Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht vom Cultus aus, da in diesem, besonders beim
Pythischen Heiligthume 1, seit uralten Zeiten der Päan
als Gesang zur Ehre Apollons fixirt war 2. Der
Gesang hat aber seinen Namen vom Gotte, wie an-
dre Arten von Hymnen; Päon oder Jepäon heißt der
Gott, dann der Gesang, endlich auch die denselben
darstellenden und aufführenden Sänger 3. Nun wissen
wir, daß der Päan ursprünglich bei Nachlaß einer
Seuche, so wie bei glücklichem Ende eines Kampfes,
überhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war,
gleichsam als Reinigung von der Befleckung damit ge-
sungen wurde 4: ein helles freudiges Lied, vor dem
alle Klagtöne (ailina) verstummen mußten 5, weil es
den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte.
Doch sang man im Kriege außer den Päanen nach der
Schlacht an Apollon 6 auch andere während derselben
an Ares 7; und dem Apollon selbst soll nach der Sage
beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi-
schen Jungfrauen das Je ie Päan zugerufen haben 8.

1 Hom. Hymn. auf Ap. Pyth. Eurip. Jon 128. 140. Pin-
dars Päan in den Frgm.
2 Prokl. bei Photios: idios apekeito
to Ap. k. te Artemidi.
3 Hom. Hymn. 272. 320.
4 Prokl. a. O. Hesych. Bei Sophokles Oed. T. 152. wird ein
dem Päan verwandtes Chorlied angekündigt: Phoibos -- soter
thikoito kai nosou pausterios. vgl. Schol. zu V. 174. und
Suid. ieIon.
5 Kallim. Ap. 21. Nänien und Päanen im
Gegensatze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erhält keinen
Päan, Aeschyl. Niobe Frgm. 5. Päanen des Hades, der Erinnyen
u. f. w. sind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alkestis 436.
6 Vgl. die Päanen der Spartiaten an den Gymnopädien für die
Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie-
gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207.
7 Schol. Cantabr. ad
Iliad.
10, 391.
8 Kallim. Ap. 103. Apoll. Rh. 2, 710. vgl.
Athen. 14, 701 c. Duris bei Erym. M. Ieie. Ie ist übrigens
gewiß nur ololugmos; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt

nicht vom Cultus aus, da in dieſem, beſonders beim
Pythiſchen Heiligthume 1, ſeit uralten Zeiten der Paͤan
als Geſang zur Ehre Apollons fixirt war 2. Der
Geſang hat aber ſeinen Namen vom Gotte, wie an-
dre Arten von Hymnen; Paͤon oder Jepaͤon heißt der
Gott, dann der Geſang, endlich auch die denſelben
darſtellenden und auffuͤhrenden Saͤnger 3. Nun wiſſen
wir, daß der Paͤan urſpruͤnglich bei Nachlaß einer
Seuche, ſo wie bei gluͤcklichem Ende eines Kampfes,
uͤberhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war,
gleichſam als Reinigung von der Befleckung damit ge-
ſungen wurde 4: ein helles freudiges Lied, vor dem
alle Klagtoͤne (αἴλινα) verſtummen mußten 5, weil es
den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte.
Doch ſang man im Kriege außer den Paͤanen nach der
Schlacht an Apollon 6 auch andere waͤhrend derſelben
an Ares 7; und dem Apollon ſelbſt ſoll nach der Sage
beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi-
ſchen Jungfrauen das Je ie Paͤan zugerufen haben 8.

1 Hom. Hymn. auf Ap. Pyth. Eurip. Jon 128. 140. Pin-
dars Paͤan in den Frgm.
2 Prokl. bei Photios: ἰδίως ἀπέκειτο
τῷ Ἀπ. κ. τῇ Ἀϱτέμιδι.
3 Hom. Hymn. 272. 320.
4 Prokl. a. O. Heſych. Bei Sophokles Oed. T. 152. wird ein
dem Paͤan verwandtes Chorlied angekuͤndigt: Φοῖβος — σωτήϱ
ϑ̕ἵκοιτο καὶ νόσου παυστήϱιος. vgl. Schol. zu V. 174. und
Suid. ἰηΐων.
