land erobert 1; auf Eryx aber lebte Dienst und Name der Phönikischen Aphrodite (Astarte) und so wohl auch ihres Sohnes des Melkart.
Unter den Idäischen Daktylen, uralten Dämonen Phrygisch-Kretischer Religion, nannte wenigstens schon der Orphiker Onomakritos 2 umdeutend einen Herakles; auf den auch hie und da im ausgebildeten Mythus Bezug genommen wird 3.
9.
So peremtorisch der Zweck dieser Auseinan- dersetzung und der für dieselbe bestimmte Raum uns zwang die über die ursprünglichen Gränzen hinausge- hende Erweiterung des Herakles-Mythus zu behandeln: so wenig machen die folgenden Sätze über das Wesen und die Grundidee desselben Anspruch auf Allseitigkeit, Ergründung und allgemeine Befriedigung. Doch kön- nen wir uns darauf als ziemlich gesichert beziehn, daß, was in dieser Heldenfabel aus Naturreligionen stammt, erst von außen hinzugetreten ist und nicht den Lebens- kern ausmacht. Dieser ist vielmehr der Grundgedanke aller heroischen Mythologie: ein stolzes Bewußtsein der dem Menschen inwohnenden eigenen Kraft, durch die er sich, nicht durch Vergunst eines milden huldreichen Geschicks, sondern grade durch Mühen, Drangsale und Kämpfe, selbst den Göttern gleichzustellen vermag. Dem Herakles wird das höchste Maas menschlicher Kraft im Wagen und Ertragen gegeben, und dabei ein so edles Streben als es jene Zeit kannte; aber er wird
1 Herod. 5, 43. Paus. 3, 16, 4.
2 bei Paus. 8, 31, 1.
3 Die Uebertragung des Idäischen Daktylen nach Olympia bezeugt Paus. 6, 21, 5. vgl. 23, 1., der den Phönikischen damit verwech- selt, 9, 27, 5. Vielleicht ist auch der die Kinder ins Feuer wer- fende der Idäos, weil ein S. desselben Klymenos heißt (Pherek. Sch. Pind. J. 4, 104.), und Klymenos auch Nachkomme des Her. Idäos, Paus. 6, 21, 5.
land erobert 1; auf Eryx aber lebte Dienſt und Name der Phoͤnikiſchen Aphrodite (Aſtarte) und ſo wohl auch ihres Sohnes des Melkart.
Unter den Idaͤiſchen Daktylen, uralten Daͤmonen Phrygiſch-Kretiſcher Religion, nannte wenigſtens ſchon der Orphiker Onomakritos 2 umdeutend einen Herakles; auf den auch hie und da im ausgebildeten Mythus Bezug genommen wird 3.
9.
So peremtoriſch der Zweck dieſer Auseinan- derſetzung und der fuͤr dieſelbe beſtimmte Raum uns zwang die uͤber die urſpruͤnglichen Graͤnzen hinausge- hende Erweiterung des Herakles-Mythus zu behandeln: ſo wenig machen die folgenden Saͤtze uͤber das Weſen und die Grundidee deſſelben Anſpruch auf Allſeitigkeit, Ergruͤndung und allgemeine Befriedigung. Doch koͤn- nen wir uns darauf als ziemlich geſichert beziehn, daß, was in dieſer Heldenfabel aus Naturreligionen ſtammt, erſt von außen hinzugetreten iſt und nicht den Lebens- kern ausmacht. Dieſer iſt vielmehr der Grundgedanke aller heroiſchen Mythologie: ein ſtolzes Bewußtſein der dem Menſchen inwohnenden eigenen Kraft, durch die er ſich, nicht durch Vergunſt eines milden huldreichen Geſchicks, ſondern grade durch Muͤhen, Drangſale und Kaͤmpfe, ſelbſt den Goͤttern gleichzuſtellen vermag. Dem Herakles wird das hoͤchſte Maas menſchlicher Kraft im Wagen und Ertragen gegeben, und dabei ein ſo edles Streben als es jene Zeit kannte; aber er wird
1 Herod. 5, 43. Pauſ. 3, 16, 4.
2 bei Pauſ. 8, 31, 1.
3 Die Uebertragung des Idaͤiſchen Daktylen nach Olympia bezeugt Pauſ. 6, 21, 5. vgl. 23, 1., der den Phoͤnikiſchen damit verwech- ſelt, 9, 27, 5. Vielleicht iſt auch der die Kinder ins Feuer wer- fende der Idaͤos, weil ein S. deſſelben Klymenos heißt (Pherek. Sch. Pind. J. 4, 104.), und Klymenos auch Nachkomme des Her. Idaͤos, Pauſ. 6, 21, 5.
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land erobert 1; auf Eryx aber lebte Dienſt und Name
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Phrygiſch-Kretiſcher Religion, nannte wenigſtens ſchon
der Orphiker Onomakritos 2 umdeutend einen Herakles;
auf den auch hie und da im ausgebildeten Mythus
Bezug genommen wird 3.
9.
So peremtoriſch der Zweck dieſer Auseinan-
derſetzung und der fuͤr dieſelbe beſtimmte Raum uns
zwang die uͤber die urſpruͤnglichen Graͤnzen hinausge-
hende Erweiterung des Herakles-Mythus zu behandeln:
ſo wenig machen die folgenden Saͤtze uͤber das Weſen
und die Grundidee deſſelben Anſpruch auf Allſeitigkeit,
Ergruͤndung und allgemeine Befriedigung. Doch koͤn-
nen wir uns darauf als ziemlich geſichert beziehn, daß,
was in dieſer Heldenfabel aus Naturreligionen ſtammt,
erſt von außen hinzugetreten iſt und nicht den Lebens-
kern ausmacht. Dieſer iſt vielmehr der Grundgedanke
aller heroiſchen Mythologie: ein ſtolzes Bewußtſein der
dem Menſchen inwohnenden eigenen Kraft, durch die
er ſich, nicht durch Vergunſt eines milden huldreichen
Geſchicks, ſondern grade durch Muͤhen, Drangſale und
Kaͤmpfe, ſelbſt den Goͤttern gleichzuſtellen vermag.
Dem Herakles wird das hoͤchſte Maas menſchlicher
Kraft im Wagen und Ertragen gegeben, und dabei ein
ſo edles Streben als es jene Zeit kannte; aber er wird
1 Herod. 5, 43. Pauſ. 3, 16, 4.
2 bei Pauſ. 8, 31, 1.
3 Die Uebertragung des Idaͤiſchen Daktylen nach Olympia bezeugt
Pauſ. 6, 21, 5. vgl. 23, 1., der den Phoͤnikiſchen damit verwech-
ſelt, 9, 27, 5. Vielleicht iſt auch der die Kinder ins Feuer wer-
fende der Idaͤos, weil ein S. deſſelben Klymenos heißt (Pherek.
Sch. Pind. J. 4, 104.), und Klymenos auch Nachkomme des Her.
Idaͤos, Pauſ. 6, 21, 5.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/484>, abgerufen am 28.02.2025.
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