Leben überhaupt, die Menge und Strenge
nes: all' ou Lakedaimonioi (g. Timarch 25, 32.) ist blos eine lä- cherliche Nachahmung Kimons.
1 Auch Polyb. 4, 81, 12. nennt die Spartiatische Verf. gra- dezu kalliste politeia.
2 wie der unverständige de Pauw, dem in dem Bestreben, Sp. zu verunglimpfen, unter den Alten Polykrates (der Rhetor wahrscheinlich) vorausgegangen ist. Heyne de Spart. rep. Commentat. Gotting. T. IX. p. 2.
ausgezeichnetem Geiſte, Praktiker und Theoretiker, ihre Achtung einem Staate zuwandten 1, den uns neuere Schriftſteller 2 oft als eine Horde von Halbwilden vor- geſtellt haben. Gewiß duͤrfen wir das Urtheil der Ge- nannten, die ſicherlich den Gegenſtand deſſelben genug- ſam kannten, nicht aus einer kraͤnklichen Sehnſucht nach einem fuͤr die Athener verlornen Naturzuſtande abzu- leiten ſuchen. — Uns Neuern dagegen wollen nur gar zu oft vorgefaßte Anſichten von dem Bildungsgange des Menſchengeſchlechts nicht geſtatten, den Eindruck der Geſchichte unbefangen aufzunehmen; wir weigern uns in einem Jahrhundert, das wir mit rohen Verſuchen einen Staat zu organiſiren beſchaͤftigt glauben, die tiefſte politiſche Weisheit zu erkennen. Anders die ſpe- kulativen Politiker des Alterthums, wie die Pythago- reer und Platon, denen faſt nur der Spartiatiſch-Kre- tiſche, das heißt, der altdoriſche Staat, uͤberhaupt als Staat galt; und in der That kommt die in Sparta verwirklichte Staatsidee der am naͤchſten, die Pytha- goras in Unteritalien zu verwirklichen ſtrebte, und Platon als verwirklicht zu werden moͤgliche aufſtellte: eine feſtgeſchloſſene der Familie verwandte Gemeinſchaft mit dem Zwecke wechſelſeitiger Erziehung. Denn Py- thagoras Orden hat mit dem Spartiatiſchen Staate außer dem ariſtokratiſchen Geiſte noch ſehr viel ande- res Uebereinſtimmendes, die Syſſitien und das gemein- ſchaftliche Leben uͤberhaupt, die Menge und Strenge
nes: ἀλλ’ οὐ Λακεδαιμὁνιοι (g. Timarch 25, 32.) iſt blos eine laͤ- cherliche Nachahmung Kimons.
1 Auch Polyb. 4, 81, 12. nennt die Spartiatiſche Verf. gra- dezu καλλίστη πολιτεία.
2 wie der unverſtaͤndige de Pauw, dem in dem Beſtreben, Sp. zu verunglimpfen, unter den Alten Polykrates (der Rhetor wahrſcheinlich) vorausgegangen iſt. Heyne de Spart. rep. Commentat. Gotting. T. IX. p. 2.
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geſtellt haben. Gewiß duͤrfen wir das Urtheil der Ge-
nannten, die ſicherlich den Gegenſtand deſſelben genug-
ſam kannten, nicht aus einer kraͤnklichen Sehnſucht nach
einem fuͤr die Athener verlornen Naturzuſtande abzu-
leiten ſuchen. — Uns Neuern dagegen wollen nur gar
zu oft vorgefaßte Anſichten von dem Bildungsgange des
Menſchengeſchlechts nicht geſtatten, den Eindruck der
Geſchichte unbefangen aufzunehmen; wir weigern uns
in einem Jahrhundert, das wir mit rohen Verſuchen
einen Staat zu organiſiren beſchaͤftigt glauben, die
tiefſte politiſche Weisheit zu erkennen. Anders die ſpe-
kulativen Politiker des Alterthums, wie die Pythago-
reer und Platon, denen faſt nur der Spartiatiſch-Kre-
tiſche, das heißt, der altdoriſche Staat, uͤberhaupt als
Staat galt; und in der That kommt die in Sparta
verwirklichte Staatsidee der am naͤchſten, die Pytha-
goras in Unteritalien zu verwirklichen ſtrebte, und
Platon als verwirklicht zu werden moͤgliche aufſtellte:
eine feſtgeſchloſſene der Familie verwandte Gemeinſchaft
mit dem Zwecke wechſelſeitiger Erziehung. Denn Py-
thagoras Orden hat mit dem Spartiatiſchen Staate
außer dem ariſtokratiſchen Geiſte noch ſehr viel ande-
res Uebereinſtimmendes, die Syſſitien und das gemein-
ſchaftliche Leben uͤberhaupt, die Menge und Strenge
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1 Auch Polyb. 4, 81, 12. nennt die Spartiatiſche Verf. gra-
dezu καλλίστη πολιτεία.
2 wie der unverſtaͤndige de Pauw,
dem in dem Beſtreben, Sp. zu verunglimpfen, unter den Alten
Polykrates (der Rhetor wahrſcheinlich) vorausgegangen iſt. Heyne
de Spart. rep. Commentat. Gotting. T. IX. p. 2.
3 nes: ἀλλ’ οὐ Λακεδαιμὁνιοι (g. Timarch 25, 32.) iſt blos eine laͤ-
cherliche Nachahmung Kimons.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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