Vorher wollen wir zeigen, wie mit den Grund- gedanken dieser Religion außer dem Mythus auch die Cultushandlungen in jener Uebereinstimmung und Har- monie stehen, die das beste Zeugniß einer organischen Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver- suchen, diese Uebereinstimmung möglichst in Begriffen darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß, daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religiöses Gefühl in uns zu reproduciren im Stande sind, dessen Aeußerungen völlig verstehen können.
Was den Opfercult des Apollon betrifft: so ist zu bemerken, daß in vielen Haupttempeln desselben un- blutigen Darbringungen eine besondere Heiligkeit und Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man Kuchen und Weihrauch in heiligen Körben 1, zu Pa- tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um zugleich an den zürnenden wie an den besänftigenden Gott zu erinnern) 2; auf Delos stand hinter dem Hornaltare der sog. Altar der Frommen, dem Apollon Genetor heilig, auf den man nur Waizen- und Ger- stenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel-
1 Aelian V. G. 11, 5. Kuchenopfer auch zu Athen Harpokr. und Hesych enthrupta. Suid. enthruptos Apollon. vgl. Hemsterh. zu Lukian 2. S. 411. Bip.
2 oben S. 217.
8.
1.
Vorher wollen wir zeigen, wie mit den Grund- gedanken dieſer Religion außer dem Mythus auch die Cultushandlungen in jener Uebereinſtimmung und Har- monie ſtehen, die das beſte Zeugniß einer organiſchen Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver- ſuchen, dieſe Uebereinſtimmung moͤglichſt in Begriffen darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß, daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religioͤſes Gefuͤhl in uns zu reproduciren im Stande ſind, deſſen Aeußerungen voͤllig verſtehen koͤnnen.
Was den Opfercult des Apollon betrifft: ſo iſt zu bemerken, daß in vielen Haupttempeln deſſelben un- blutigen Darbringungen eine beſondere Heiligkeit und Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man Kuchen und Weihrauch in heiligen Koͤrben 1, zu Pa- tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um zugleich an den zuͤrnenden wie an den beſaͤnftigenden Gott zu erinnern) 2; auf Delos ſtand hinter dem Hornaltare der ſog. Altar der Frommen, dem Apollon Genetor heilig, auf den man nur Waizen- und Ger- ſtenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel-
1 Aelian V. G. 11, 5. Kuchenopfer auch zu Athen Harpokr. und Heſych ἔνϑϱυπτα. Suid. ἔνϑϱυπτος Ἀπόλλων. vgl. Hemſterh. zu Lukian 2. S. 411. Bip.
2 oben S. 217.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0354"n="324"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>8.</head><lb/><divn="4"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>orher wollen wir zeigen, wie mit den Grund-<lb/>
gedanken dieſer Religion außer dem Mythus auch die<lb/>
Cultushandlungen in jener Uebereinſtimmung und Har-<lb/>
monie ſtehen, die das beſte Zeugniß einer organiſchen<lb/>
Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver-<lb/>ſuchen, dieſe Uebereinſtimmung moͤglichſt in Begriffen<lb/>
darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß,<lb/>
daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religioͤſes<lb/>
Gefuͤhl in uns zu reproduciren im Stande ſind, deſſen<lb/>
Aeußerungen voͤllig verſtehen koͤnnen.</p><lb/><p>Was den Opfercult des Apollon betrifft: ſo iſt zu<lb/>
bemerken, daß in vielen Haupttempeln deſſelben <hirendition="#g">un-<lb/>
blutigen</hi> Darbringungen eine beſondere Heiligkeit und<lb/>
Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man<lb/>
Kuchen und Weihrauch in heiligen Koͤrben <noteplace="foot"n="1">Aelian V. G. 11, 5. Kuchenopfer auch zu Athen Harpokr.<lb/>
und Heſych ἔνϑϱυπτα. Suid. ἔνϑϱυπτοςἈπόλλων. vgl. Hemſterh.<lb/>
zu Lukian 2. S. 411. Bip.</note>, zu Pa-<lb/>
tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um<lb/>
zugleich an den zuͤrnenden wie an den beſaͤnftigenden<lb/>
Gott zu erinnern) <noteplace="foot"n="2">oben S. 217.</note>; auf Delos ſtand hinter dem<lb/>
Hornaltare der ſog. Altar der Frommen, dem Apollon<lb/>
Genetor heilig, auf den man nur Waizen- und Ger-<lb/>ſtenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[324/0354]
8.
1.
Vorher wollen wir zeigen, wie mit den Grund-
gedanken dieſer Religion außer dem Mythus auch die
Cultushandlungen in jener Uebereinſtimmung und Har-
monie ſtehen, die das beſte Zeugniß einer organiſchen
Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver-
ſuchen, dieſe Uebereinſtimmung moͤglichſt in Begriffen
darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß,
daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religioͤſes
Gefuͤhl in uns zu reproduciren im Stande ſind, deſſen
Aeußerungen voͤllig verſtehen koͤnnen.
Was den Opfercult des Apollon betrifft: ſo iſt zu
bemerken, daß in vielen Haupttempeln deſſelben un-
blutigen Darbringungen eine beſondere Heiligkeit und
Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man
Kuchen und Weihrauch in heiligen Koͤrben 1, zu Pa-
tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um
zugleich an den zuͤrnenden wie an den beſaͤnftigenden
Gott zu erinnern) 2; auf Delos ſtand hinter dem
Hornaltare der ſog. Altar der Frommen, dem Apollon
Genetor heilig, auf den man nur Waizen- und Ger-
ſtenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel-
1 Aelian V. G. 11, 5. Kuchenopfer auch zu Athen Harpokr.
und Heſych ἔνϑϱυπτα. Suid. ἔνϑϱυπτος Ἀπόλλων. vgl. Hemſterh.
zu Lukian 2. S. 411. Bip.
2 oben S. 217.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/354>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.