Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte die höchste Sittenaufsicht. Das Amt war lebens-
länglich, und keine Verpflichtung zur Rechenschaft 1.
Die Mitglieder hießen amnemones; aphester der Vor-
steher, der einen jeden Geronten um seine Meinung
befragte. Dabei war aber aus jeder Familie nur Ei-
ner zum Senat und den öffentlichen Aemtern wahlfä-
hig; jüngere Brüder waren ausgeschlossen. Dies er-
regte Zwietracht unter den Familiengliedern selbst; die
Zurückgesetzten traten auf die Seite des Volks, und
die Oligarchie wurde gestürzt 2. Es geschah dies ver-
muthlich wenige Zeit vor Aristoteles; der Philosoph
Eudoxos und ein wenig bekannter Archias werden als
Gesetzgeber der Knidier genannt 3.

Auf der Spartiatischen Insel Melos finden wir
nichts bemerkenswerth, als daß die Vollmacht der Ma-
gistrate wenigstens größer als in Athen zu sein pflegte 4.
Von Thera's alter Verfassung und den Ephoren da-
selbst ist schon oben das nöthige bemerkt 5.

13.

Auch die Umwandlungen der Kyrenäischen
Verfassung sind schon bei den Periöken angedeutet wor-
den. Anfänglich mag die Verfassung der Spartiati-
schen ziemlich analog gewesen sein. Hernach kamen die
alten Rechte der ursprünglichen Colonisten mit den An-
sprüchen der hinzugekommenen in mannigfachen Streit,
und zugleich gewannen die Könige eine verfassungswi-
drige und fast tyrannische Macht. Es scheint, daß sie
besonders durch Bekanntschaft und Verschwägerung mit
Aegyptens Herren auf den Gedanken gebracht wurden,
das althellenische Königthum in orientalische Despotie
zu verwandeln. Daher mußte unter Battos III. der

1 Alles dies steht in Plut. Qu. Gr. 4.
2 Aristot. 5,
5, 3. 11.
3 Jener von Hermipp bei Diog. L. 8, 88. u. Plut.
g. Kolotes 32. p. 194 H. Dieser v. Theodoret Graec. aff. 9, 16.
4 Thuk. 5, 84.
5 S. 61, 2. u. 112.

hatte die hoͤchſte Sittenaufſicht. Das Amt war lebens-
laͤnglich, und keine Verpflichtung zur Rechenſchaft 1.
Die Mitglieder hießen ἀμνήμονες; ἀφεστὴρ der Vor-
ſteher, der einen jeden Geronten um ſeine Meinung
befragte. Dabei war aber aus jeder Familie nur Ei-
ner zum Senat und den oͤffentlichen Aemtern wahlfaͤ-
hig; juͤngere Bruͤder waren ausgeſchloſſen. Dies er-
regte Zwietracht unter den Familiengliedern ſelbſt; die
Zuruͤckgeſetzten traten auf die Seite des Volks, und
die Oligarchie wurde geſtuͤrzt 2. Es geſchah dies ver-
muthlich wenige Zeit vor Ariſtoteles; der Philoſoph
Eudoxos und ein wenig bekannter Archias werden als
Geſetzgeber der Knidier genannt 3.

Auf der Spartiatiſchen Inſel Melos finden wir
nichts bemerkenswerth, als daß die Vollmacht der Ma-
giſtrate wenigſtens groͤßer als in Athen zu ſein pflegte 4.
Von Thera’s alter Verfaſſung und den Ephoren da-
ſelbſt iſt ſchon oben das noͤthige bemerkt 5.

13.

Auch die Umwandlungen der Kyrenaͤiſchen
Verfaſſung ſind ſchon bei den Perioͤken angedeutet wor-
den. Anfaͤnglich mag die Verfaſſung der Spartiati-
ſchen ziemlich analog geweſen ſein. Hernach kamen die
alten Rechte der urſpruͤnglichen Coloniſten mit den An-
ſpruͤchen der hinzugekommenen in mannigfachen Streit,
und zugleich gewannen die Koͤnige eine verfaſſungswi-
drige und faſt tyranniſche Macht. Es ſcheint, daß ſie
beſonders durch Bekanntſchaft und Verſchwaͤgerung mit
Aegyptens Herren auf den Gedanken gebracht wurden,
das althelleniſche Koͤnigthum in orientaliſche Deſpotie
zu verwandeln. Daher mußte unter Battos III. der

