führte auch den Namen "Brandgesicht" Aithopia 1, der aus alter Symbolik zu deuten ist; Kallimachos zog ihn auf den Mond. Mit der Brauronischen Küste aber standen die Inseln Lemnos und Samothrake in engem Connex, daher beide Aithiopia heißen 2. -- Als die Jonier von Athen nach Asien zogen, brachten sie die Verehrung der Munychischen Göttin nach Milet und Kyzikos 3, und nach der erstern Stadt den damit ver- wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgöttin, deren Holzbilder aus fruchtreichen Hölzern bestanden 4.
6.
Aber die Betrachtung der Attischen Artemi- sien führt uns wieder auf eine andere Variation oder Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte, nämlich auf die Orthosia, Orthia oder auch Iphi- geneia genannte Göttin. Alles, was diese betrifft, ist in ein seltsames Dunkel mystischer Fabeln gehüllt, aber um desto lehrreicher zur Kenntniß der Genesis der Mythologie überhaupt. Wir geben zuerst die Sagen und Thatsachen, wie wir sie finden. In Attika war Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und hatte das alte Schnitzbild der Göttin zurückgelassen 5.
1 S. Kallimach. (Fram. 417. Bentlei) und Eratosth. bei Steph. B. Aithop. Hesych Aithiopaida.
2 Hesych Aithiopia. Plin. 5, 39. Auch in Euböa war ein Aethiopion. Steph. B. zu schr. khorion Ludias para `'Ullo kai plesion tou Euripou. vergl. Hrpokr. Suid.
3 Böckh not. cr. ad Pind. O. 13, 109. Dort auch ein Artemisfest Neleis, Plut. mul. virt. p. 287 H. Sie hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Ephesos, den Agamemnon gebaut haben sollte. Str. 14, 639. Dort auf den Münzen, Mion- net Dscr. T. 3. p. 186.
4 Kallim. Art. 225. Schol. Kall. an Z. 77, Khitone Art. Steph. B., Jonisch kithonea (wohl ee) Art. Hesych. Khitonea in Syrakus, Athen. 14, 619.
5 Paus. 1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art. 173. Euphorion setzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.
fuͤhrte auch den Namen “Brandgeſicht” Αἰϑοπἰα 1, der aus alter Symbolik zu deuten iſt; Kallimachos zog ihn auf den Mond. Mit der Brauroniſchen Kuͤſte aber ſtanden die Inſeln Lemnos und Samothrake in engem Connex, daher beide Αἰϑιοπία heißen 2. — Als die Jonier von Athen nach Aſien zogen, brachten ſie die Verehrung der Munychiſchen Goͤttin nach Milet und Kyzikos 3, und nach der erſtern Stadt den damit ver- wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgoͤttin, deren Holzbilder aus fruchtreichen Hoͤlzern beſtanden 4.
6.
Aber die Betrachtung der Attiſchen Artemi- ſien fuͤhrt uns wieder auf eine andere Variation oder Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte, naͤmlich auf die Orthoſia, Orthia oder auch Iphi- geneia genannte Goͤttin. Alles, was dieſe betrifft, iſt in ein ſeltſames Dunkel myſtiſcher Fabeln gehuͤllt, aber um deſto lehrreicher zur Kenntniß der Geneſis der Mythologie uͤberhaupt. Wir geben zuerſt die Sagen und Thatſachen, wie wir ſie finden. In Attika war Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und hatte das alte Schnitzbild der Goͤttin zuruͤckgelaſſen 5.
1 S. Kallimach. (Fram. 417. Bentlei) und Eratoſth. bei Steph. B. Αἰϑοπ. Heſych Αἰϑιοπαῖδα.
2 Heſych Αἰϑιοπία. Plin. 5, 39. Auch in Euboͤa war ein Aethiopion. Steph. B. zu ſchr. χωϱίον Λυδίας παϱὰ ῞ϒλλῳ καὶ πλησίον τοῦ Εὐϱίπου. vergl. Hrpokr. Suid.
3 Boͤckh not. cr. ad Pind. O. 13, 109. Dort auch ein Artemisfeſt Νηληΐς, Plut. mul. virt. p. 287 H. Sie hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Epheſos, den Agamemnon gebaut haben ſollte. Str. 14, 639. Dort auf den Muͤnzen, Mion- net Dscr. T. 3. p. 186.
4 Kallim. Art. 225. Schol. Kall. an Z. 77, Χιτώνη Ἀϱτ. Steph. B., Joniſch κιθωνέα (wohl ἐη) Ἀϱτ. Heſych. Χιτωνέα in Syrakus, Athen. 14, 619.
