haben. Wir trafen ihn oben zu Lykoreia auf dem Par- naß, in Lykien am Kragos, in Lykia am Ida, zu Athen, Argos, Sparta, Sikyon; er muß älter sein als die Kretischen Colonien in Kleinasien, da er sich mit diesen verpflanzte, Homer kennt ihn wohl. Ueber- all finden wir Sagen von Wölfen zur Erläuterung. Dem Wolfsgebrüll folgend bauen die den Regengüssen entronnenen Deukalioniden Lykoreia auf der Höhe des Parnaß; als Wölfin kommt Leto von den Hyperboreern nach Delos, Wölfe führen sie an den Strom Xanthos, Wölfe vertheidigen des Gottes Schätze, ein Wolf von Erz lag mit alten Inschriften bei dem großen Altare zu Delphi 1, und daß ein Wolf in eine Stierheerde fällt, veranlaßt die Verehrung des Apollon Lykeios in Argos, wo man auf dem Markte die Gruppe in Erz dargestellt sah 2. Minder alt ist sicher die Sikyonische Sage von dem die Wölfe abhaltenden Apollon, und das Epitheton Lukoktonos (Lupercus) bei Sophokles und Andern 3.
Nun könnte man sich an den Begriff des reissenden Thieres halten, mit welchem eine naive und kindliche Ansicht den schrecklichen Gott verglichen hätte, und eine treffliche Parallele würde es geben, daß bei Homer Phöbos die Gestalt des taubenwürgenden Habichts (irex) annimmt, des schnellsten Geflügels 4, und eine im Fluge kreisende Falkenart, kirkos, sein schneller Bote heißt 5; ja die Parallele ist um so vollständiger,
1 Paus. 10, 14, 4. Die Promanteia hier angeschrieben, Plut. Perikl. 21.
2 Plut. Pyrrh. 32. Von Athen s. oben S. 245, 3. Ueber die Heiligkeit des Wolfs daselbst Schol. Apoll. 2, 124.
3 Elektra 6. vgl. Schol. und zu Aesch. 7, 147. Plut. de sol. 9. p. 155 H. Hesych lukoktonos. -- Paus. 2, 9, 7.
4 Il. 15, 239. vgl. Anton. Lib. 28. Aelian H. A. 10, 14.
5 Od. 15, 525. Bei Ephesos auf einer Bergspitze verehrte man Ap. Iupaieus, Geiergott, Konon 35.
haben. Wir trafen ihn oben zu Lykoreia auf dem Par- naß, in Lykien am Kragos, in Lykia am Ida, zu Athen, Argos, Sparta, Sikyon; er muß aͤlter ſein als die Kretiſchen Colonien in Kleinaſien, da er ſich mit dieſen verpflanzte, Homer kennt ihn wohl. Ueber- all finden wir Sagen von Woͤlfen zur Erlaͤuterung. Dem Wolfsgebruͤll folgend bauen die den Regenguͤſſen entronnenen Deukalioniden Lykoreia auf der Hoͤhe des Parnaß; als Woͤlfin kommt Leto von den Hyperboreern nach Delos, Woͤlfe fuͤhren ſie an den Strom Xanthos, Woͤlfe vertheidigen des Gottes Schaͤtze, ein Wolf von Erz lag mit alten Inſchriften bei dem großen Altare zu Delphi 1, und daß ein Wolf in eine Stierheerde faͤllt, veranlaßt die Verehrung des Apollon Lykeios in Argos, wo man auf dem Markte die Gruppe in Erz dargeſtellt ſah 2. Minder alt iſt ſicher die Sikyoniſche Sage von dem die Woͤlfe abhaltenden Apollon, und das Epitheton Λυκοκτόνος (Lupercus) bei Sophokles und Andern 3.
Nun koͤnnte man ſich an den Begriff des reiſſenden Thieres halten, mit welchem eine naive und kindliche Anſicht den ſchrecklichen Gott verglichen haͤtte, und eine treffliche Parallele wuͤrde es geben, daß bei Homer Phoͤbos die Geſtalt des taubenwuͤrgenden Habichts (ἴρηξ) annimmt, des ſchnellſten Gefluͤgels 4, und eine im Fluge kreiſende Falkenart, κίρκος, ſein ſchneller Bote heißt 5; ja die Parallele iſt um ſo vollſtaͤndiger,
1 Pauſ. 10, 14, 4. Die Promanteia hier angeſchrieben, Plut. Perikl. 21.
2 Plut. Pyrrh. 32. Von Athen ſ. oben S. 245, 3. Ueber die Heiligkeit des Wolfs daſelbſt Schol. Apoll. 2, 124.
3 Elektra 6. vgl. Schol. und zu Aeſch. 7, 147. Plut. de sol. 9. p. 155 H. Heſych λυκοκτόνος. — Pauſ. 2, 9, 7.
4 Il. 15, 239. vgl. Anton. Lib. 28. Aelian H. A. 10, 14.
5 Od. 15, 525. Bei Epheſos auf einer Bergſpitze verehrte man Ap. Ἱυπαιεύς, Geiergott, Konon 35.
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Dem Wolfsgebruͤll folgend bauen die den Regenguͤſſen
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nach Delos, Woͤlfe fuͤhren ſie an den Strom Xanthos,
Woͤlfe vertheidigen des Gottes Schaͤtze, ein Wolf von
Erz lag mit alten Inſchriften bei dem großen Altare
zu Delphi 1, und daß ein Wolf in eine Stierheerde
faͤllt, veranlaßt die Verehrung des Apollon Lykeios in
Argos, wo man auf dem Markte die Gruppe in Erz
dargeſtellt ſah 2. Minder alt iſt ſicher die Sikyoniſche
Sage von dem die Woͤlfe abhaltenden Apollon, und
das Epitheton Λυκοκτόνος (Lupercus) bei Sophokles
und Andern 3.
Nun koͤnnte man ſich an den Begriff des reiſſenden
Thieres halten, mit welchem eine naive und kindliche
Anſicht den ſchrecklichen Gott verglichen haͤtte, und eine
treffliche Parallele wuͤrde es geben, daß bei Homer
Phoͤbos die Geſtalt des taubenwuͤrgenden Habichts
(ἴρηξ) annimmt, des ſchnellſten Gefluͤgels 4, und eine
im Fluge kreiſende Falkenart, κίρκος, ſein ſchneller
Bote heißt 5; ja die Parallele iſt um ſo vollſtaͤndiger,
1 Pauſ. 10, 14, 4. Die Promanteia hier angeſchrieben,
Plut. Perikl. 21.
2 Plut. Pyrrh. 32. Von Athen ſ. oben
S. 245, 3. Ueber die Heiligkeit des Wolfs daſelbſt Schol. Apoll. 2,
124.
3 Elektra 6. vgl. Schol. und zu Aeſch. 7, 147. Plut.
de sol. 9. p. 155 H. Heſych λυκοκτόνος. — Pauſ. 2, 9, 7.
4 Il. 15, 239. vgl. Anton. Lib. 28. Aelian H. A. 10, 14.
5 Od. 15, 525. Bei Epheſos auf einer Bergſpitze verehrte man
Ap. Ἱυπαιεύς, Geiergott, Konon 35.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/333>, abgerufen am 16.02.2025.
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