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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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sche Heraklee folgen ließen. Aber davon weiß z. B.
Homer nichts, welcher die Dienstbarkeit des Herakles
aus dem übereilten Versprechen des Zeus vor der Ge-
burt desselben ableitet, daß der Erstgeborene Herr des
Nachgeborenen sein solle. Aus einer genauern Ueberle-
gung ergiebt sich auch leicht die Inconsequenz, mit der
ein Verhältniß, das nur in Argivischen Mythen be-
gründet sein kann, aus einem in Theben begangenen
Verbrechen abgeleitet wird. Merkwürdiger Weise hat
sich aber doch in Apollodors abgerissener Erzählung
eine Spur erhalten, wie lange die Knechtschaft in der
Böotischen Sage dauerte, nemlich acht Jahre und einen
Monat 1. Doch wahrlich keine zufällig entstandene
Zahl. Sondern es soll damit wieder die Ennaeteris
bezeichnet werden, welche acht Jahre und drei Schalt-
monate faßt, wovon hier nur der letzte Schlußmonat
erwähnt wird, weil die beiden in der Mitte eingescho-
benen minder in die Augen fallen. Also einen aidios
eniautos dient Herakles, wie Apollon zu Pherä 2, was
die Thebäer auch auf ihren Kadmos übertrugen -- der-
selbe Held, der am Daphnephorienfeste, welches ganz
in demselben Cyklus wiederkehrt, den Aufzug angeführt
hatte. Ich schließe diese Betrachtung mit vier Versen
aus der Heraklee des Panyasis, die ich mir dem Hel-
den als Trost für den Zwang der Dienstbarkeit zuge-
sprochen denke:

Auch Demeter ertrug's, es ertrug der starke Hephästos,
Poseidaon ertrug's, es ertrug Ferntreffer Apollon
Frohnen ein ewiges Jahr in dem Dienste des irdischen Mannes 3.
Ares selber ertrug es, der trotzige, weil es gebot Zeus.

1 2, 5, 11. vgl. Heyne; nach Herodor (sic scrib.) bei Schol.
Soph. Trach. 257. dient Her. später einen eniauton von drei Jah-
ren; und so auch Apollod. 2, 6, 2. vgl. oben S. 416, 1.
2 S.
oben S. 322.
3 theteusamen eis eniauton, wie zu

ſche Heraklee folgen ließen. Aber davon weiß z. B.
Homer nichts, welcher die Dienſtbarkeit des Herakles
aus dem uͤbereilten Verſprechen des Zeus vor der Ge-
burt deſſelben ableitet, daß der Erſtgeborene Herr des
Nachgeborenen ſein ſolle. Aus einer genauern Ueberle-
gung ergiebt ſich auch leicht die Inconſequenz, mit der
ein Verhaͤltniß, das nur in Argiviſchen Mythen be-
gruͤndet ſein kann, aus einem in Theben begangenen
Verbrechen abgeleitet wird. Merkwuͤrdiger Weiſe hat
ſich aber doch in Apollodors abgeriſſener Erzaͤhlung
eine Spur erhalten, wie lange die Knechtſchaft in der
Boͤotiſchen Sage dauerte, nemlich acht Jahre und einen
Monat 1. Doch wahrlich keine zufaͤllig entſtandene
Zahl. Sondern es ſoll damit wieder die Ennaëteris
bezeichnet werden, welche acht Jahre und drei Schalt-
monate faßt, wovon hier nur der letzte Schlußmonat
erwaͤhnt wird, weil die beiden in der Mitte eingeſcho-
benen minder in die Augen fallen. Alſo einen ἀΐδιος
ἐνιαυτὸς dient Herakles, wie Apollon zu Pheraͤ 2, was
die Thebaͤer auch auf ihren Kadmos uͤbertrugen — der-
ſelbe Held, der am Daphnephorienfeſte, welches ganz
in demſelben Cyklus wiederkehrt, den Aufzug angefuͤhrt
hatte. Ich ſchließe dieſe Betrachtung mit vier Verſen
aus der Heraklee des Panyaſis, die ich mir dem Hel-
den als Troſt fuͤr den Zwang der Dienſtbarkeit zuge-
ſprochen denke:

Auch Demeter ertrug’s, es ertrug der ſtarke Hephaͤſtos,
Poſeidaon ertrug’s, es ertrug Ferntreffer Apollon
Frohnen ein ewiges Jahr in dem Dienſte des irdiſchen Mannes 3.
Ares ſelber ertrug es, der trotzige, weil es gebot Zeus.

1 2, 5, 11. vgl. Heyne; nach Herodor (sic scrib.) bei Schol.
Soph. Trach. 257. dient Her. ſpaͤter einen ἐνιαυτὸν von drei Jah-
ren; und ſo auch Apollod. 2, 6, 2. vgl. oben S. 416, 1.
2 S.
oben S. 322.
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[437/0467] ſche Heraklee folgen ließen. Aber davon weiß z. B. Homer nichts, welcher die Dienſtbarkeit des Herakles aus dem uͤbereilten Verſprechen des Zeus vor der Ge- burt deſſelben ableitet, daß der Erſtgeborene Herr des Nachgeborenen ſein ſolle. Aus einer genauern Ueberle- gung ergiebt ſich auch leicht die Inconſequenz, mit der ein Verhaͤltniß, das nur in Argiviſchen Mythen be- gruͤndet ſein kann, aus einem in Theben begangenen Verbrechen abgeleitet wird. Merkwuͤrdiger Weiſe hat ſich aber doch in Apollodors abgeriſſener Erzaͤhlung eine Spur erhalten, wie lange die Knechtſchaft in der Boͤotiſchen Sage dauerte, nemlich acht Jahre und einen Monat 1. Doch wahrlich keine zufaͤllig entſtandene Zahl. Sondern es ſoll damit wieder die Ennaëteris bezeichnet werden, welche acht Jahre und drei Schalt- monate faßt, wovon hier nur der letzte Schlußmonat erwaͤhnt wird, weil die beiden in der Mitte eingeſcho- benen minder in die Augen fallen. Alſo einen ἀΐδιος ἐνιαυτὸς dient Herakles, wie Apollon zu Pheraͤ 2, was die Thebaͤer auch auf ihren Kadmos uͤbertrugen — der- ſelbe Held, der am Daphnephorienfeſte, welches ganz in demſelben Cyklus wiederkehrt, den Aufzug angefuͤhrt hatte. Ich ſchließe dieſe Betrachtung mit vier Verſen aus der Heraklee des Panyaſis, die ich mir dem Hel- den als Troſt fuͤr den Zwang der Dienſtbarkeit zuge- ſprochen denke: Auch Demeter ertrug’s, es ertrug der ſtarke Hephaͤſtos, Poſeidaon ertrug’s, es ertrug Ferntreffer Apollon Frohnen ein ewiges Jahr in dem Dienſte des irdiſchen Mannes 3. Ares ſelber ertrug es, der trotzige, weil es gebot Zeus. 1 2, 5, 11. vgl. Heyne; nach Herodor (sic scrib.) bei Schol. Soph. Trach. 257. dient Her. ſpaͤter einen ἐνιαυτὸν von drei Jah- ren; und ſo auch Apollod. 2, 6, 2. vgl. oben S. 416, 1. 2 S. oben S. 322. 3 ϑητεύσαμεν εἰς ἐνιαυτόν, wie zu

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/467>, abgerufen am 27.11.2024.