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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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thums; so erschlägt er in einer andern die Dryoper-
fürsten Phylas und Laogoras, weil sie gegen Delphi
oder andere Heiligthümer des Gottes freveln 1, und
weiht das gesammte Volk dem Pythischen Gotte 2.
Auch glaube ich nicht, daß Euripides die Sage von
der Errettung der Pheräischen Alkestis und Bekämpfung
des Todes durch Herakles erfunden habe; und wenn
er es that, so hat er sicher sehr passend den Herakles
zum Vollführer des Willens des Apollon gewählt 3.
Ohne indeß darauf besonderes Gewicht zu legen, be-
weisen jene epischen Sagen, daß Herakles in alten
Mythen als Vertheidiger nicht blos des Dorischen
Stammes, sondern auch des Dorischen Cultus gedacht
wurde, als ein erzgewappneter Held, der mit dem
Schwerdte die heiligen Straßen schirmt, und die in
Engpässen und Bergschluchten den Opferzügen auflauern-
den Marssöhne, wilder und störrischer Art, danieder-
wirft.

Dieser Gedankenreihe schließt sich nun unmittelbar
das Verkaufen und Dienen der Helden an, ein Haupt-
moment in allen Variationen der Herakleischen Sage,
hier motivirt durch den Mord des Iphitos. Denn
auch hierin ist die Parallele mit Apollons Knechtes-
dienst zu Pherä unverkennbar. Gott und Heros muß-
ten beide als Beispiele aufgestellt werden, um die Hei-
ligkeit und Nothwendigkeit der Mordsühne dem Gemü-
the des alten Volkes recht tief einzuprägen 4. Zu wes-
sen Dienst Herakles verkauft wurde, davon ist uns die

1 Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 37.
2 S. 257.
3 Viel-
leicht war schon der Erakles Epialeta (den Alp) pnigon des
Sophron (Eust. Il. 5. S. 571 Rom.) eine Parodie dieses Mythus.
4 S. Aeschylos Agam. 1038. "Auch Alkmenens Sohn soll ver-
kauft das Joch selbst getragen haben." Vgl. unten §. 8.

thums; ſo erſchlaͤgt er in einer andern die Dryoper-
fuͤrſten Phylas und Laogoras, weil ſie gegen Delphi
oder andere Heiligthuͤmer des Gottes freveln 1, und
weiht das geſammte Volk dem Pythiſchen Gotte 2.
Auch glaube ich nicht, daß Euripides die Sage von
der Errettung der Pheraͤiſchen Alkeſtis und Bekaͤmpfung
des Todes durch Herakles erfunden habe; und wenn
er es that, ſo hat er ſicher ſehr paſſend den Herakles
zum Vollfuͤhrer des Willens des Apollon gewaͤhlt 3.
Ohne indeß darauf beſonderes Gewicht zu legen, be-
weiſen jene epiſchen Sagen, daß Herakles in alten
Mythen als Vertheidiger nicht blos des Doriſchen
Stammes, ſondern auch des Doriſchen Cultus gedacht
wurde, als ein erzgewappneter Held, der mit dem
Schwerdte die heiligen Straßen ſchirmt, und die in
Engpaͤſſen und Bergſchluchten den Opferzuͤgen auflauern-
den Marsſoͤhne, wilder und ſtoͤrriſcher Art, danieder-
wirft.

Dieſer Gedankenreihe ſchließt ſich nun unmittelbar
das Verkaufen und Dienen der Helden an, ein Haupt-
moment in allen Variationen der Herakleiſchen Sage,
hier motivirt durch den Mord des Iphitos. Denn
auch hierin iſt die Parallele mit Apollons Knechtes-
dienſt zu Pheraͤ unverkennbar. Gott und Heros muß-
ten beide als Beiſpiele aufgeſtellt werden, um die Hei-
ligkeit und Nothwendigkeit der Mordſuͤhne dem Gemuͤ-
the des alten Volkes recht tief einzupraͤgen 4. Zu weſ-
ſen Dienſt Herakles verkauft wurde, davon iſt uns die

1 Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 37.
2 S. 257.
3 Viel-
leicht war ſchon der Ἡϱακλῆς Ἠπιάλητα (den Alp) πνίγων des
Sophron (Euſt. Il. 5. S. 571 Rom.) eine Parodie dieſes Mythus.
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kauft das Joch ſelbſt getragen haben.” Vgl. unten §. 8.
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[415/0445] thums; ſo erſchlaͤgt er in einer andern die Dryoper- fuͤrſten Phylas und Laogoras, weil ſie gegen Delphi oder andere Heiligthuͤmer des Gottes freveln 1, und weiht das geſammte Volk dem Pythiſchen Gotte 2. Auch glaube ich nicht, daß Euripides die Sage von der Errettung der Pheraͤiſchen Alkeſtis und Bekaͤmpfung des Todes durch Herakles erfunden habe; und wenn er es that, ſo hat er ſicher ſehr paſſend den Herakles zum Vollfuͤhrer des Willens des Apollon gewaͤhlt 3. Ohne indeß darauf beſonderes Gewicht zu legen, be- weiſen jene epiſchen Sagen, daß Herakles in alten Mythen als Vertheidiger nicht blos des Doriſchen Stammes, ſondern auch des Doriſchen Cultus gedacht wurde, als ein erzgewappneter Held, der mit dem Schwerdte die heiligen Straßen ſchirmt, und die in Engpaͤſſen und Bergſchluchten den Opferzuͤgen auflauern- den Marsſoͤhne, wilder und ſtoͤrriſcher Art, danieder- wirft. Dieſer Gedankenreihe ſchließt ſich nun unmittelbar das Verkaufen und Dienen der Helden an, ein Haupt- moment in allen Variationen der Herakleiſchen Sage, hier motivirt durch den Mord des Iphitos. Denn auch hierin iſt die Parallele mit Apollons Knechtes- dienſt zu Pheraͤ unverkennbar. Gott und Heros muß- ten beide als Beiſpiele aufgeſtellt werden, um die Hei- ligkeit und Nothwendigkeit der Mordſuͤhne dem Gemuͤ- the des alten Volkes recht tief einzupraͤgen 4. Zu weſ- ſen Dienſt Herakles verkauft wurde, davon iſt uns die 1 Apolld. 2, 7, 7. Diod. 4, 37. 2 S. 257. 3 Viel- leicht war ſchon der Ἡϱακλῆς Ἠπιάλητα (den Alp) πνίγων des Sophron (Euſt. Il. 5. S. 571 Rom.) eine Parodie dieſes Mythus. 4 S. Aeſchylos Agam. 1038. “Auch Alkmenens Sohn ſoll ver- kauft das Joch ſelbſt getragen haben.” Vgl. unten §. 8.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/445>, abgerufen am 01.09.2024.