Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.Diese willkührlichen Phantasmen entwickeln und verwan- 150. Höchst wichtig ist aber, was Goethe aus seiner rei- Der eigenhändige Bericht Goethe's ist schon im §. 48 151. Goethe eröffnet selbst an dieser Stelle die höhere "Wie besonders die Alten mit diesen Idolen begabt Dieſe willkuͤhrlichen Phantasmen entwickeln und verwan- 150. Hoͤchſt wichtig iſt aber, was Goethe aus ſeiner rei- Der eigenhaͤndige Bericht Goethe’s iſt ſchon im §. 48 151. Goethe eroͤffnet ſelbſt an dieſer Stelle die hoͤhere »Wie beſonders die Alten mit dieſen Idolen begabt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="83"/> Dieſe willkuͤhrlichen Phantasmen entwickeln und verwan-<lb/> deln ſich aber ſofort ohne alle Willensbeſtimmung.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>150.</head><lb/> <p>Hoͤchſt wichtig iſt aber, was <hi rendition="#g">Goethe</hi> aus ſeiner rei-<lb/> chen innern Sinnesanſchaung von ſich ſelbſt mitgetheilt<lb/> hat.</p><lb/> <p>Der eigenhaͤndige Bericht <hi rendition="#g">Goethe’s</hi> iſt ſchon im §. 48<lb/> mitgetheilt worden. <hi rendition="#g">Goethe</hi> ſah in fruͤhern Jahren die<lb/> im dunkeln Sehraum eingebildeten Blumen, Zierrathen<lb/> leuchtend und farbig, aber die eingebildeten Phantasmen<lb/> behaupteten nicht einen Augenblick ihre Geſtalt, ſie legten<lb/> ſich aus einander, entwickelten ſich von der Mitte gegen die<lb/> Peripherie, und entfalteten aus ihren Innern wieder neue<lb/> Blumen aus ihrem Innern. Nie gelang es, die hervorquel-<lb/> lende Schoͤpfung zu fixiren, hingegen dauerte ſie, ſo lange<lb/> es beliebte, ermattete nicht und verſtaͤrkte ſich nicht.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>151.</head><lb/> <p><hi rendition="#g">Goethe</hi> eroͤffnet ſelbſt an dieſer Stelle die hoͤhere<lb/> Betrachtung. »Man ſieht deutlicher ein, was es hei-<lb/> ßen wolle, daß Dichter und alle eigentlichen Kuͤnſt-<lb/> len geboren ſeyn muͤſſen. Es muß naͤmlich ihre innere<lb/> productive Kraft jene Nachbilder, die im Organe, in der<lb/> Erinnerung, in der Einbildungskraft zuruͤckgebliebenen<lb/> Idole freiwillig, ohne Vorſatz und Wollen lebendig hervor-<lb/> thun, ſie muͤſſen ſich entfalten, wachſen, ſich ausdehnen,<lb/> zuſammenziehen, um aus fluͤchtigen Schemen wahrhaft<lb/> gegenſtaͤndliche Bilder zu werden.«</p><lb/> <p>»Wie beſonders die Alten mit dieſen Idolen begabt<lb/> geweſen ſeyn muͤßen, laͤßt ſich aus <hi rendition="#g">Demokrits</hi> Lehre<lb/> von den Idolen ſchlieſſen. Er kann nur aus der eignen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0099]
Dieſe willkuͤhrlichen Phantasmen entwickeln und verwan-
deln ſich aber ſofort ohne alle Willensbeſtimmung.
150.
Hoͤchſt wichtig iſt aber, was Goethe aus ſeiner rei-
chen innern Sinnesanſchaung von ſich ſelbſt mitgetheilt
hat.
Der eigenhaͤndige Bericht Goethe’s iſt ſchon im §. 48
mitgetheilt worden. Goethe ſah in fruͤhern Jahren die
im dunkeln Sehraum eingebildeten Blumen, Zierrathen
leuchtend und farbig, aber die eingebildeten Phantasmen
behaupteten nicht einen Augenblick ihre Geſtalt, ſie legten
ſich aus einander, entwickelten ſich von der Mitte gegen die
Peripherie, und entfalteten aus ihren Innern wieder neue
Blumen aus ihrem Innern. Nie gelang es, die hervorquel-
lende Schoͤpfung zu fixiren, hingegen dauerte ſie, ſo lange
es beliebte, ermattete nicht und verſtaͤrkte ſich nicht.
151.
Goethe eroͤffnet ſelbſt an dieſer Stelle die hoͤhere
Betrachtung. »Man ſieht deutlicher ein, was es hei-
ßen wolle, daß Dichter und alle eigentlichen Kuͤnſt-
len geboren ſeyn muͤſſen. Es muß naͤmlich ihre innere
productive Kraft jene Nachbilder, die im Organe, in der
Erinnerung, in der Einbildungskraft zuruͤckgebliebenen
Idole freiwillig, ohne Vorſatz und Wollen lebendig hervor-
thun, ſie muͤſſen ſich entfalten, wachſen, ſich ausdehnen,
zuſammenziehen, um aus fluͤchtigen Schemen wahrhaft
gegenſtaͤndliche Bilder zu werden.«
»Wie beſonders die Alten mit dieſen Idolen begabt
geweſen ſeyn muͤßen, laͤßt ſich aus Demokrits Lehre
von den Idolen ſchlieſſen. Er kann nur aus der eignen
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Zitationshilfe: | Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/99>, abgerufen am 22.07.2024. |