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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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die Hesiodische Sage zusammen, daß die Gottheit Hera
selbst den Löwen erzogen: was sie dort zwar nur als
Feindin des Herakles, früher aber wohl in einem an-
dern Sinne that. -- Hiedurch zeigt sich allerdings ein
symbolisches Colorit der Sage, und sie nähert sich im
Charakter der von Perseus und der Gorgo u. s. w.:
obgleich wir freilich eine vollständige Deutung derselben
in diesem Sinne kaum mehr versuchen können. -- Auch
der Kampf mit der Lernäischen Hyder möchte auf ähn-
liche Weise zu fassen sein; Herakles braucht dabei nach
alten Kunstdarstellungen 1 die Harpe, mit der Perseus
die Gorgo enthauptete. -- Wie man aber diese Kämpfe
auch fasse, ob symbolisch oder als Erinnerungen aus
einer Urzeit, in der Griechenland von Lindwürmern
und wilden Bestien zu reinigen des Helden erstes Ge-
schäft war, so ist doch klar, daß sie eben so wenig
hineinpassen in ihre angebliche Zeit, kurz vor den Pe-
lopiden, als in den Charakter der übrigen Fabel. Man
beachte nur das Costüm. Es ist ausgemacht, daß
der Herakles der ältern Dichter ein entweder mit Speer
und Schild, wie im Hesiodischen Gedichte, oder mit
Bogen und Wehrgehenk, wie in der Homerischen Ne-
kyia 2, ausgerüsteter Held war 3; die letztere Dar-
stellung kam besonders in den -- verhältnißmäßig spä-

Martyr. ed. Col.), denn so ist für Erodotou zu schreiben, ferner Eu-
phorion Fr. 47. p. 111 Meinecke. Zu den dort gesammelten Stel-
len füge noch Plut. de facie Lunae 24. de fluv. 18, 4. Steph.
B. Apesas. vgl. Hygin fb. 30.
1 Vgl. das alte Vasengemälde bei Millin 2. pl. 75. mit der
Beschreibung der Delphischen Tempelmetopen bei Eurip. Jon 196.
Mit Pfeilen tödtet er sie indeß auf dem Kasten des Kypselos.
2 11, 600. vgl. 8, 224. Il. 5, 393.
3 Heinrich Proll. in
Scut. p.
69. Dissen Expl. Pind. I. 5. p. 525. Buttmann zu
Soph. Philokt. 726. Auf dem angef. K. des Kyps. sah man Her.
mit Pfeilen u. auch mit dem Schwerdt. aikhmatas in Archilochos melos.

die Heſiodiſche Sage zuſammen, daß die Gottheit Hera
ſelbſt den Loͤwen erzogen: was ſie dort zwar nur als
Feindin des Herakles, fruͤher aber wohl in einem an-
dern Sinne that. — Hiedurch zeigt ſich allerdings ein
ſymboliſches Colorit der Sage, und ſie naͤhert ſich im
Charakter der von Perſeus und der Gorgo u. ſ. w.:
obgleich wir freilich eine vollſtaͤndige Deutung derſelben
in dieſem Sinne kaum mehr verſuchen koͤnnen. — Auch
der Kampf mit der Lernaͤiſchen Hyder moͤchte auf aͤhn-
liche Weiſe zu faſſen ſein; Herakles braucht dabei nach
alten Kunſtdarſtellungen 1 die Harpe, mit der Perſeus
die Gorgo enthauptete. — Wie man aber dieſe Kaͤmpfe
auch faſſe, ob ſymboliſch oder als Erinnerungen aus
einer Urzeit, in der Griechenland von Lindwuͤrmern
und wilden Beſtien zu reinigen des Helden erſtes Ge-
ſchaͤft war, ſo iſt doch klar, daß ſie eben ſo wenig
hineinpaſſen in ihre angebliche Zeit, kurz vor den Pe-
lopiden, als in den Charakter der uͤbrigen Fabel. Man
beachte nur das Coſtuͤm. Es iſt ausgemacht, daß
der Herakles der aͤltern Dichter ein entweder mit Speer
und Schild, wie im Heſiodiſchen Gedichte, oder mit
Bogen und Wehrgehenk, wie in der Homeriſchen Ne-
kyia 2, ausgeruͤſteter Held war 3; die letztere Dar-
ſtellung kam beſonders in den — verhaͤltnißmaͤßig ſpaͤ-

