seiner Thätigkeit erstens als eine Anlage seines Fami- liengottes Apollon 1, zweitens als "die Stadt der Gesunden", was es durch Klima, Gymnastik und rei- nere Sitten war, als wenigstens die Nachbarstädte, Tarent und Sybaris, damals kannten. Die Regie- rung der Stadt war, als der Philosoph auftrat, in den Händen eines Rathes von Tausend, welcher ein Synedrion bildete 2; diesem vorzustehn, als Prytanis wahrscheinlich 3, sollen die Krotoniaten selbst den Py- thagoras gebeten haben 4. Einen solchen Rath von Tausend fanden wir schon oben in Akragas zur Zeit des Empedokles; dieselbe Zahl verwaltete, nach dem Census gewählt, in Rhegion den ganzen Staat 5. Hiernach können wir annehmen, daß auch die Tausend von Kroton die Reichsten waren: was indeß in Städ- ten, deren Macht auf Landbesitz beruht, ehe Revolu- tionen die Verhältnisse verwirrt, im Ganzen zugleich die adligen Familien zu sein pflegen. Sie konnten zu Kroton in den meisten Angelegenheiten ohne Volksver- sammlung entscheiden 6, und besaßen auch richterliche Gewalt 7. Der von Pythagoras gegründete Rath da- gegen, der nicht timokratischer, sondern rein aristokra- tischer Art gewesen zu sein scheint, enthielt nur drei- hundert Mitglieder 8, eine in ähnlichen Verhältnissen öfter vorkommende Zahl 9; an seiner Spitze stand Py- thagoras selbst. Es ist eine der größten Erscheinungen in der Geschichte des öffentlichen Lebens der Hellenen,
1 Bd. 2. S. 263.
2 Jambl. Pyth. 9, 45. und Di- käarch bei Porphyr. 18. der die Mitglieder gerontas nennt. Vie- leicht ist die sugkhletos bei Diod. 12, 9. dasselbe.
3 S. oben S. 137, 1.
4 Valer. Max. 8, 15. ext. 1.
5 Herakl. Pont. 25.
6 Jamblich 35, 260.
7 S. 27, 126.
8 Diog. L. 8, 3. vgl. Apollon. bei Jamblich. 35, 254. 261. Ju- stin 20, 4.
9 oben S. 80.
13 *
ſeiner Thaͤtigkeit erſtens als eine Anlage ſeines Fami- liengottes Apollon 1, zweitens als “die Stadt der Geſunden”, was es durch Klima, Gymnaſtik und rei- nere Sitten war, als wenigſtens die Nachbarſtaͤdte, Tarent und Sybaris, damals kannten. Die Regie- rung der Stadt war, als der Philoſoph auftrat, in den Haͤnden eines Rathes von Tauſend, welcher ein Synedrion bildete 2; dieſem vorzuſtehn, als Prytanis wahrſcheinlich 3, ſollen die Krotoniaten ſelbſt den Py- thagoras gebeten haben 4. Einen ſolchen Rath von Tauſend fanden wir ſchon oben in Akragas zur Zeit des Empedokles; dieſelbe Zahl verwaltete, nach dem Cenſus gewaͤhlt, in Rhegion den ganzen Staat 5. Hiernach koͤnnen wir annehmen, daß auch die Tauſend von Kroton die Reichſten waren: was indeß in Staͤd- ten, deren Macht auf Landbeſitz beruht, ehe Revolu- tionen die Verhaͤltniſſe verwirrt, im Ganzen zugleich die adligen Familien zu ſein pflegen. Sie konnten zu Kroton in den meiſten Angelegenheiten ohne Volksver- ſammlung entſcheiden 6, und beſaßen auch richterliche Gewalt 7. Der von Pythagoras gegruͤndete Rath da- gegen, der nicht timokratiſcher, ſondern rein ariſtokra- tiſcher Art geweſen zu ſein ſcheint, enthielt nur drei- hundert Mitglieder 8, eine in aͤhnlichen Verhaͤltniſſen oͤfter vorkommende Zahl 9; an ſeiner Spitze ſtand Py- thagoras ſelbſt. Es iſt eine der groͤßten Erſcheinungen in der Geſchichte des oͤffentlichen Lebens der Hellenen,
1 Bd. 2. S. 263.
2 Jambl. Pyth. 9, 45. und Di- kaͤarch bei Porphyr. 18. der die Mitglieder γέϱοντας nennt. Vie- leicht iſt die σὐγχλητος bei Diod. 12, 9. daſſelbe.
3 S. oben S. 137, 1.
4 Valer. Max. 8, 15. ext. 1.
5 Herakl. Pont. 25.
6 Jamblich 35, 260.
7 S. 27, 126.
8 Diog. L. 8, 3. vgl. Apollon. bei Jamblich. 35, 254. 261. Ju- ſtin 20, 4.
9 oben S. 80.