1 Alles dies ſteht in Plut. Qu. Gr. 4.
2 Ariſtot. 5,
5, 3. 11.
3 Jener von Hermipp bei Diog. L. 8, 88. u. Plut.
g. Kolotes 32. p. 194 H. Dieſer v. Theodoret Graec. aff. 9, 16.
4 Thuk. 5, 84.
5 S. 61, 2. u. 112.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0179" n="173"/>
hatte die ho&#x0364;ch&#x017F;te Sittenauf&#x017F;icht. Das Amt war lebens-<lb/>
la&#x0364;nglich, und keine Verpflichtung zur Rechen&#x017F;chaft <note place="foot" n="1">Alles dies &#x017F;teht in Plut. <hi rendition="#aq">Qu. Gr.</hi> 4.</note>.<lb/>
Die Mitglieder hießen &#x1F00;&#x03BC;&#x03BD;&#x03AE;&#x03BC;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2;; &#x1F00;&#x03C6;&#x03B5;&#x03C3;&#x03C4;&#x1F74;&#x03C1; der Vor-<lb/>
&#x017F;teher, der einen jeden Geronten um &#x017F;eine Meinung<lb/>
befragte. Dabei war aber aus jeder Familie nur Ei-<lb/>
ner zum Senat und den o&#x0364;ffentlichen Aemtern wahlfa&#x0364;-<lb/>
hig; ju&#x0364;ngere Bru&#x0364;der waren ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Dies er-<lb/>
regte Zwietracht unter den Familiengliedern &#x017F;elb&#x017F;t; die<lb/>
Zuru&#x0364;ckge&#x017F;etzten traten auf die Seite des Volks, und<lb/>
die Oligarchie wurde ge&#x017F;tu&#x0364;rzt <note place="foot" n="2">Ari&#x017F;tot. 5,<lb/>
5, 3. 11.</note>. Es ge&#x017F;chah dies ver-<lb/>
muthlich wenige Zeit vor Ari&#x017F;toteles; der Philo&#x017F;oph<lb/>
Eudoxos und ein wenig bekannter Archias werden als<lb/>
Ge&#x017F;etzgeber der Knidier genannt <note place="foot" n="3">Jener von Hermipp bei Diog. L. 8, 88. u. Plut.<lb/>
g. Kolotes 32. <hi rendition="#aq">p.</hi> 194 H. Die&#x017F;er v. Theodoret <hi rendition="#aq">Graec. aff.</hi> 9, 16.</note>.</p><lb/>
            <p>Auf der Spartiati&#x017F;chen In&#x017F;el <hi rendition="#g">Melos</hi> finden wir<lb/>
nichts bemerkenswerth, als daß die Vollmacht der Ma-<lb/>
gi&#x017F;trate wenig&#x017F;tens gro&#x0364;ßer als in Athen zu &#x017F;ein pflegte <note place="foot" n="4">Thuk. 5, 84.</note>.<lb/>
Von <hi rendition="#g">Thera&#x2019;s</hi> alter Verfa&#x017F;&#x017F;ung und den Ephoren da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;chon oben das no&#x0364;thige bemerkt <note place="foot" n="5">S. 61, 2. u. 112.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>13.</head><lb/>
            <p>Auch die Umwandlungen der <hi rendition="#g">Kyrena&#x0364;i&#x017F;chen</hi><lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ind &#x017F;chon bei den Perio&#x0364;ken angedeutet wor-<lb/>
den. Anfa&#x0364;nglich mag die Verfa&#x017F;&#x017F;ung der Spartiati-<lb/>
&#x017F;chen ziemlich analog gewe&#x017F;en &#x017F;ein. Hernach kamen die<lb/>
alten Rechte der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Coloni&#x017F;ten mit den An-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;chen der hinzugekommenen in mannigfachen Streit,<lb/>
und zugleich gewannen die Ko&#x0364;nige eine verfa&#x017F;&#x017F;ungswi-<lb/>
drige und fa&#x017F;t tyranni&#x017F;che Macht. Es &#x017F;cheint, daß &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;onders durch Bekannt&#x017F;chaft und Ver&#x017F;chwa&#x0364;gerung mit<lb/>
Aegyptens Herren auf den Gedanken gebracht wurden,<lb/>
das althelleni&#x017F;che Ko&#x0364;nigthum in orientali&#x017F;che De&#x017F;potie<lb/>
zu verwandeln. Daher mußte unter Battos <hi rendition="#aq">III.</hi> der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0179] hatte die hoͤchſte Sittenaufſicht. Das Amt war lebens- laͤnglich, und keine Verpflichtung zur Rechenſchaft 1. Die Mitglieder hießen ἀμνήμονες; ἀφεστὴρ der Vor- ſteher, der einen jeden Geronten um ſeine Meinung befragte. Dabei war aber aus jeder Familie nur Ei- ner zum Senat und den oͤffentlichen Aemtern wahlfaͤ- hig; juͤngere Bruͤder waren ausgeſchloſſen. Dies er- regte Zwietracht unter den Familiengliedern ſelbſt; die Zuruͤckgeſetzten traten auf die Seite des Volks, und die Oligarchie wurde geſtuͤrzt 2. Es geſchah dies ver- muthlich wenige Zeit vor Ariſtoteles; der Philoſoph Eudoxos und ein wenig bekannter Archias werden als Geſetzgeber der Knidier genannt 3. Auf der Spartiatiſchen Inſel Melos finden wir nichts bemerkenswerth, als daß die Vollmacht der Ma- giſtrate wenigſtens groͤßer als in Athen zu ſein pflegte 4. Von Thera’s alter Verfaſſung und den Ephoren da- ſelbſt iſt ſchon oben das noͤthige bemerkt 5. 13. Auch die Umwandlungen der Kyrenaͤiſchen Verfaſſung ſind ſchon bei den Perioͤken angedeutet wor- den. Anfaͤnglich mag die Verfaſſung der Spartiati- ſchen ziemlich analog geweſen ſein. Hernach kamen die alten Rechte der urſpruͤnglichen Coloniſten mit den An- ſpruͤchen der hinzugekommenen in mannigfachen Streit, und zugleich gewannen die Koͤnige eine verfaſſungswi- drige und faſt tyranniſche Macht. Es ſcheint, daß ſie beſonders durch Bekanntſchaft und Verſchwaͤgerung mit Aegyptens Herren auf den Gedanken gebracht wurden, das althelleniſche Koͤnigthum in orientaliſche Deſpotie zu verwandeln. Daher mußte unter Battos III. der 1 Alles dies ſteht in Plut. Qu. Gr. 4. 2 Ariſtot. 5, 5, 3. 11. 3 Jener von Hermipp bei Diog. L. 8, 88. u. Plut. g. Kolotes 32. p. 194 H. Dieſer v. Theodoret Graec. aff. 9, 16. 4 Thuk. 5, 84. 5 S. 61, 2. u. 112.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/179
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/179>, abgerufen am 22.12.2024.