Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.hieraus offenbar. Das Gesagte versinnlicht auch was mit Zu der ursprünglichen Untersuchung werde nun das hieraus offenbar. Das Geſagte verſinnlicht auch was mit Zu der urſpruͤnglichen Unterſuchung werde nun das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0128" n="112"/> hieraus offenbar. Das Geſagte verſinnlicht auch was mit<lb/> den Weinen und Salben geſchieht. Denn das den Salben<lb/> beigefuͤgte Oel ſaugt ſchnell die Geruͤche der naͤchſten Dinge<lb/> auf: und das thut auch der Wein, er ſaugt nicht allein<lb/> die Geruͤche der ihm beigefuͤgten und zugemiſchten Dinge,<lb/> ſondern auch von dem, was in der Naͤhe des Behaͤltniſſes<lb/> gelegen oder gewachſen iſt, ein.</p><lb/> <p>Zu der urſpruͤnglichen Unterſuchung werde nun das<lb/> eine vorausgeſetzt, was aus dem Geſagten offenbar iſt,<lb/> daß wenn das aͤuſſere Empfindbare (αἰσϑητὸν) abgeht,<lb/> das Empfundene (αἴσϑημα) verbleibe. Ferner, daß<lb/> wir in den Leidenſchaften leicht in den Empfindungen<lb/> irren, Andere in anderen, wie der Furchtſame in der<lb/> Furcht, der Liebhaber in der Liebe, ſo daß durch eine<lb/> geringe Aehnlichkeit der eine Feinde, der andere den<lb/> Geliebten zu ſehen glaubt. Und das tritt ein bei ſo<lb/> kleinerer Aehnlichkeit, je leidenſchaftlicher einer iſt. So<lb/> irrt man im Eifer und in allen Begierden leicht, um ſo<lb/> mehr einer in den Leidenſchaften iſt. Deshalb erſcheinen<lb/> auch den Fiebernden zuweilen Thiere auf den Waͤnden, we-<lb/> gen einer geringen Aehnlichkeit der mit einander verbun-<lb/> denen Lineamente. Und dieß faͤllt manchmal ſo mit den<lb/> Krankheiten zuſammen, daß, wenn ſie nicht ſehr fiebern,<lb/> ſie den Irrthum erkennen, wenn ſie aber aͤrger erkranken,<lb/> ſie ſogar nach den Phantaſiebildern bewegt werden. Die<lb/> Urſache davon iſt die, daß das Herrſchende, und das, worin<lb/> auch die Phantasmen ſich bilden, nicht mit derſelben Kraft<lb/> unterſcheiden. Davon iſt ein Beiſpiel, daß, wenn die Sonne<lb/> einen Fuß groß erſcheint, oft irgend ein Anderes der Phan-<lb/> taſie entgegen iſt. So ſcheint auch bei uͤber einander ge-<lb/> ſchlagenen Fingern ein Einfaches doppelt, aber gleichwohl<lb/> ſagen wir nicht, daß es doppelt ſey; denn hoͤher als das<lb/> Getaſt ſteht das Geſicht. Wenn das Getaſt allein waͤre,<lb/> wuͤrden wir wohl das Eine fuͤr doppelt halten. Die Ur-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0128]
hieraus offenbar. Das Geſagte verſinnlicht auch was mit
den Weinen und Salben geſchieht. Denn das den Salben
beigefuͤgte Oel ſaugt ſchnell die Geruͤche der naͤchſten Dinge
auf: und das thut auch der Wein, er ſaugt nicht allein
die Geruͤche der ihm beigefuͤgten und zugemiſchten Dinge,
ſondern auch von dem, was in der Naͤhe des Behaͤltniſſes
gelegen oder gewachſen iſt, ein.
Zu der urſpruͤnglichen Unterſuchung werde nun das
eine vorausgeſetzt, was aus dem Geſagten offenbar iſt,
daß wenn das aͤuſſere Empfindbare (αἰσϑητὸν) abgeht,
das Empfundene (αἴσϑημα) verbleibe. Ferner, daß
wir in den Leidenſchaften leicht in den Empfindungen
irren, Andere in anderen, wie der Furchtſame in der
Furcht, der Liebhaber in der Liebe, ſo daß durch eine
geringe Aehnlichkeit der eine Feinde, der andere den
Geliebten zu ſehen glaubt. Und das tritt ein bei ſo
kleinerer Aehnlichkeit, je leidenſchaftlicher einer iſt. So
irrt man im Eifer und in allen Begierden leicht, um ſo
mehr einer in den Leidenſchaften iſt. Deshalb erſcheinen
auch den Fiebernden zuweilen Thiere auf den Waͤnden, we-
gen einer geringen Aehnlichkeit der mit einander verbun-
denen Lineamente. Und dieß faͤllt manchmal ſo mit den
Krankheiten zuſammen, daß, wenn ſie nicht ſehr fiebern,
ſie den Irrthum erkennen, wenn ſie aber aͤrger erkranken,
ſie ſogar nach den Phantaſiebildern bewegt werden. Die
Urſache davon iſt die, daß das Herrſchende, und das, worin
auch die Phantasmen ſich bilden, nicht mit derſelben Kraft
unterſcheiden. Davon iſt ein Beiſpiel, daß, wenn die Sonne
einen Fuß groß erſcheint, oft irgend ein Anderes der Phan-
taſie entgegen iſt. So ſcheint auch bei uͤber einander ge-
ſchlagenen Fingern ein Einfaches doppelt, aber gleichwohl
ſagen wir nicht, daß es doppelt ſey; denn hoͤher als das
Getaſt ſteht das Geſicht. Wenn das Getaſt allein waͤre,
wuͤrden wir wohl das Eine fuͤr doppelt halten. Die Ur-
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Zitationshilfe: | Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/128>, abgerufen am 11.02.2025. |