13 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0185"n="179"/>ſeiner Thaͤtigkeit erſtens als eine Anlage ſeines Fami-<lb/>
liengottes Apollon <noteplace="foot"n="1">Bd. 2. S. 263.</note>, zweitens als “die Stadt der<lb/>
Geſunden”, was es durch Klima, Gymnaſtik und rei-<lb/>
nere Sitten war, als wenigſtens die Nachbarſtaͤdte,<lb/>
Tarent und Sybaris, damals kannten. Die Regie-<lb/>
rung der Stadt war, als der Philoſoph auftrat, in<lb/>
den Haͤnden eines Rathes von Tauſend, welcher ein<lb/>
Synedrion bildete <noteplace="foot"n="2">Jambl. Pyth. 9, 45. und Di-<lb/>
kaͤarch bei Porphyr. 18. der die Mitglieder γέϱοντας nennt. Vie-<lb/>
leicht iſt die σὐγχλητος bei Diod. 12, 9. daſſelbe.</note>; dieſem vorzuſtehn, als Prytanis<lb/>
wahrſcheinlich <noteplace="foot"n="3">S. oben<lb/>
S. 137, 1.</note>, ſollen die Krotoniaten ſelbſt den Py-<lb/>
thagoras gebeten haben <noteplace="foot"n="4">Valer. Max. 8, 15. <hirendition="#aq">ext.</hi> 1.</note>. Einen ſolchen Rath von<lb/>
Tauſend fanden wir ſchon oben in Akragas zur Zeit<lb/>
des Empedokles; dieſelbe Zahl verwaltete, <hirendition="#g">nach dem<lb/>
Cenſus gewaͤhlt</hi>, in Rhegion den ganzen Staat <noteplace="foot"n="5">Herakl.<lb/>
Pont. 25.</note>.<lb/>
Hiernach koͤnnen wir annehmen, daß auch die Tauſend<lb/>
von Kroton die Reichſten waren: was indeß in Staͤd-<lb/>
ten, deren Macht auf Landbeſitz beruht, ehe Revolu-<lb/>
tionen die Verhaͤltniſſe verwirrt, im Ganzen zugleich<lb/>
die adligen Familien zu ſein pflegen. Sie konnten zu<lb/>
Kroton in den meiſten Angelegenheiten ohne Volksver-<lb/>ſammlung entſcheiden <noteplace="foot"n="6">Jamblich 35, 260.</note>, und beſaßen auch richterliche<lb/>
Gewalt <noteplace="foot"n="7">S. 27, 126.</note>. Der von Pythagoras gegruͤndete Rath da-<lb/>
gegen, der nicht timokratiſcher, ſondern rein ariſtokra-<lb/>
tiſcher Art geweſen zu ſein ſcheint, enthielt nur drei-<lb/>
hundert Mitglieder <noteplace="foot"n="8">Diog. L. 8, 3. vgl. Apollon. bei Jamblich. 35, 254. 261. Ju-<lb/>ſtin 20, 4.</note>, eine in aͤhnlichen Verhaͤltniſſen<lb/>
oͤfter vorkommende Zahl <noteplace="foot"n="9">oben S. 80.</note>; an ſeiner Spitze ſtand Py-<lb/>
thagoras ſelbſt. Es iſt eine der groͤßten Erſcheinungen<lb/>
in der Geſchichte des oͤffentlichen Lebens der Hellenen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[179/0185]
ſeiner Thaͤtigkeit erſtens als eine Anlage ſeines Fami-
liengottes Apollon 1, zweitens als “die Stadt der
Geſunden”, was es durch Klima, Gymnaſtik und rei-
nere Sitten war, als wenigſtens die Nachbarſtaͤdte,
Tarent und Sybaris, damals kannten. Die Regie-
rung der Stadt war, als der Philoſoph auftrat, in
den Haͤnden eines Rathes von Tauſend, welcher ein
Synedrion bildete 2; dieſem vorzuſtehn, als Prytanis
wahrſcheinlich 3, ſollen die Krotoniaten ſelbſt den Py-
thagoras gebeten haben 4. Einen ſolchen Rath von
Tauſend fanden wir ſchon oben in Akragas zur Zeit
des Empedokles; dieſelbe Zahl verwaltete, nach dem
Cenſus gewaͤhlt, in Rhegion den ganzen Staat 5.
Hiernach koͤnnen wir annehmen, daß auch die Tauſend
von Kroton die Reichſten waren: was indeß in Staͤd-
ten, deren Macht auf Landbeſitz beruht, ehe Revolu-
tionen die Verhaͤltniſſe verwirrt, im Ganzen zugleich
die adligen Familien zu ſein pflegen. Sie konnten zu
Kroton in den meiſten Angelegenheiten ohne Volksver-
ſammlung entſcheiden 6, und beſaßen auch richterliche
Gewalt 7. Der von Pythagoras gegruͤndete Rath da-
gegen, der nicht timokratiſcher, ſondern rein ariſtokra-
tiſcher Art geweſen zu ſein ſcheint, enthielt nur drei-
hundert Mitglieder 8, eine in aͤhnlichen Verhaͤltniſſen
oͤfter vorkommende Zahl 9; an ſeiner Spitze ſtand Py-
thagoras ſelbſt. Es iſt eine der groͤßten Erſcheinungen
in der Geſchichte des oͤffentlichen Lebens der Hellenen,
1 Bd. 2. S. 263.
2 Jambl. Pyth. 9, 45. und Di-
kaͤarch bei Porphyr. 18. der die Mitglieder γέϱοντας nennt. Vie-
leicht iſt die σὐγχλητος bei Diod. 12, 9. daſſelbe.
3 S. oben
S. 137, 1.
4 Valer. Max. 8, 15. ext. 1.
5 Herakl.
Pont. 25.
6 Jamblich 35, 260.
7 S. 27, 126.
8 Diog. L. 8, 3. vgl. Apollon. bei Jamblich. 35, 254. 261. Ju-
ſtin 20, 4.
9 oben S. 80.
13 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/185>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.