dessen saftvolle und erdwühlende Natur in dem agra- rischen Dienste von Eleusis geeignet schien, bei myste- riösen Feierlichkeiten und namentlich beim Kathodos die Persephone vorzustellen. Gleicherweise wird von del- phus auch delphin hergeleitet, den die deutsche Sprache nach derselben Analogie Meerschwein nennt 1, darnach sollte auch dieses Thier zu denjenigen gehören, welche Apollon verabscheut. Es muß daher befremden, wenn wir das Entgegengesetzte finden, wenn der Gott selbst, um seine Kreter nach Krissa zu geleiten, die Gestalt eines Delphins annimmt, wenn Delphine den Sän- gern ihren Rücken als Nachen bieten, und, modern ge- sagt 2, überhaupt als Symbole der Humanität im Ab- grunde des Meers erscheinen 3. Vielleicht löst sich diese scheinbare Inconsequenz der alten Symbolik -- die die Delphyne dem Apollon feindlich, den Delphin befreun- det setzt, -- so. Auch die Delphine wurden ursprüng- lich ihrer Gestalt wegen als die seltsamsten Ungethüme und Scheusale angesehn, die aus dem Abgrund der Feuchte hervorgequollen (pelor mega te deinon te im Homer. Hymnus). Doch auch solche müssen der Kraft u. Ruhe des ordnenden Gottes weichen, u. gezähmt sei- nen Winken folgen, zu deren Ausführung sie als die schnellsten Thiere des Meers nach der Meinung der Alten besonders geeignet schienen 4. Nun spielen die Gräuel der Tiefe harmlos auf der beruhigten und hei- tern Oberfläche, und bilden um den Gott selbst oder seine Sänger einen Chorreigen; auch schönen Knaben
1Aeolisch hieß delphin -- belphin, Etym. M. 200, 27., wie auch Delphi Belphoi, Etym. 196, 54., wahrscheinlich also auch delphus -- belphus. (Anders Lennep Etymol. p. 172).
2 Creu- zer 2. S. 602.
3 Ueber Ap. Delphinios Aeginet. p. 150. In Bezug auf ihn sind auch Delphine auf Münzen von Delphi. Bosset Essai sur les medailles de Cephal. et d'Ithaque pl. 5.
4 Aristot. H. An. 9, 48.
deſſen ſaftvolle und erdwuͤhlende Natur in dem agra- riſchen Dienſte von Eleuſis geeignet ſchien, bei myſte- rioͤſen Feierlichkeiten und namentlich beim Kathodos die Perſephone vorzuſtellen. Gleicherweiſe wird von δελ- φὺς auch δελφὶν hergeleitet, den die deutſche Sprache nach derſelben Analogie Meerſchwein nennt 1, darnach ſollte auch dieſes Thier zu denjenigen gehoͤren, welche Apollon verabſcheut. Es muß daher befremden, wenn wir das Entgegengeſetzte finden, wenn der Gott ſelbſt, um ſeine Kreter nach Kriſſa zu geleiten, die Geſtalt eines Delphins annimmt, wenn Delphine den Saͤn- gern ihren Ruͤcken als Nachen bieten, und, modern ge- ſagt 2, uͤberhaupt als Symbole der Humanitaͤt im Ab- grunde des Meers erſcheinen 3. Vielleicht loͤst ſich dieſe ſcheinbare Inconſequenz der alten Symbolik — die die Delphyne dem Apollon feindlich, den Delphin befreun- det ſetzt, — ſo. Auch die Delphine wurden urſpruͤng- lich ihrer Geſtalt wegen als die ſeltſamſten Ungethuͤme und Scheuſale angeſehn, die aus dem Abgrund der Feuchte hervorgequollen (πέλωρ μέγα τε δεινόν τε im Homer. Hymnus). Doch auch ſolche muͤſſen der Kraft u. Ruhe des ordnenden Gottes weichen, u. gezaͤhmt ſei- nen Winken folgen, zu deren Ausfuͤhrung ſie als die ſchnellſten Thiere des Meers nach der Meinung der Alten beſonders geeignet ſchienen 4. Nun ſpielen die Graͤuel der Tiefe harmlos auf der beruhigten und hei- tern Oberflaͤche, und bilden um den Gott ſelbſt oder ſeine Saͤnger einen Chorreigen; auch ſchoͤnen Knaben
1Aeoliſch hieß δελφὶν — βελφὶν, Etym. M. 200, 27., wie auch Delphi Βέλφοι, Etym. 196, 54., wahrſcheinlich alſo auch δελφὺς — βελφύς. (Anders Lennep Etymol. p. 172).
2 Creu- zer 2. S. 602.
3 Ueber Ap. Delphinios Aeginet. p. 150. In Bezug auf ihn ſind auch Delphine auf Muͤnzen von Delphi. Boſſet Essai sur les medailles de Cephal. et d’Ithaque pl. 5.
4 Ariſtot. H. An. 9, 48.
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φὺς auch δελφὶν hergeleitet, den die deutſche Sprache
nach derſelben Analogie Meerſchwein nennt 1, darnach
ſollte auch dieſes Thier zu denjenigen gehoͤren, welche
Apollon verabſcheut. Es muß daher befremden, wenn
wir das Entgegengeſetzte finden, wenn der Gott ſelbſt,
um ſeine Kreter nach Kriſſa zu geleiten, die Geſtalt
eines Delphins annimmt, wenn Delphine den Saͤn-
gern ihren Ruͤcken als Nachen bieten, und, modern ge-
ſagt 2, uͤberhaupt als Symbole der Humanitaͤt im Ab-
grunde des Meers erſcheinen 3. Vielleicht loͤst ſich dieſe
ſcheinbare Inconſequenz der alten Symbolik — die die
Delphyne dem Apollon feindlich, den Delphin befreun-
det ſetzt, — ſo. Auch die Delphine wurden urſpruͤng-
lich ihrer Geſtalt wegen als die ſeltſamſten Ungethuͤme
und Scheuſale angeſehn, die aus dem Abgrund der
Feuchte hervorgequollen (πέλωρ μέγα τε δεινόν τε im
Homer. Hymnus). Doch auch ſolche muͤſſen der Kraft
u. Ruhe des ordnenden Gottes weichen, u. gezaͤhmt ſei-
nen Winken folgen, zu deren Ausfuͤhrung ſie als die
ſchnellſten Thiere des Meers nach der Meinung der
Alten beſonders geeignet ſchienen 4. Nun ſpielen die
Graͤuel der Tiefe harmlos auf der beruhigten und hei-
tern Oberflaͤche, und bilden um den Gott ſelbſt oder
ſeine Saͤnger einen Chorreigen; auch ſchoͤnen Knaben
1 Aeoliſch hieß δελφὶν — βελφὶν, Etym. M. 200, 27., wie
auch Delphi Βέλφοι, Etym. 196, 54., wahrſcheinlich alſo auch
δελφὺς — βελφύς. (Anders Lennep Etymol. p. 172).
2 Creu-
zer 2. S. 602.
3 Ueber Ap. Delphinios Aeginet. p. 150.
In Bezug auf ihn ſind auch Delphine auf Muͤnzen von Delphi.
Boſſet Essai sur les medailles de Cephal. et d’Ithaque pl. 5.
4 Ariſtot. H. An. 9, 48.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/347>, abgerufen am 16.02.2025.
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