5 Pauſ. 1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art. 173. Euphorion ſetzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0411"n="381"/>
fuͤhrte auch den Namen “Brandgeſicht”Αἰϑοπἰα<noteplace="foot"n="1">S. Kallimach. (Fram. 417. Bentlei) und Eratoſth. bei<lb/>
Steph. B. Αἰϑοπ. Heſych Αἰϑιοπαῖδα.</note>, der<lb/>
aus alter Symbolik zu deuten iſt; Kallimachos zog ihn<lb/>
auf den Mond. Mit der Brauroniſchen Kuͤſte aber<lb/>ſtanden die Inſeln Lemnos und Samothrake in engem<lb/>
Connex, daher beide Αἰϑιοπία heißen <noteplace="foot"n="2">Heſych Αἰϑιοπία.<lb/>
Plin. 5, 39. Auch in Euboͤa war ein Aethiopion. Steph. B. zu ſchr.<lb/>χωϱίονΛυδίαςπαϱὰ῞ϒλλῳκαὶπλησίοντοῦΕὐϱίπου. vergl.<lb/>
Hrpokr. Suid.</note>. — Als die<lb/>
Jonier von Athen nach Aſien zogen, brachten ſie die<lb/>
Verehrung der Munychiſchen Goͤttin nach Milet und<lb/>
Kyzikos <noteplace="foot"n="3">Boͤckh <hirendition="#aq">not. cr. ad Pind. O.</hi> 13, 109.<lb/>
Dort auch ein Artemisfeſt Νηληΐς, Plut. <hirendition="#aq">mul. virt. p.</hi> 287 H. Sie<lb/>
hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Epheſos, den Agamemnon<lb/>
gebaut haben ſollte. Str. 14, 639. Dort auf den Muͤnzen, Mion-<lb/>
net <hirendition="#aq">Dscr. T. 3. p.</hi> 186.</note>, und nach der erſtern Stadt den damit ver-<lb/>
wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgoͤttin,<lb/>
deren Holzbilder aus fruchtreichen Hoͤlzern beſtanden <noteplace="foot"n="4">Kallim. Art. 225. Schol.<lb/>
Kall. an Z. 77, ΧιτώνηἈϱτ. Steph. B., Joniſch κιθωνέα (wohl<lb/>ἐη) Ἀϱτ. Heſych. Χιτωνέα in Syrakus, Athen. 14, 619.</note>.</p></div><lb/><divn="4"><head>6.</head><lb/><p>Aber die Betrachtung der Attiſchen Artemi-<lb/>ſien fuͤhrt uns wieder auf eine andere Variation oder<lb/>
Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte,<lb/>
naͤmlich auf die <hirendition="#g">Orthoſia, Orthia</hi> oder auch <hirendition="#g">Iphi-<lb/>
geneia</hi> genannte Goͤttin. Alles, was dieſe betrifft,<lb/>
iſt in ein ſeltſames Dunkel myſtiſcher Fabeln gehuͤllt,<lb/>
aber um deſto lehrreicher zur Kenntniß der Geneſis der<lb/>
Mythologie uͤberhaupt. Wir geben zuerſt die Sagen<lb/>
und Thatſachen, wie wir ſie finden. In Attika war<lb/>
Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und<lb/>
dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und<lb/>
hatte das alte Schnitzbild der Goͤttin zuruͤckgelaſſen <noteplace="foot"n="5">Pauſ.<lb/>
1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art.<lb/>
173. Euphorion ſetzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der<lb/>
Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.</note>.<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[381/0411]
fuͤhrte auch den Namen “Brandgeſicht” Αἰϑοπἰα 1, der
aus alter Symbolik zu deuten iſt; Kallimachos zog ihn
auf den Mond. Mit der Brauroniſchen Kuͤſte aber
ſtanden die Inſeln Lemnos und Samothrake in engem
Connex, daher beide Αἰϑιοπία heißen 2. — Als die
Jonier von Athen nach Aſien zogen, brachten ſie die
Verehrung der Munychiſchen Goͤttin nach Milet und
Kyzikos 3, und nach der erſtern Stadt den damit ver-
wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgoͤttin,
deren Holzbilder aus fruchtreichen Hoͤlzern beſtanden 4.
6.
Aber die Betrachtung der Attiſchen Artemi-
ſien fuͤhrt uns wieder auf eine andere Variation oder
Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte,
naͤmlich auf die Orthoſia, Orthia oder auch Iphi-
geneia genannte Goͤttin. Alles, was dieſe betrifft,
iſt in ein ſeltſames Dunkel myſtiſcher Fabeln gehuͤllt,
aber um deſto lehrreicher zur Kenntniß der Geneſis der
Mythologie uͤberhaupt. Wir geben zuerſt die Sagen
und Thatſachen, wie wir ſie finden. In Attika war
Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und
dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und
hatte das alte Schnitzbild der Goͤttin zuruͤckgelaſſen 5.
1 S. Kallimach. (Fram. 417. Bentlei) und Eratoſth. bei
Steph. B. Αἰϑοπ. Heſych Αἰϑιοπαῖδα.
2 Heſych Αἰϑιοπία.
Plin. 5, 39. Auch in Euboͤa war ein Aethiopion. Steph. B. zu ſchr.
χωϱίον Λυδίας παϱὰ ῞ϒλλῳ καὶ πλησίον τοῦ Εὐϱίπου. vergl.
Hrpokr. Suid.
3 Boͤckh not. cr. ad Pind. O. 13, 109.
Dort auch ein Artemisfeſt Νηληΐς, Plut. mul. virt. p. 287 H. Sie
hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Epheſos, den Agamemnon
gebaut haben ſollte. Str. 14, 639. Dort auf den Muͤnzen, Mion-
net Dscr. T. 3. p. 186.
4 Kallim. Art. 225. Schol.
Kall. an Z. 77, Χιτώνη Ἀϱτ. Steph. B., Joniſch κιθωνέα (wohl
ἐη) Ἀϱτ. Heſych. Χιτωνέα in Syrakus, Athen. 14, 619.
5 Pauſ.
1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art.
173. Euphorion ſetzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der
Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/411>, abgerufen am 24.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.