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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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ten Osten gedacht werden kann: vielleicht daß der Dich-
ter hierin schon Rücksicht nahm auf Persische Fabeln,
wie sie später Ktesias aufzeichnete, von ähnlichen Un-
geheuern, die in den Gebirgen Hochasiens das Gold
der Klüfte bewachen und vertheidigen.

7.

So willkührlich hierin der Dichtung zu spielen ver-
gönnt war: mit solcher Uebereinstimmung wird allge-
mein der ethisch religiöse Begriff der Hyperboreer fest-
gehalten. Sie werden vorgestellt als ein gerechtes
Volk, das sich der Thierspeise enthält, und in steter
Heiterkeit dem Dienste des Gottes ein tausendjähriges
Leben lebt 1.

Nimmer weilet die Muse
Von ihren Weisen entfernt. Umher schwebet der Jungfrauentanz,
Und Lyra ertönt und der Flöt' aufjauchzender Laut.
Mit goldprangendem Lorbeer lockiges Haar flechtend feiern sie
Festmahl' in Heiterkeit.
Nicht Siechthum noch Greisenalter, das kraftlose, naht
Dem geliebtesten Volk. Von Mühn wie von Fehden fern
Leben all' und entgehen
Der strengen Nemesis Zorn 2.

Von ihren Festen, die man sich unter freiem Himmel
dachte 3, erzählte Hekatäos von Abdera, daß dieselben
drei riesengroße Boreaden feierten, in deren Saiten-
spiel und Chorgesang unendliche Züge von Schwänen
einstimmten 4. Aber das seltsamste davon berichtet

1 Hellanik. a. O. Simonides und Pindar bei Str. 15.
p. 1038 b. Aeschyl. Choeph. 371.
2 Pind. P. 10, 37.
3 Vgl. die aithria stephe. Suid. s. v. stephos -- ta ex `Uperbo-
reon komizomena, os aei en upaithro tithemena. vgl. Kratinos
bei Hesych. Lex. Bekk. p. 355. vgl. Classical Journ. N. 12.
p.
369.
4 bei Aelian N. A. 11, 1. vgl. Creuzer Hist.
frgm. p.
85. Dieser Hekatäos glaubte noch an die geographische
Existenz der Hyperboreer, Sch. Apoll. 2, 675. Steph. B. Karam-
bukai.

ten Oſten gedacht werden kann: vielleicht daß der Dich-
ter hierin ſchon Ruͤckſicht nahm auf Perſiſche Fabeln,
wie ſie ſpaͤter Kteſias aufzeichnete, von aͤhnlichen Un-
geheuern, die in den Gebirgen Hochaſiens das Gold
der Kluͤfte bewachen und vertheidigen.

7.

So willkuͤhrlich hierin der Dichtung zu ſpielen ver-
goͤnnt war: mit ſolcher Uebereinſtimmung wird allge-
mein der ethiſch religioͤſe Begriff der Hyperboreer feſt-
gehalten. Sie werden vorgeſtellt als ein gerechtes
Volk, das ſich der Thierſpeiſe enthaͤlt, und in ſteter
Heiterkeit dem Dienſte des Gottes ein tauſendjaͤhriges
Leben lebt 1.

Nimmer weilet die Muſe
Von ihren Weiſen entfernt. Umher ſchwebet der Jungfrauentanz,
Und Lyra ertoͤnt und der Floͤt’ aufjauchzender Laut.
Mit goldprangendem Lorbeer lockiges Haar flechtend feiern ſie
Feſtmahl’ in Heiterkeit.
Nicht Siechthum noch Greiſenalter, das kraftloſe, naht
Dem geliebteſten Volk. Von Muͤhn wie von Fehden fern
Leben all’ und entgehen
Der ſtrengen Nemeſis Zorn 2.

Von ihren Feſten, die man ſich unter freiem Himmel
dachte 3, erzaͤhlte Hekataͤos von Abdera, daß dieſelben
drei rieſengroße Boreaden feierten, in deren Saiten-
ſpiel und Chorgeſang unendliche Zuͤge von Schwaͤnen
einſtimmten 4. Aber das ſeltſamſte davon berichtet

1 Hellanik. a. O. Simonides und Pindar bei Str. 15.
p. 1038 b. Aeſchyl. Choeph. 371.
2 Pind. P. 10, 37.
3 Vgl. die αἴϑϱια στέφη. Suid. s. v. στέφος — τὰ ἐξ ῾ϒπεϱβο-
ϱέων κομιζόμενα, ὡς ἀεὶ ἐν ὑπαίθϱῳ τιϑέμενα. vgl. Kratinos
bei Heſych. Lex. Bekk. p. 355. vgl. Classical Journ. N. 12.
p.
369.
4 bei Aelian N. A. 11, 1. vgl. Creuzer Hist.
frgm. p.
85. Dieſer Hekataͤos glaubte noch an die geographiſche
Exiſtenz der Hyperboreer, Sch. Apoll. 2, 675. Steph. B. Καϱαμ-
βύκαι.
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[278/0308] ten Oſten gedacht werden kann: vielleicht daß der Dich- ter hierin ſchon Ruͤckſicht nahm auf Perſiſche Fabeln, wie ſie ſpaͤter Kteſias aufzeichnete, von aͤhnlichen Un- geheuern, die in den Gebirgen Hochaſiens das Gold der Kluͤfte bewachen und vertheidigen. 7. So willkuͤhrlich hierin der Dichtung zu ſpielen ver- goͤnnt war: mit ſolcher Uebereinſtimmung wird allge- mein der ethiſch religioͤſe Begriff der Hyperboreer feſt- gehalten. Sie werden vorgeſtellt als ein gerechtes Volk, das ſich der Thierſpeiſe enthaͤlt, und in ſteter Heiterkeit dem Dienſte des Gottes ein tauſendjaͤhriges Leben lebt 1. Nimmer weilet die Muſe Von ihren Weiſen entfernt. Umher ſchwebet der Jungfrauentanz, Und Lyra ertoͤnt und der Floͤt’ aufjauchzender Laut. Mit goldprangendem Lorbeer lockiges Haar flechtend feiern ſie Feſtmahl’ in Heiterkeit. Nicht Siechthum noch Greiſenalter, das kraftloſe, naht Dem geliebteſten Volk. Von Muͤhn wie von Fehden fern Leben all’ und entgehen Der ſtrengen Nemeſis Zorn 2. Von ihren Feſten, die man ſich unter freiem Himmel dachte 3, erzaͤhlte Hekataͤos von Abdera, daß dieſelben drei rieſengroße Boreaden feierten, in deren Saiten- ſpiel und Chorgeſang unendliche Zuͤge von Schwaͤnen einſtimmten 4. Aber das ſeltſamſte davon berichtet 1 Hellanik. a. O. Simonides und Pindar bei Str. 15. p. 1038 b. Aeſchyl. Choeph. 371. 2 Pind. P. 10, 37. 3 Vgl. die αἴϑϱια στέφη. Suid. s. v. στέφος — τὰ ἐξ ῾ϒπεϱβο- ϱέων κομιζόμενα, ὡς ἀεὶ ἐν ὑπαίθϱῳ τιϑέμενα. vgl. Kratinos bei Heſych. Lex. Bekk. p. 355. vgl. Classical Journ. N. 12. p. 369. 4 bei Aelian N. A. 11, 1. vgl. Creuzer Hist. frgm. p. 85. Dieſer Hekataͤos glaubte noch an die geographiſche Exiſtenz der Hyperboreer, Sch. Apoll. 2, 675. Steph. B. Καϱαμ- βύκαι.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/308>, abgerufen am 09.11.2024.