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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Zweifel oft für das Alter von Götterdiensten in einer
Stadt sehr entscheidend. Die uralteinheimischen Göt-
ter und Gründer der Stadt besaßen die Burg als erb-
liches und väterliches Eigenthum; erst später eingebür-
gerte mußten sich in den unten liegenden Gegenden an-
siedeln. Nun wissen wir aber genauer, daß Amphi-
tryons Haus (Erakleos olbia aula nach Pindar)
und das Herakleische Gymnasion vor dem Elektrischen
Thore dem Ismenion gegen über lagen 1: und damit ver-
binden wir die Nachricht des Pherekydes 2 von einer
Ortschaft an eben dem Elektrischen Thore, die die He-
rakliden vor dem Einfalle in den Peloponnes angelegt,
und wo auch Herakles auf dem Markte stand. Was
kann klarer sein, als daß es diese Herakliden waren,
die den Dienst des Heros -- wenigstens zum Theil --
in Theben angepflanzt? Daß aber zugleich in derselben
Gegend das Ismenische Heiligthum des Apollon lag,
ist ein wesentlicher Umstand für die Entwickelung des
Mythus. Dem Tempel des Gottes gegenüber war der
Knabe Herakles erzogen worden; er hatte, nach der
Sage beim Feste des Gottes, als Daphnephoros, dem
Jungfrauenchore den Lorbeer vorausgetragen, und dar-
auf einen Dreifuß in den Tempel geweiht, wie es auch
später allgemeine Sitte war. Diesen Dreifuß sieht
man auf dem bekannten Relief, welches die Argivische
Apotheose des Herakles darstellt 3, mit der Inschrift:

1 Ebenda wurde jährlich den acht Kindern des Her. geopfert.
S. Paus. Pind. J. 3, 79. und Chrysipp bei den Schol. Amphi-
tryons, Jolaos u. Alkmenas Grab und das Gymnasion für die Jo-
laischen oder Herakleischen Wettspiele war vor dem Proetidenthore.
Pind. P. 9, 82. N. 4, 20. Schol. u. Dissen Expl. p. 382., wo
der Gegenstand sehr lichtvoll auseinandergesetzt ist.
2 bei An-
ton. Lib. 33.
3 Marini Ville Alban. p. 150. vgl. Bötti-
gers Amalthea Bd. 1. S. 130.

Zweifel oft fuͤr das Alter von Goͤtterdienſten in einer
Stadt ſehr entſcheidend. Die uralteinheimiſchen Goͤt-
ter und Gruͤnder der Stadt beſaßen die Burg als erb-
liches und vaͤterliches Eigenthum; erſt ſpaͤter eingebuͤr-
gerte mußten ſich in den unten liegenden Gegenden an-
ſiedeln. Nun wiſſen wir aber genauer, daß Amphi-
tryons Haus (Ἡϱακλέος ὀλβία αὐλὰ nach Pindar)
und das Herakleiſche Gymnaſion vor dem Elektriſchen
Thore dem Ismenion gegen uͤber lagen 1: und damit ver-
binden wir die Nachricht des Pherekydes 2 von einer
Ortſchaft an eben dem Elektriſchen Thore, die die He-
rakliden vor dem Einfalle in den Peloponnes angelegt,
und wo auch Herakles auf dem Markte ſtand. Was
kann klarer ſein, als daß es dieſe Herakliden waren,
die den Dienſt des Heros — wenigſtens zum Theil —
in Theben angepflanzt? Daß aber zugleich in derſelben
Gegend das Ismeniſche Heiligthum des Apollon lag,
iſt ein weſentlicher Umſtand fuͤr die Entwickelung des
Mythus. Dem Tempel des Gottes gegenuͤber war der
Knabe Herakles erzogen worden; er hatte, nach der
Sage beim Feſte des Gottes, als Daphnephoros, dem
Jungfrauenchore den Lorbeer vorausgetragen, und dar-
auf einen Dreifuß in den Tempel geweiht, wie es auch
ſpaͤter allgemeine Sitte war. Dieſen Dreifuß ſieht
man auf dem bekannten Relief, welches die Argiviſche
Apotheoſe des Herakles darſtellt 3, mit der Inſchrift:

1 Ebenda wurde jaͤhrlich den acht Kindern des Her. geopfert.
S. Pauſ. Pind. J. 3, 79. und Chryſipp bei den Schol. Amphi-
tryons, Jolaos u. Alkmenas Grab und das Gymnaſion fuͤr die Jo-
laiſchen oder Herakleiſchen Wettſpiele war vor dem Proetidenthore.
Pind. P. 9, 82. N. 4, 20. Schol. u. Diſſen Expl. p. 382., wo
der Gegenſtand ſehr lichtvoll auseinandergeſetzt iſt.
2 bei An-
ton. Lib. 33.
3 Marini Ville Alban. p. 150. vgl. Boͤtti-
gers Amalthea Bd. 1. S. 130.
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[430/0460] Zweifel oft fuͤr das Alter von Goͤtterdienſten in einer Stadt ſehr entſcheidend. Die uralteinheimiſchen Goͤt- ter und Gruͤnder der Stadt beſaßen die Burg als erb- liches und vaͤterliches Eigenthum; erſt ſpaͤter eingebuͤr- gerte mußten ſich in den unten liegenden Gegenden an- ſiedeln. Nun wiſſen wir aber genauer, daß Amphi- tryons Haus (Ἡϱακλέος ὀλβία αὐλὰ nach Pindar) und das Herakleiſche Gymnaſion vor dem Elektriſchen Thore dem Ismenion gegen uͤber lagen 1: und damit ver- binden wir die Nachricht des Pherekydes 2 von einer Ortſchaft an eben dem Elektriſchen Thore, die die He- rakliden vor dem Einfalle in den Peloponnes angelegt, und wo auch Herakles auf dem Markte ſtand. Was kann klarer ſein, als daß es dieſe Herakliden waren, die den Dienſt des Heros — wenigſtens zum Theil — in Theben angepflanzt? Daß aber zugleich in derſelben Gegend das Ismeniſche Heiligthum des Apollon lag, iſt ein weſentlicher Umſtand fuͤr die Entwickelung des Mythus. Dem Tempel des Gottes gegenuͤber war der Knabe Herakles erzogen worden; er hatte, nach der Sage beim Feſte des Gottes, als Daphnephoros, dem Jungfrauenchore den Lorbeer vorausgetragen, und dar- auf einen Dreifuß in den Tempel geweiht, wie es auch ſpaͤter allgemeine Sitte war. Dieſen Dreifuß ſieht man auf dem bekannten Relief, welches die Argiviſche Apotheoſe des Herakles darſtellt 3, mit der Inſchrift: 1 Ebenda wurde jaͤhrlich den acht Kindern des Her. geopfert. S. Pauſ. Pind. J. 3, 79. und Chryſipp bei den Schol. Amphi- tryons, Jolaos u. Alkmenas Grab und das Gymnaſion fuͤr die Jo- laiſchen oder Herakleiſchen Wettſpiele war vor dem Proetidenthore. Pind. P. 9, 82. N. 4, 20. Schol. u. Diſſen Expl. p. 382., wo der Gegenſtand ſehr lichtvoll auseinandergeſetzt iſt. 2 bei An- ton. Lib. 33. 3 Marini Ville Alban. p. 150. vgl. Boͤtti- gers Amalthea Bd. 1. S. 130.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/460>, abgerufen am 27.11.2024.