auch eine Waare, und, wenn es ruht, Gegenstand des Privateigenthums ist, allen persönlichen und feudalen Ver- pflichtungen ausweicht, und sich bloß auf das absolute Pri- vateigenthum stützt, wie es zum Beyspiel geschieht, wenn man in unseren Theorien das Manufactursystem durchaus an die Stelle des Zunft- und Innungssystems setzt -- dieses Ge- werbe in ein allgemeines Schuldenwesen, und in die Brot- losigkeit der Arbeiter ausgehen, also verderben müsse.
Jedermann wird mir nach diesen Betrachtungen einräu- men, daß, wenn alles feudalistische Wesen aufgehoben wäre, auch das prahlerische System unserer Industrie nothwendig zusammensinken müßte. Schon in dem gegenwärtigen Zu- stand der Dinge, wo doch noch die meisten unserer bürger- lichen Einrichtungen im Zusammenhange mit ihrer feudalisti- schen Quelle stehen, und eigentlich erst in wenigen einzelnen Fällen die alten persönlichen Verpflichtungen in Geldprästa- tionen und privatrechtliches Eigenthum verwandelt worden, ist ein viel drückenderes persönliches Verhältniß an die Stelle der aufgehobenen getreten: das Staats- und Privatschulden- wesen. Keine Dienstpflichtigkeit der Welt, weder des Vasallen gegen seinen Lehnherrn, noch des Unterthanen gegen seinen Grundherrn, noch des Gesellen gegen seinen Meister u. s. f. wie diese Dienstverhältnisse auch von dem alten Charakter der Gegenseitigkeit abgefallen seyn mochten, ist wohl an inner- licher Schmach und Demüthigung mit dem Verhältniß des Schuldners gegen seinen Gläubiger zu vergleichen: und so ist die Welt auf der einen Seite dem Druck natürlicher Ver- pflichtungen entlaufen, um sich auf der andern Seite nur desto
auch eine Waare, und, wenn es ruht, Gegenſtand des Privateigenthums iſt, allen perſoͤnlichen und feudalen Ver- pflichtungen ausweicht, und ſich bloß auf das abſolute Pri- vateigenthum ſtuͤtzt, wie es zum Beyſpiel geſchieht, wenn man in unſeren Theorien das Manufacturſyſtem durchaus an die Stelle des Zunft- und Innungsſyſtems ſetzt — dieſes Ge- werbe in ein allgemeines Schuldenweſen, und in die Brot- loſigkeit der Arbeiter ausgehen, alſo verderben muͤſſe.
Jedermann wird mir nach dieſen Betrachtungen einraͤu- men, daß, wenn alles feudaliſtiſche Weſen aufgehoben waͤre, auch das prahleriſche Syſtem unſerer Induſtrie nothwendig zuſammenſinken muͤßte. Schon in dem gegenwaͤrtigen Zu- ſtand der Dinge, wo doch noch die meiſten unſerer buͤrger- lichen Einrichtungen im Zuſammenhange mit ihrer feudaliſti- ſchen Quelle ſtehen, und eigentlich erſt in wenigen einzelnen Faͤllen die alten perſoͤnlichen Verpflichtungen in Geldpraͤſta- tionen und privatrechtliches Eigenthum verwandelt worden, iſt ein viel druͤckenderes perſoͤnliches Verhaͤltniß an die Stelle der aufgehobenen getreten: das Staats- und Privatſchulden- weſen. Keine Dienſtpflichtigkeit der Welt, weder des Vaſallen gegen ſeinen Lehnherrn, noch des Unterthanen gegen ſeinen Grundherrn, noch des Geſellen gegen ſeinen Meiſter u. ſ. f. wie dieſe Dienſtverhaͤltniſſe auch von dem alten Charakter der Gegenſeitigkeit abgefallen ſeyn mochten, iſt wohl an inner- licher Schmach und Demuͤthigung mit dem Verhaͤltniß des Schuldners gegen ſeinen Glaͤubiger zu vergleichen: und ſo iſt die Welt auf der einen Seite dem Druck natuͤrlicher Ver- pflichtungen entlaufen, um ſich auf der andern Seite nur deſto
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auch eine Waare, und, wenn es ruht, Gegenſtand des
Privateigenthums iſt, allen perſoͤnlichen und feudalen Ver-
pflichtungen ausweicht, und ſich bloß auf das abſolute Pri-
vateigenthum ſtuͤtzt, wie es zum Beyſpiel geſchieht, wenn
man in unſeren Theorien das Manufacturſyſtem durchaus an
die Stelle des Zunft- und Innungsſyſtems ſetzt — dieſes Ge-
werbe in ein allgemeines Schuldenweſen, und in die Brot-
loſigkeit der Arbeiter ausgehen, alſo verderben muͤſſe.
Jedermann wird mir nach dieſen Betrachtungen einraͤu-
men, daß, wenn alles feudaliſtiſche Weſen aufgehoben waͤre,
auch das prahleriſche Syſtem unſerer Induſtrie nothwendig
zuſammenſinken muͤßte. Schon in dem gegenwaͤrtigen Zu-
ſtand der Dinge, wo doch noch die meiſten unſerer buͤrger-
lichen Einrichtungen im Zuſammenhange mit ihrer feudaliſti-
ſchen Quelle ſtehen, und eigentlich erſt in wenigen einzelnen
Faͤllen die alten perſoͤnlichen Verpflichtungen in Geldpraͤſta-
tionen und privatrechtliches Eigenthum verwandelt worden,
iſt ein viel druͤckenderes perſoͤnliches Verhaͤltniß an die Stelle
der aufgehobenen getreten: das Staats- und Privatſchulden-
weſen. Keine Dienſtpflichtigkeit der Welt, weder des Vaſallen
gegen ſeinen Lehnherrn, noch des Unterthanen gegen ſeinen
Grundherrn, noch des Geſellen gegen ſeinen Meiſter u. ſ. f.
wie dieſe Dienſtverhaͤltniſſe auch von dem alten Charakter der
Gegenſeitigkeit abgefallen ſeyn mochten, iſt wohl an inner-
licher Schmach und Demuͤthigung mit dem Verhaͤltniß des
Schuldners gegen ſeinen Glaͤubiger zu vergleichen: und ſo iſt
die Welt auf der einen Seite dem Druck natuͤrlicher Ver-
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/50>, abgerufen am 18.12.2024.
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