Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einer blendenden Lebhaftigkeit und manchmal selbst am
hellen Tage bei offenen Augen vorkommen, beweißt die Ge-
schichte ihrer verkehrten Auslegungen als Visionen, Spec-
tra, magische Erscheinungen, magnetisches Hellsehen. Dem
Arzte sind sie längst bekannt als sogenannte Hallucinatio-
nen in Fiebern, in Krankheiten des Gehirns, in der Hy-
sterie, Hypochondrie, Catalepsie, bei Irren, in der Ekstase
und verwandten Zuständen.

44.

Es kömmt hier aber vor Allem auf eine vorurtheils-
freie durchaus nüchterne Selbstbeobachtung im ganz gesun-
den Zustande an, diese war der Zweck der eben mitgetheil-
ten Darstellung. Mögen wir nun auch derjenigen erinnern,
denen diese Erscheinungen in gleichem Grade zugänglich
oder lebendiger noch gewohnt, und die gleichwohl, das ein-
fache Phaenomen weder durch Schwärmerei noch Aberglau-
ben entstellend, es als einen Reichthum ihres sinnlichen We-
sens betrachteten.

45.

Cardanus erzählt im 18. Buch de subtilitate von sich
selbst:

Id fuit ab anno quarto ad septimum usque: ab ho-
ra enim diei secunda ad quartam semper, aut si modo
tardius aut surgerem aut expergiscerer, imagines videbam
ab imo lecti, quasi e parvulis annulis areisque con-
stantes, arborum, belluarum, hominum, oppidorum,
instructarum acierum, bellicorum ac musicorum instru-
mentorum, aliorumque huius generis adscendentes, vicis-
simque descendentes, aliis atque aliis succedentibus.
Cumque his maxime puerulus existens oblecta-
rer, obque id intentus inspicerem, Clara mater et
Margaretha amita diligenter aliquando interrogarunt,

mit einer blendenden Lebhaftigkeit und manchmal ſelbſt am
hellen Tage bei offenen Augen vorkommen, beweißt die Ge-
ſchichte ihrer verkehrten Auslegungen als Viſionen, Spec-
tra, magiſche Erſcheinungen, magnetiſches Hellſehen. Dem
Arzte ſind ſie laͤngſt bekannt als ſogenannte Hallucinatio-
nen in Fiebern, in Krankheiten des Gehirns, in der Hy-
ſterie, Hypochondrie, Catalepſie, bei Irren, in der Ekſtaſe
und verwandten Zuſtaͤnden.

44.

Es koͤmmt hier aber vor Allem auf eine vorurtheils-
freie durchaus nuͤchterne Selbſtbeobachtung im ganz geſun-
den Zuſtande an, dieſe war der Zweck der eben mitgetheil-
ten Darſtellung. Moͤgen wir nun auch derjenigen erinnern,
denen dieſe Erſcheinungen in gleichem Grade zugaͤnglich
oder lebendiger noch gewohnt, und die gleichwohl, das ein-
fache Phaenomen weder durch Schwaͤrmerei noch Aberglau-
ben entſtellend, es als einen Reichthum ihres ſinnlichen We-
ſens betrachteten.

45.

Cardanus erzaͤhlt im 18. Buch de subtilitate von ſich
ſelbſt:

