lon sehr deutlich, indem er die Gesunde, Heile und darnach die Heil und Kraft verbreitende bezeichnet 1. Ob Apollon sich die Musik allein vorbehalten, ist nicht deutlich, wenigstens feierten die Lakonen der Göttin einen Agon KalaWoidia, Schöngesang 2; und wenn sie auch selten singend und nie kitharspielend erscheint, so führt sie dafür den Reigen der Göttinen im Olymp, und sterblicher Frauen hier 3. Reliefs, welche die Ehre Pythischer Sieger in musischen Wettkämpfen dar- stellen, zeigen stets bei dem Gotte auch Schwester und Mutter 4. Selbst an der Prophetie hatte Artemis einigen Antheil, wenn es eine alte Sage ist, wonach sie als Sibylle auftritt 5. Wie Apollon unvermählt, so ist sie durchaus Jungfrau, und darum nicht Natur- göttin: am wenigsten von Anfang an der Mond, ob- gleich wir nicht läugnen, daß der Mondcultus andern Reihen des Artemisdienstes sehr nahe lag.
Aber, wird man fragen, wenn nun diese Artemis durchaus dieselben Charakterzüge zeigt, die am Apol- lon nachgewiesen wurden, und nichts besonderes und eigenes hat: wozu denn überhaupt zwei Götter, um eine Idee auszudrücken? wozu eine männliche und eine weibliche, wenn sich beide nicht zu einander verhalten, wie die Geschlechter? Befriedigend hierauf zu antwor- ten, möchte schwer fallen. Indessen kann die Erwägung dazu beitragen, daß, sobald einmal Apollon als irdischer Gott, als Ideal menschlicher Kraft gedacht wurde,
Inscr. sic. p. 69. Artemitios in Korkyra nach Inschr., Arte- mitia in Kyrene, Thrige hist. Cyr. p. 218.
1 vgl. Platon. Kratyl. 406. Str. 14, 635.
2 Hesych Kalaoidia.
3 Il. 16, 183.
4 Welcker bei Dissen Expl. Pind. p. 453.
5 S. die Verse bei Klem. Alex. Str. 1. p. 323. vgl. Paus. 10, 12, 1.
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lon ſehr deutlich, indem er die Geſunde, Heile und darnach die Heil und Kraft verbreitende bezeichnet 1. Ob Apollon ſich die Muſik allein vorbehalten, iſt nicht deutlich, wenigſtens feierten die Lakonen der Goͤttin einen Agon ΚαλαϜοίδια, Schoͤngeſang 2; und wenn ſie auch ſelten ſingend und nie kitharſpielend erſcheint, ſo fuͤhrt ſie dafuͤr den Reigen der Goͤttinen im Olymp, und ſterblicher Frauen hier 3. Reliefs, welche die Ehre Pythiſcher Sieger in muſiſchen Wettkaͤmpfen dar- ſtellen, zeigen ſtets bei dem Gotte auch Schweſter und Mutter 4. Selbſt an der Prophetie hatte Artemis einigen Antheil, wenn es eine alte Sage iſt, wonach ſie als Sibylle auftritt 5. Wie Apollon unvermaͤhlt, ſo iſt ſie durchaus Jungfrau, und darum nicht Natur- goͤttin: am wenigſten von Anfang an der Mond, ob- gleich wir nicht laͤugnen, daß der Mondcultus andern Reihen des Artemisdienſtes ſehr nahe lag.
Aber, wird man fragen, wenn nun dieſe Artemis durchaus dieſelben Charakterzuͤge zeigt, die am Apol- lon nachgewieſen wurden, und nichts beſonderes und eigenes hat: wozu denn uͤberhaupt zwei Goͤtter, um eine Idee auszudruͤcken? wozu eine maͤnnliche und eine weibliche, wenn ſich beide nicht zu einander verhalten, wie die Geſchlechter? Befriedigend hierauf zu antwor- ten, moͤchte ſchwer fallen. Indeſſen kann die Erwaͤgung dazu beitragen, daß, ſobald einmal Apollon als irdiſcher Gott, als Ideal menſchlicher Kraft gedacht wurde,
Inscr. sic. p. 69. Αϱτεμίτιος in Korkyra nach Inſchr., Αϱτε- μίτια in Kyrene, Thrige hist. Cyr. p. 218.
1 vgl. Platon. Kratyl. 406. Str. 14, 635.
2 Heſych Καλαοίδια.
3 Il. 16, 183.
4 Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 453.
5 S. die Verſe bei Klem. Alex. Str. 1. p. 323. vgl. Pauſ. 10, 12, 1.
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darnach die Heil und Kraft verbreitende bezeichnet 1.
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deutlich, wenigſtens feierten die Lakonen der Goͤttin
einen Agon ΚαλαϜοίδια, Schoͤngeſang 2; und wenn
ſie auch ſelten ſingend und nie kitharſpielend erſcheint,
ſo fuͤhrt ſie dafuͤr den Reigen der Goͤttinen im Olymp,
und ſterblicher Frauen hier 3. Reliefs, welche die
Ehre Pythiſcher Sieger in muſiſchen Wettkaͤmpfen dar-
ſtellen, zeigen ſtets bei dem Gotte auch Schweſter und
Mutter 4. Selbſt an der Prophetie hatte Artemis
einigen Antheil, wenn es eine alte Sage iſt, wonach
ſie als Sibylle auftritt 5. Wie Apollon unvermaͤhlt,
ſo iſt ſie durchaus Jungfrau, und darum nicht Natur-
goͤttin: am wenigſten von Anfang an der Mond, ob-
gleich wir nicht laͤugnen, daß der Mondcultus andern
Reihen des Artemisdienſtes ſehr nahe lag.
Aber, wird man fragen, wenn nun dieſe Artemis
durchaus dieſelben Charakterzuͤge zeigt, die am Apol-
lon nachgewieſen wurden, und nichts beſonderes und
eigenes hat: wozu denn uͤberhaupt zwei Goͤtter, um
eine Idee auszudruͤcken? wozu eine maͤnnliche und eine
weibliche, wenn ſich beide nicht zu einander verhalten,
wie die Geſchlechter? Befriedigend hierauf zu antwor-
ten, moͤchte ſchwer fallen. Indeſſen kann die Erwaͤgung
dazu beitragen, daß, ſobald einmal Apollon als irdiſcher
Gott, als Ideal menſchlicher Kraft gedacht wurde,
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1 vgl. Platon. Kratyl. 406. Str. 14, 635.
2 Heſych Καλαοίδια.
3 Il. 16, 183.
4 Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 453.
5 S. die Verſe bei Klem. Alex. Str. 1. p. 323. vgl. Pauſ.
10, 12, 1.
12 Inscr. sic. p. 69. Αϱτεμίτιος in Korkyra nach Inſchr., Αϱτε-
μίτια in Kyrene, Thrige hist. Cyr. p. 218.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/401>, abgerufen am 16.02.2025.
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