5 Kallim. Ap. 21. Naͤnien und Paͤanen im
Gegenſatze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erhaͤlt keinen
Paͤan, Aeſchyl. Niobe Frgm. 5. Paͤanen des Hades, der Erinnyen
u. f. w. ſind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alkeſtis 436.
6 Vgl. die Paͤanen der Spartiaten an den Gymnopaͤdien fuͤr die
Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie-
gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207.
7 Schol. Cantabr. ad
Iliad.
10, 391.
8 Kallim. Ap. 103. Apoll. Rh. 2, 710. vgl.
Athen. 14, 701 c. Duris bei Erym. M. Ἰήἳε. Ἰἡ iſt uͤbrigens
gewiß nur ὀλολυγμὸς; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0328" n="298"/>
nicht vom Cultus aus, da in die&#x017F;em, be&#x017F;onders beim<lb/>
Pythi&#x017F;chen Heiligthume <note place="foot" n="1">Hom. Hymn. auf Ap. Pyth. Eurip. Jon 128. 140. Pin-<lb/>
dars Pa&#x0364;an in den Frgm.</note>, &#x017F;eit uralten Zeiten der Pa&#x0364;an<lb/>
als Ge&#x017F;ang zur Ehre Apollons fixirt war <note place="foot" n="2">Prokl. bei Photios: &#x1F30;&#x03B4;&#x03AF;&#x03C9;&#x03C2; &#x1F00;&#x03C0;&#x03AD;&#x03BA;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C4;&#x03BF;<lb/>
&#x03C4;&#x1FF7; &#x1F08;&#x03C0;. &#x03BA;. &#x03C4;&#x1FC7; &#x1F08;&#x03F1;&#x03C4;&#x03AD;&#x03BC;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B9;.</note>. Der<lb/>
Ge&#x017F;ang hat aber &#x017F;einen Namen vom Gotte, wie an-<lb/>
dre Arten von Hymnen; Pa&#x0364;on oder Jepa&#x0364;on heißt der<lb/>
Gott, dann der Ge&#x017F;ang, endlich auch die den&#x017F;elben<lb/>
dar&#x017F;tellenden und auffu&#x0364;hrenden Sa&#x0364;nger <note place="foot" n="3">Hom. Hymn. 272. 320.</note>. Nun wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir, daß der Pa&#x0364;an ur&#x017F;pru&#x0364;nglich bei Nachlaß einer<lb/>
Seuche, &#x017F;o wie bei glu&#x0364;cklichem Ende eines Kampfes,<lb/>
u&#x0364;berhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war,<lb/>
gleich&#x017F;am als Reinigung von der Befleckung damit ge-<lb/>
&#x017F;ungen wurde <note place="foot" n="4">Prokl. a. O. He&#x017F;ych. Bei Sophokles Oed. T. 152. wird ein<lb/>
dem Pa&#x0364;an verwandtes Chorlied angeku&#x0364;ndigt: &#x03A6;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03B2;&#x03BF;&#x03C2; &#x2014; &#x03C3;&#x03C9;&#x03C4;&#x03AE;&#x03F1;<lb/>
&#x03D1;&#x0315;&#x1F35;&#x03BA;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C4;&#x03BF; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BD;&#x03CC;&#x03C3;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C5;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AE;&#x03F1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;. vgl. Schol. zu V. 174. und<lb/>
Suid. &#x1F30;&#x03B7;&#x0390;&#x03C9;&#x03BD;.</note>: ein helles freudiges Lied, vor dem<lb/>
alle Klagto&#x0364;ne (&#x03B1;&#x1F34;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B1;) ver&#x017F;tummen mußten <note place="foot" n="5">Kallim. Ap. 21. Na&#x0364;nien und Pa&#x0364;anen im<lb/>
Gegen&#x017F;atze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erha&#x0364;lt keinen<lb/>
Pa&#x0364;an, Ae&#x017F;chyl. Niobe Frgm. 5. Pa&#x0364;anen des Hades, der Erinnyen<lb/>
u. f. w. &#x017F;ind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alke&#x017F;tis 436.</note>, weil es<lb/>
