zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo- ponnes -- hier zusammen, um den Delphischen Cultus zu gründen. Die durch die letzteren gegründete Ver- bindung muß nach vielen Sagen und geschichtlichen Spuren lange fortbestanden haben 1. Die alte Zelt- hütte aus Flügeln; eine uralte aus einem Stamm ge- wachsene Bildsäule des Gottes -- vielleicht eines der ältesten Werke roher Schnitzarbeit -- waren nach Sage und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf- te Reihe der Delphischen Hymnoden beginnt mit Chry- sothemis, dem Sohne des obengenannten Sühnpriesters Karmanor zu Tarrha 2. Und nicht blos Dädalische Schnitzwerke und Hymnen, auch Menschen sandte Kreta von Zeit zu Zeit zum Dienste des Pythischen Gottes (anthropon aparkhen) 3.
9.
Ich weiß nicht, ob diese Data genügen, ein bedeutsames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen Eiland Kreta festgegründet und einen gewissen Verkehr dieser Punkte vermittelnd doch noch vom südlichen Grie- chenland, jenseits des Oeta- und Parnassosgebirgs, aus- geschlossen war. Es ist unverkennbar, daß der weitere Fortschritt desselben dahin lange Widerstand fand; Apol- lon selbst tritt als Schützer seines Heiligthums in alten Sagen auf, worauf sich das poetische Orakel bezieht 4:
Bald wird gegen den Mann, der die Flur Parnassos gefährdet, Phöbos den Pfeil entsenden. Des Bluts entsühnen die Hände Kretische Männer alsdann: doch nie lischt göttlicher Ruhm aus.
1 S. über diese Verbindung Zoega Bassiril. 1. zu tv. 81. Aegin. p. 154. Raoul-Roch. T. 2. p. 164. Auch Koretas, der angebliche Entdecker des Orakels, trägt einen Kretischen Namen (kores für koures dor.) Plut. de def. or. 21. 46.
2 Paus. 10, 7, 2.
3 Plut. Thes. 16.
4 Paus. 10, 6, 6.
zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo- ponnes — hier zuſammen, um den Delphiſchen Cultus zu gruͤnden. Die durch die letzteren gegruͤndete Ver- bindung muß nach vielen Sagen und geſchichtlichen Spuren lange fortbeſtanden haben 1. Die alte Zelt- huͤtte aus Fluͤgeln; eine uralte aus einem Stamm ge- wachſene Bildſaͤule des Gottes — vielleicht eines der aͤlteſten Werke roher Schnitzarbeit — waren nach Sage und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf- te Reihe der Delphiſchen Hymnoden beginnt mit Chry- ſothemis, dem Sohne des obengenannten Suͤhnprieſters Karmanor zu Tarrha 2. Und nicht blos Daͤdaliſche Schnitzwerke und Hymnen, auch Menſchen ſandte Kreta von Zeit zu Zeit zum Dienſte des Pythiſchen Gottes (ἀνϑρώπων ἀπαϱχήν) 3.
9.
Ich weiß nicht, ob dieſe Data genuͤgen, ein bedeutſames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen Eiland Kreta feſtgegruͤndet und einen gewiſſen Verkehr dieſer Punkte vermittelnd doch noch vom ſuͤdlichen Grie- chenland, jenſeits des Oeta- und Parnaſſosgebirgs, aus- geſchloſſen war. Es iſt unverkennbar, daß der weitere Fortſchritt deſſelben dahin lange Widerſtand fand; Apol- lon ſelbſt tritt als Schuͤtzer ſeines Heiligthums in alten Sagen auf, worauf ſich das poëtiſche Orakel bezieht 4:
Bald wird gegen den Mann, der die Flur Parnaſſos gefaͤhrdet, Phoͤbos den Pfeil entſenden. Des Bluts entſuͤhnen die Haͤnde Kretiſche Maͤnner alsdann: doch nie liſcht goͤttlicher Ruhm aus.
1 S. uͤber dieſe Verbindung Zoëga Bassiril. 1. zu tv. 81. Aegin. p. 154. Raoul-Roch. T. 2. p. 164. Auch Koretas, der angebliche Entdecker des Orakels, traͤgt einen Kretiſchen Namen (κώϱης fuͤr κούϱης dor.) Plut. de def. or. 21. 46.