Id fuit ab anno quarto ad septimum usque: ab ho-
ra enim diei secunda ad quartam semper, aut si modo
tardius aut surgerem aut expergiscerer, imagines videbam
ab imo lecti, quasi e parvulis annulis areisque con-
stantes, arborum, belluarum, hominum, oppidorum,
instructarum acierum, bellicorum ac musicorum instru-
mentorum, aliorumque huius generis adscendentes, vicis-
simque descendentes, aliis atque aliis succedentibus.
Cumque his maxime puerulus existens oblecta-
rer, obque id intentus inspicerem, Clara mater et
Margaretha amita diligenter aliquando interrogarunt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0041" n="25"/>
mit einer blendenden Lebhaftigkeit und manchmal &#x017F;elb&#x017F;t am<lb/>
hellen Tage bei offenen Augen vorkommen, beweißt die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte ihrer verkehrten Auslegungen als Vi&#x017F;ionen, Spec-<lb/>
tra, magi&#x017F;che Er&#x017F;cheinungen, magneti&#x017F;ches Hell&#x017F;ehen. Dem<lb/>
Arzte &#x017F;ind &#x017F;ie la&#x0364;ng&#x017F;t bekannt als &#x017F;ogenannte Hallucinatio-<lb/>
nen in Fiebern, in Krankheiten des Gehirns, in der Hy-<lb/>
&#x017F;terie, Hypochondrie, Catalep&#x017F;ie, bei Irren, in der Ek&#x017F;ta&#x017F;e<lb/>
und verwandten Zu&#x017F;ta&#x0364;nden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>44.</head><lb/>
            <p>Es ko&#x0364;mmt hier aber vor Allem auf eine vorurtheils-<lb/>
freie durchaus nu&#x0364;chterne Selb&#x017F;tbeobachtung im ganz ge&#x017F;un-<lb/>
den Zu&#x017F;tande an, die&#x017F;e war der Zweck der eben mitgetheil-<lb/>
ten Dar&#x017F;tellung. Mo&#x0364;gen wir nun auch derjenigen erinnern,<lb/>
denen die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen in gleichem Grade zuga&#x0364;nglich<lb/>
oder lebendiger noch gewohnt, und die gleichwohl, das ein-<lb/>
fache Phaenomen weder durch Schwa&#x0364;rmerei noch Aberglau-<lb/>
ben ent&#x017F;tellend, es als einen Reichthum ihres &#x017F;innlichen We-<lb/>
&#x017F;ens betrachteten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>45.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Cardanus</hi> erza&#x0364;hlt im 18. Buch <hi rendition="#aq">de subtilitate</hi> von &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t:</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq">Id fuit ab anno quarto ad septimum usque: ab ho-<lb/>
ra enim diei secunda ad quartam semper, aut si modo<lb/>
tardius aut surgerem aut expergiscerer, imagines videbam<lb/>
ab imo lecti, quasi e parvulis annulis areisque con-<lb/>
stantes, arborum, belluarum, hominum, oppidorum,<lb/>
instructarum acierum, bellicorum ac musicorum instru-<lb/>
mentorum, aliorumque huius generis adscendentes, vicis-<lb/>
simque descendentes, aliis atque aliis succedentibus.<lb/>
Cumque his maxime puerulus existens oblecta-<lb/>
rer, obque id intentus inspicerem, Clara mater et<lb/>
Margaretha amita diligenter aliquando interrogarunt,<lb/></hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0041] mit einer blendenden Lebhaftigkeit und manchmal ſelbſt am hellen Tage bei offenen Augen vorkommen, beweißt die Ge- ſchichte ihrer verkehrten Auslegungen als Viſionen, Spec- tra, magiſche Erſcheinungen, magnetiſches Hellſehen. Dem Arzte ſind ſie laͤngſt bekannt als ſogenannte Hallucinatio- nen in Fiebern, in Krankheiten des Gehirns, in der Hy- ſterie, Hypochondrie, Catalepſie, bei Irren, in der Ekſtaſe und verwandten Zuſtaͤnden. 44. Es koͤmmt hier aber vor Allem auf eine vorurtheils- freie durchaus nuͤchterne Selbſtbeobachtung im ganz geſun- den Zuſtande an, dieſe war der Zweck der eben mitgetheil- ten Darſtellung. Moͤgen wir nun auch derjenigen erinnern, denen dieſe Erſcheinungen in gleichem Grade zugaͤnglich oder lebendiger noch gewohnt, und die gleichwohl, das ein- fache Phaenomen weder durch Schwaͤrmerei noch Aberglau- ben entſtellend, es als einen Reichthum ihres ſinnlichen We- ſens betrachteten. 45. Cardanus erzaͤhlt im 18. Buch de subtilitate von ſich ſelbſt: Id fuit ab anno quarto ad septimum usque: ab ho- ra enim diei secunda ad quartam semper, aut si modo tardius aut surgerem aut expergiscerer, imagines videbam ab imo lecti, quasi e parvulis annulis areisque con- stantes, arborum, belluarum, hominum, oppidorum, instructarum acierum, bellicorum ac musicorum instru- mentorum, aliorumque huius generis adscendentes, vicis- simque descendentes, aliis atque aliis succedentibus. Cumque his maxime puerulus existens oblecta- rer, obque id intentus inspicerem, Clara mater et Margaretha amita diligenter aliquando interrogarunt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/41
Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/41>, abgerufen am 22.12.2024.