den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte.<lb/>
Doch &#x017F;ang man im Kriege außer den Pa&#x0364;anen nach der<lb/>
Schlacht an Apollon <note place="foot" n="6">Vgl. die Pa&#x0364;anen der Spartiaten an den Gymnopa&#x0364;dien fu&#x0364;r die<lb/>
Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie-<lb/>
gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207.</note> auch andere wa&#x0364;hrend der&#x017F;elben<lb/>
an Ares <note place="foot" n="7"><hi rendition="#aq">Schol. Cantabr. ad<lb/>
Iliad.</hi> 10, 391.</note>; und dem Apollon &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;oll nach der Sage<lb/>
beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi-<lb/>
&#x017F;chen Jungfrauen das Je ie Pa&#x0364;an zugerufen haben <note xml:id="seg2pn_32_1" next="#seg2pn_32_2" place="foot" n="8">Kallim. Ap. 103. Apoll. Rh. 2, 710. vgl.<lb/>
Athen. 14, 701 <hi rendition="#aq">c.</hi> Duris bei Erym. M. &#x1F38;&#x03AE;&#x1F33;&#x03B5;. &#x1F38;&#x1F21; i&#x017F;t u&#x0364;brigens<lb/>
gewiß nur &#x1F40;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BB;&#x03C5;&#x03B3;&#x03BC;&#x1F78;&#x03C2;; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt</note>.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0328] nicht vom Cultus aus, da in dieſem, beſonders beim Pythiſchen Heiligthume 1, ſeit uralten Zeiten der Paͤan als Geſang zur Ehre Apollons fixirt war 2. Der Geſang hat aber ſeinen Namen vom Gotte, wie an- dre Arten von Hymnen; Paͤon oder Jepaͤon heißt der Gott, dann der Geſang, endlich auch die denſelben darſtellenden und auffuͤhrenden Saͤnger 3. Nun wiſſen wir, daß der Paͤan urſpruͤnglich bei Nachlaß einer Seuche, ſo wie bei gluͤcklichem Ende eines Kampfes, uͤberhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war, gleichſam als Reinigung von der Befleckung damit ge- ſungen wurde 4: ein helles freudiges Lied, vor dem alle Klagtoͤne (αἴλινα) verſtummen mußten 5, weil es den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte. Doch ſang man im Kriege außer den Paͤanen nach der Schlacht an Apollon 6 auch andere waͤhrend derſelben an Ares 7; und dem Apollon ſelbſt ſoll nach der Sage beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi- ſchen Jungfrauen das Je ie Paͤan zugerufen haben 8. 1 Hom. Hymn. auf Ap. Pyth. Eurip. Jon 128. 140. Pin- dars Paͤan in den Frgm. 2 Prokl. bei Photios: ἰδίως ἀπέκειτο τῷ Ἀπ. κ. τῇ Ἀϱτέμιδι. 3 Hom. Hymn. 272. 320. 4 Prokl. a. O. Heſych. Bei Sophokles Oed. T. 152. wird ein dem Paͤan verwandtes Chorlied angekuͤndigt: Φοῖβος — σωτήϱ ϑ̕ἵκοιτο καὶ νόσου παυστήϱιος. vgl. Schol. zu V. 174. und Suid. ἰηΐων. 5 Kallim. Ap. 21. Naͤnien und Paͤanen im Gegenſatze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erhaͤlt keinen Paͤan, Aeſchyl. Niobe Frgm. 5. Paͤanen des Hades, der Erinnyen u. f. w. ſind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alkeſtis 436. 6 Vgl. die Paͤanen der Spartiaten an den Gymnopaͤdien fuͤr die Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie- gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207. 7 Schol. Cantabr. ad Iliad. 10, 391. 8 Kallim. Ap. 103. Apoll. Rh. 2, 710. vgl. Athen. 14, 701 c. Duris bei Erym. M. Ἰήἳε. Ἰἡ iſt uͤbrigens gewiß nur ὀλολυγμὸς; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/328
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/328>, abgerufen am 22.11.2024.