Martyr. ed. Col.), denn ſo iſt fuͤr Ἠϱοδότου zu ſchreiben, ferner Eu-
phorion Fr. 47. p. 111 Meinecke. Zu den dort geſammelten Stel-
len fuͤge noch Plut. de facie Lunae 24. de fluv. 18, 4. Steph.
B. Ἀπέσας. vgl. Hygin fb. 30.
1 Vgl. das alte Vaſengemaͤlde bei Millin 2. pl. 75. mit der
Beſchreibung der Delphiſchen Tempelmetopen bei Eurip. Jon 196.
Mit Pfeilen toͤdtet er ſie indeß auf dem Kaſten des Kypſelos.
2 11, 600. vgl. 8, 224. Il. 5, 393.
3 Heinrich Proll. in
Scut. p.
69. Diſſen Expl. Pind. I. 5. p. 525. Buttmann zu
Soph. Philokt. 726. Auf dem angef. K. des Kypſ. ſah man Her.
mit Pfeilen u. auch mit dem Schwerdt. αἰχματὰς in Archilochos μέλος.
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[443/0473] die Heſiodiſche Sage zuſammen, daß die Gottheit Hera ſelbſt den Loͤwen erzogen: was ſie dort zwar nur als Feindin des Herakles, fruͤher aber wohl in einem an- dern Sinne that. — Hiedurch zeigt ſich allerdings ein ſymboliſches Colorit der Sage, und ſie naͤhert ſich im Charakter der von Perſeus und der Gorgo u. ſ. w.: obgleich wir freilich eine vollſtaͤndige Deutung derſelben in dieſem Sinne kaum mehr verſuchen koͤnnen. — Auch der Kampf mit der Lernaͤiſchen Hyder moͤchte auf aͤhn- liche Weiſe zu faſſen ſein; Herakles braucht dabei nach alten Kunſtdarſtellungen 1 die Harpe, mit der Perſeus die Gorgo enthauptete. — Wie man aber dieſe Kaͤmpfe auch faſſe, ob ſymboliſch oder als Erinnerungen aus einer Urzeit, in der Griechenland von Lindwuͤrmern und wilden Beſtien zu reinigen des Helden erſtes Ge- ſchaͤft war, ſo iſt doch klar, daß ſie eben ſo wenig hineinpaſſen in ihre angebliche Zeit, kurz vor den Pe- lopiden, als in den Charakter der uͤbrigen Fabel. Man beachte nur das Coſtuͤm. Es iſt ausgemacht, daß der Herakles der aͤltern Dichter ein entweder mit Speer und Schild, wie im Heſiodiſchen Gedichte, oder mit Bogen und Wehrgehenk, wie in der Homeriſchen Ne- kyia 2, ausgeruͤſteter Held war 3; die letztere Dar- ſtellung kam beſonders in den — verhaͤltnißmaͤßig ſpaͤ- 3 1 Vgl. das alte Vaſengemaͤlde bei Millin 2. pl. 75. mit der Beſchreibung der Delphiſchen Tempelmetopen bei Eurip. Jon 196. Mit Pfeilen toͤdtet er ſie indeß auf dem Kaſten des Kypſelos. 2 11, 600. vgl. 8, 224. Il. 5, 393. 3 Heinrich Proll. in Scut. p. 69. Diſſen Expl. Pind. I. 5. p. 525. Buttmann zu Soph. Philokt. 726. Auf dem angef. K. des Kypſ. ſah man Her. mit Pfeilen u. auch mit dem Schwerdt. αἰχματὰς in Archilochos μέλος. 3 Martyr. ed. Col.), denn ſo iſt fuͤr Ἠϱοδότου zu ſchreiben, ferner Eu- phorion Fr. 47. p. 111 Meinecke. Zu den dort geſammelten Stel- len fuͤge noch Plut. de facie Lunae 24. de fluv. 18, 4. Steph. B. Ἀπέσας. vgl. Hygin fb. 30.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/473>, abgerufen am 09.11.2024.