schaftlicher Versuch des Vaters der Geschichte, ver- schiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei- hen und zn ordnen; auch ist nicht schwer, die dieser Verbindung zum Grunde liegenden Schlüsse aufzufin- den und zu prüfen. Die Dorier sind die ächten Hel- lenen, sagt Herodot, weil sie damals als splche wirk- lich anerkannt wurden 1. Nun ist aber Hellen Sohn des Deukalion, welcher in Phthia herrschte, und das alte Hellas selbst in Phthia; darum -- schließt er -- wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieser Land- schaft. Herodot übersah, daß die mythischen Hellenen, ein kleiner Volkstamm in Phthia, ganz andre Helden- sagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier, und im heroischen Mythus sich durchaus keine Spur von naher Verwandtschaft beider zeigt. Dies beseitigt, kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem- pel alter Tradition trägt: Doros habe am Olymp und Ossa gewohnt. Hier also knüpft sich die wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem sie uns in sehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Ursitzen der Dorier an den Akrokeraunien gesprochen hatte. Das Olymposgebirge, die Scheide der Völker, dessen in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh- ner das himmlische Haus nennen, ist auch der Punct, auf welchem die Dorier zuerst in Griechenland auf- treten.
2.
Der Gebirgskessel, welcher später Thessalien hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Ossa, in
1 So nennt sogar Pindar Ol. 8, 30. die Myrmidonen Do- rieus laos, wie ich glaube, nur um sie als Hellenen andern Stäm- men entgegen zu setzen.
ſchaftlicher Verſuch des Vaters der Geſchichte, ver- ſchiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei- hen und zn ordnen; auch iſt nicht ſchwer, die dieſer Verbindung zum Grunde liegenden Schluͤſſe aufzufin- den und zu pruͤfen. Die Dorier ſind die aͤchten Hel- lenen, ſagt Herodot, weil ſie damals als ſplche wirk- lich anerkannt wurden 1. Nun iſt aber Hellen Sohn des Deukalion, welcher in Phthia herrſchte, und das alte Hellas ſelbſt in Phthia; darum — ſchließt er — wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieſer Land- ſchaft. Herodot uͤberſah, daß die mythiſchen Hellenen, ein kleiner Volkſtamm in Phthia, ganz andre Helden- ſagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier, und im heroiſchen Mythus ſich durchaus keine Spur von naher Verwandtſchaft beider zeigt. Dies beſeitigt, kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem- pel alter Tradition traͤgt: Doros habe am Olymp und Oſſa gewohnt. Hier alſo knuͤpft ſich die wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem ſie uns in ſehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Urſitzen der Dorier an den Akrokeraunien geſprochen hatte. Das Olymposgebirge, die Scheide der Voͤlker, deſſen in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh- ner das himmliſche Haus nennen, iſt auch der Punct, auf welchem die Dorier zuerſt in Griechenland auf- treten.
2.
Der Gebirgskeſſel, welcher ſpaͤter Theſſalien hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Oſſa, in
1 So nennt ſogar Pindar Ol. 8, 30. die Myrmidonen Δω- ϱιεὺς λαός, wie ich glaube, nur um ſie als Hellenen andern Staͤm- men entgegen zu ſetzen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0048"n="18"/>ſchaftlicher Verſuch des Vaters der Geſchichte, ver-<lb/>ſchiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei-<lb/>
hen und zn ordnen; auch iſt nicht ſchwer, die dieſer<lb/>
Verbindung zum Grunde liegenden Schluͤſſe aufzufin-<lb/>
den und zu pruͤfen. Die Dorier ſind die aͤchten Hel-<lb/>
lenen, ſagt Herodot, weil ſie damals als ſplche wirk-<lb/>
lich anerkannt wurden <noteplace="foot"n="1">So nennt ſogar Pindar Ol. 8, 30. die Myrmidonen Δω-<lb/>ϱιεὺςλαός, wie ich glaube, nur um ſie als Hellenen andern Staͤm-<lb/>
men entgegen zu ſetzen.</note>. Nun iſt aber Hellen Sohn<lb/>
des Deukalion, welcher in Phthia herrſchte, und das<lb/>
alte Hellas ſelbſt in Phthia; darum —ſchließt er —<lb/>
wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieſer Land-<lb/>ſchaft. Herodot uͤberſah, daß die mythiſchen Hellenen,<lb/>
ein kleiner Volkſtamm in Phthia, ganz andre Helden-<lb/>ſagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier,<lb/>
und im heroiſchen Mythus ſich durchaus keine Spur<lb/>
von naher Verwandtſchaft beider zeigt. Dies beſeitigt,<lb/>
kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem-<lb/>
pel alter Tradition traͤgt: <hirendition="#g">Doros habe am Olymp<lb/>
und Oſſa gewohnt</hi>. Hier alſo knuͤpft ſich die<lb/>
wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem ſie uns in<lb/>ſehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Urſitzen<lb/>
der Dorier an den Akrokeraunien geſprochen hatte.<lb/>
Das Olymposgebirge, die Scheide der Voͤlker, deſſen<lb/>
in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh-<lb/>
ner das himmliſche Haus nennen, iſt auch der Punct,<lb/>
auf welchem die Dorier zuerſt in Griechenland auf-<lb/>
treten.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>2.</head><lb/><p>Der Gebirgskeſſel, welcher ſpaͤter Theſſalien<lb/>
hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag<lb/>
vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Oſſa, in<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[18/0048]
ſchaftlicher Verſuch des Vaters der Geſchichte, ver-
ſchiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei-
hen und zn ordnen; auch iſt nicht ſchwer, die dieſer
Verbindung zum Grunde liegenden Schluͤſſe aufzufin-
den und zu pruͤfen. Die Dorier ſind die aͤchten Hel-
lenen, ſagt Herodot, weil ſie damals als ſplche wirk-
lich anerkannt wurden 1. Nun iſt aber Hellen Sohn
des Deukalion, welcher in Phthia herrſchte, und das
alte Hellas ſelbſt in Phthia; darum — ſchließt er —
wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieſer Land-
ſchaft. Herodot uͤberſah, daß die mythiſchen Hellenen,
ein kleiner Volkſtamm in Phthia, ganz andre Helden-
ſagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier,
und im heroiſchen Mythus ſich durchaus keine Spur
von naher Verwandtſchaft beider zeigt. Dies beſeitigt,
kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem-
pel alter Tradition traͤgt: Doros habe am Olymp
und Oſſa gewohnt. Hier alſo knuͤpft ſich die
wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem ſie uns in
ſehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Urſitzen
der Dorier an den Akrokeraunien geſprochen hatte.
Das Olymposgebirge, die Scheide der Voͤlker, deſſen
in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh-
ner das himmliſche Haus nennen, iſt auch der Punct,
auf welchem die Dorier zuerſt in Griechenland auf-
treten.
2.
Der Gebirgskeſſel, welcher ſpaͤter Theſſalien
hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag
vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Oſſa, in
1 So nennt ſogar Pindar Ol. 8, 30. die Myrmidonen Δω-
ϱιεὺς λαός, wie ich glaube, nur um ſie als Hellenen andern Staͤm-
men entgegen zu ſetzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/48>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.