2 Pauſ. 10, 7, 2.
3 Plut. Theſ. 16.
4 Pauſ. 10, 6, 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0243"n="213"/>
zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo-<lb/>
ponnes — hier zuſammen, um den Delphiſchen Cultus<lb/>
zu gruͤnden. Die durch die letzteren gegruͤndete Ver-<lb/>
bindung muß nach vielen Sagen und geſchichtlichen<lb/>
Spuren lange fortbeſtanden haben <noteplace="foot"n="1">S. uͤber dieſe Verbindung Zo<hirendition="#aq">ë</hi>ga <hirendition="#aq">Bassiril.</hi> 1. zu <hirendition="#aq">tv.</hi> 81.<lb/><hirendition="#aq">Aegin. p.</hi> 154. Raoul-Roch. <hirendition="#aq">T.</hi> 2. <hirendition="#aq">p.</hi> 164. Auch Koretas, der<lb/>
angebliche Entdecker des Orakels, traͤgt einen Kretiſchen Namen<lb/>
(κώϱης fuͤr κούϱης dor.) Plut. <hirendition="#aq">de def. or.</hi> 21. 46.</note>. Die alte Zelt-<lb/>
huͤtte aus Fluͤgeln; eine uralte aus einem Stamm ge-<lb/>
wachſene Bildſaͤule des Gottes — vielleicht eines der<lb/>
aͤlteſten Werke roher Schnitzarbeit — waren nach Sage<lb/>
und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf-<lb/>
te Reihe der Delphiſchen Hymnoden beginnt mit Chry-<lb/>ſothemis, dem Sohne des obengenannten Suͤhnprieſters<lb/>
Karmanor zu Tarrha <noteplace="foot"n="2">Pauſ.<lb/>
10, 7, 2.</note>. Und nicht blos Daͤdaliſche<lb/>
Schnitzwerke und Hymnen, auch Menſchen ſandte Kreta<lb/>
von Zeit zu Zeit zum Dienſte des Pythiſchen Gottes<lb/>
(ἀνϑρώπωνἀπαϱχήν) <noteplace="foot"n="3">Plut. Theſ. 16.</note>.</p></div><lb/><divn="4"><head>9.</head><p>Ich weiß nicht, ob dieſe Data genuͤgen, ein<lb/>
bedeutſames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus<lb/>
des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen<lb/>
Eiland Kreta feſtgegruͤndet und einen gewiſſen Verkehr<lb/>
dieſer Punkte vermittelnd doch noch vom ſuͤdlichen Grie-<lb/>
chenland, jenſeits des Oeta- und Parnaſſosgebirgs, aus-<lb/>
geſchloſſen war. Es iſt unverkennbar, daß der weitere<lb/>
Fortſchritt deſſelben dahin lange Widerſtand fand; Apol-<lb/>
lon ſelbſt tritt als Schuͤtzer ſeines Heiligthums in alten<lb/>
Sagen auf, worauf ſich das poëtiſche Orakel bezieht <noteplace="foot"n="4">Pauſ. 10, 6, 6.</note>:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Bald wird gegen den Mann, der die Flur Parnaſſos gefaͤhrdet,</l><lb/><l>Phoͤbos den Pfeil entſenden. Des Bluts entſuͤhnen die Haͤnde</l><lb/><l>Kretiſche Maͤnner alsdann: doch nie liſcht goͤttlicher Ruhm aus.</l></lg><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[213/0243]
zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo-
ponnes — hier zuſammen, um den Delphiſchen Cultus
zu gruͤnden. Die durch die letzteren gegruͤndete Ver-
bindung muß nach vielen Sagen und geſchichtlichen
Spuren lange fortbeſtanden haben 1. Die alte Zelt-
huͤtte aus Fluͤgeln; eine uralte aus einem Stamm ge-
wachſene Bildſaͤule des Gottes — vielleicht eines der
aͤlteſten Werke roher Schnitzarbeit — waren nach Sage
und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf-
te Reihe der Delphiſchen Hymnoden beginnt mit Chry-
ſothemis, dem Sohne des obengenannten Suͤhnprieſters
Karmanor zu Tarrha 2. Und nicht blos Daͤdaliſche
Schnitzwerke und Hymnen, auch Menſchen ſandte Kreta
von Zeit zu Zeit zum Dienſte des Pythiſchen Gottes
(ἀνϑρώπων ἀπαϱχήν) 3.
9. Ich weiß nicht, ob dieſe Data genuͤgen, ein
bedeutſames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus
des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen
Eiland Kreta feſtgegruͤndet und einen gewiſſen Verkehr
dieſer Punkte vermittelnd doch noch vom ſuͤdlichen Grie-
chenland, jenſeits des Oeta- und Parnaſſosgebirgs, aus-
geſchloſſen war. Es iſt unverkennbar, daß der weitere
Fortſchritt deſſelben dahin lange Widerſtand fand; Apol-
lon ſelbſt tritt als Schuͤtzer ſeines Heiligthums in alten
Sagen auf, worauf ſich das poëtiſche Orakel bezieht 4:
Bald wird gegen den Mann, der die Flur Parnaſſos gefaͤhrdet,
Phoͤbos den Pfeil entſenden. Des Bluts entſuͤhnen die Haͤnde
Kretiſche Maͤnner alsdann: doch nie liſcht goͤttlicher Ruhm aus.
1 S. uͤber dieſe Verbindung Zoëga Bassiril. 1. zu tv. 81.
Aegin. p. 154. Raoul-Roch. T. 2. p. 164. Auch Koretas, der
angebliche Entdecker des Orakels, traͤgt einen Kretiſchen Namen
(κώϱης fuͤr κούϱης dor.) Plut. de def. or. 21. 46.
2 Pauſ.
10, 7, 2.
3 Plut. Theſ. 16.
4 Pauſ. 10, 6, 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/243>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.