Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.die Weiber zur Zeit der Katamenien in den Spiegel sehen, die Weiber zur Zeit der Katamenien in den Spiegel ſehen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0127" n="111"/> die Weiber zur Zeit der Katamenien in den Spiegel ſehen,<lb/> iſt die Oberflaͤche des noch ſo reinen Spiegels wie mit einem<lb/> blutigen Nebel bedeckt. Iſt es ein neuer Spiegel, ſo iſt es<lb/> nicht leicht, den Flecken abzuwiſchen, leicht, wenn er alt<lb/> iſt. Die Urſache iſt, wie geſagt, daß das Geſicht von der<lb/> Luft nicht allein etwas erleidet, ſondern auch thaͤtig iſt<lb/> und die Luft wie das Glaͤnzende erregt. Denn das Ge-<lb/> ſicht hat es mit dem Glaͤnzenden und Farbetragenden.<lb/> Zur Zeit der Katamenien wurden daher die Augen<lb/> wie irgend jeder andere Theil aus guten Gruͤnden affi-<lb/> cirt, indem ſie von Natur gefaͤßreich ſind. Der zur<lb/> Zeit der Katamenien durch die Erregung und Entzuͤn-<lb/> dung des Blutes in den Augen entſtehende Unterſchied<lb/> iſt uns zwar nicht erkennbar, er iſt aber da (denn Sa-<lb/> me und Katamenien haben einerlei Natur). Von ihnen<lb/> wird die Luft bewegt und wirkt auf die mit ihm zuſam-<lb/> menhaͤngende Luft des Spiegels und theilt ihr die eigene<lb/> Leidenſchaft mit, und die giebt dem Spiegel den Anſchein,<lb/> wie dann die reinſten Kleider am ſchnellſten beſchmutzt wer-<lb/> den; denn das Reine zeigt aufs genaueſte, was es aufge-<lb/> nommen, und am meiſten die kleinſten Bewegungen. So nimmt<lb/> das Erz durch das Glattſeyn jede Beruͤhrung am meiſten<lb/> wahr. Man muß nun wiſſen, daß die Beruͤhrung des<lb/> Erzes eine Reibung iſt und gleichſam ein Abwiſchen, und<lb/> die iſt, auch noch ſo gering, wegen der Reinheit erkennbar.<lb/> Daß die Flecken nicht leicht aus den neuen Spiegeln aus-<lb/> gehen, liegt auch an der Reinheit und Glaͤtte; jene ver-<lb/> breiten ſich naͤmlich in die Tiefe und ins Ganze, in die Tiefe<lb/> wegen der Reinheit, ins Ganze wegen der Glaͤtte. In<lb/> den alten Spiegeln bleiben die Flecken nicht, weil ſie nicht<lb/> ſo eindringen, ſondern mehr oberflaͤchlich ſind. Daß dem-<lb/> nach von kleinen Unterſchieden die Bewegung entſteht und<lb/> ſchnell empfunden wird, und daß das Sinnesorgan der<lb/> Farben nicht allein leidet ſondern auch gegenthaͤtig iſt, iſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0127]
die Weiber zur Zeit der Katamenien in den Spiegel ſehen,
iſt die Oberflaͤche des noch ſo reinen Spiegels wie mit einem
blutigen Nebel bedeckt. Iſt es ein neuer Spiegel, ſo iſt es
nicht leicht, den Flecken abzuwiſchen, leicht, wenn er alt
iſt. Die Urſache iſt, wie geſagt, daß das Geſicht von der
Luft nicht allein etwas erleidet, ſondern auch thaͤtig iſt
und die Luft wie das Glaͤnzende erregt. Denn das Ge-
ſicht hat es mit dem Glaͤnzenden und Farbetragenden.
Zur Zeit der Katamenien wurden daher die Augen
wie irgend jeder andere Theil aus guten Gruͤnden affi-
cirt, indem ſie von Natur gefaͤßreich ſind. Der zur
Zeit der Katamenien durch die Erregung und Entzuͤn-
dung des Blutes in den Augen entſtehende Unterſchied
iſt uns zwar nicht erkennbar, er iſt aber da (denn Sa-
me und Katamenien haben einerlei Natur). Von ihnen
wird die Luft bewegt und wirkt auf die mit ihm zuſam-
menhaͤngende Luft des Spiegels und theilt ihr die eigene
Leidenſchaft mit, und die giebt dem Spiegel den Anſchein,
wie dann die reinſten Kleider am ſchnellſten beſchmutzt wer-
den; denn das Reine zeigt aufs genaueſte, was es aufge-
nommen, und am meiſten die kleinſten Bewegungen. So nimmt
das Erz durch das Glattſeyn jede Beruͤhrung am meiſten
wahr. Man muß nun wiſſen, daß die Beruͤhrung des
Erzes eine Reibung iſt und gleichſam ein Abwiſchen, und
die iſt, auch noch ſo gering, wegen der Reinheit erkennbar.
Daß die Flecken nicht leicht aus den neuen Spiegeln aus-
gehen, liegt auch an der Reinheit und Glaͤtte; jene ver-
breiten ſich naͤmlich in die Tiefe und ins Ganze, in die Tiefe
wegen der Reinheit, ins Ganze wegen der Glaͤtte. In
den alten Spiegeln bleiben die Flecken nicht, weil ſie nicht
ſo eindringen, ſondern mehr oberflaͤchlich ſind. Daß dem-
nach von kleinen Unterſchieden die Bewegung entſteht und
ſchnell empfunden wird, und daß das Sinnesorgan der
Farben nicht allein leidet ſondern auch gegenthaͤtig iſt, iſt
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