Was man dem Staat an äußerer Macht durch stehende Armeen, Festungen, durch eine weise Subordination und durch Zwang hinzu thut, ist sehr wichtig; aber es ist sehr unbedeutend gegen die uralte, durch die Bedürfnisse langer Jahrhunderte befestigte innere Bindung des Staats, durch ein über seine ganze Oberfläche hin gewachsenes Netz von Wechsel- verpflichtungen und gegenseitigen Verbürgungen, zumahl, wenn diese Verpflichtungen über das Eigenthum aller Eigen- thume, über die Erhaltung des Staates selbst, oder doch über das Grundeigenthum, wie beydes in dem verrufenen Verhält- nisse des Lehnsherrn zum Vasallen, und in dem Verhältniß des Grundherrn zu seinem pflichtigen Bauer der Fall ist, eingegangen worden sind. Es bedarf ein Jahrhundert, um solche feudalistische Bande zu zerstören, und den darauf ge- gründeten eigentlichen Freystaat zu unterjochen; eine kurze Zeit gehört hingegen dazu, um die in dem Römischen Zwangsstaat schon hinreichend isolirten Privateigenthümer vollends aus einander zu setzen, oder zu sprengen. --
Auch ich weiß es und erkenne es an, daß in unsern Tagen an unzähligen Stellen die feudalistischen Bande drücken, wie eiserne Römische: aber die feudalistischen Eigenthümer, die den Fluch der Zeit theilen, die den Glauben brechen, dem sie ihr Eigenthum verdanken, die ihre Vasallen und Dienstleute und das Grundstück dazu, wie Römisches Privateigenthum behan- deln, die von keiner Gegenseitigkeit, sondern nur von Römi- scher Einseitigkeit des Besitzes wissen, beweisen nichts, als was wir so oft erfahren, daß das Herrlichste durch den Miß- brauch zum Verworfensten, und das Beste in der Entartung
Was man dem Staat an aͤußerer Macht durch ſtehende Armeen, Feſtungen, durch eine weiſe Subordination und durch Zwang hinzu thut, iſt ſehr wichtig; aber es iſt ſehr unbedeutend gegen die uralte, durch die Beduͤrfniſſe langer Jahrhunderte befeſtigte innere Bindung des Staats, durch ein uͤber ſeine ganze Oberflaͤche hin gewachſenes Netz von Wechſel- verpflichtungen und gegenſeitigen Verbuͤrgungen, zumahl, wenn dieſe Verpflichtungen uͤber das Eigenthum aller Eigen- thume, uͤber die Erhaltung des Staates ſelbſt, oder doch uͤber das Grundeigenthum, wie beydes in dem verrufenen Verhaͤlt- niſſe des Lehnsherrn zum Vaſallen, und in dem Verhaͤltniß des Grundherrn zu ſeinem pflichtigen Bauer der Fall iſt, eingegangen worden ſind. Es bedarf ein Jahrhundert, um ſolche feudaliſtiſche Bande zu zerſtoͤren, und den darauf ge- gruͤndeten eigentlichen Freyſtaat zu unterjochen; eine kurze Zeit gehoͤrt hingegen dazu, um die in dem Roͤmiſchen Zwangsſtaat ſchon hinreichend iſolirten Privateigenthuͤmer vollends aus einander zu ſetzen, oder zu ſprengen. —
Auch ich weiß es und erkenne es an, daß in unſern Tagen an unzaͤhligen Stellen die feudaliſtiſchen Bande druͤcken, wie eiſerne Roͤmiſche: aber die feudaliſtiſchen Eigenthuͤmer, die den Fluch der Zeit theilen, die den Glauben brechen, dem ſie ihr Eigenthum verdanken, die ihre Vaſallen und Dienſtleute und das Grundſtuͤck dazu, wie Roͤmiſches Privateigenthum behan- deln, die von keiner Gegenſeitigkeit, ſondern nur von Roͤmi- ſcher Einſeitigkeit des Beſitzes wiſſen, beweiſen nichts, als was wir ſo oft erfahren, daß das Herrlichſte durch den Miß- brauch zum Verworfenſten, und das Beſte in der Entartung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0044"n="30"/><p>Was man dem Staat an aͤußerer Macht durch ſtehende<lb/>
Armeen, Feſtungen, durch eine weiſe Subordination und<lb/>
durch Zwang hinzu thut, iſt ſehr wichtig; aber es iſt ſehr<lb/>
unbedeutend gegen die uralte, durch die Beduͤrfniſſe langer<lb/>
Jahrhunderte befeſtigte innere Bindung des Staats, durch ein<lb/>
uͤber ſeine ganze Oberflaͤche hin gewachſenes Netz von Wechſel-<lb/>
verpflichtungen und gegenſeitigen Verbuͤrgungen, zumahl,<lb/>
wenn dieſe Verpflichtungen uͤber das Eigenthum aller Eigen-<lb/>
thume, uͤber die Erhaltung des Staates ſelbſt, oder doch uͤber<lb/>
das Grundeigenthum, wie beydes in dem verrufenen Verhaͤlt-<lb/>
niſſe des Lehnsherrn zum Vaſallen, und in dem Verhaͤltniß<lb/>
des Grundherrn zu ſeinem pflichtigen Bauer der Fall iſt,<lb/>
eingegangen worden ſind. Es bedarf ein Jahrhundert, um<lb/>ſolche feudaliſtiſche Bande zu zerſtoͤren, und den darauf ge-<lb/>
gruͤndeten eigentlichen Freyſtaat zu unterjochen; eine kurze<lb/>
Zeit gehoͤrt hingegen dazu, um die in dem Roͤmiſchen<lb/>
Zwangsſtaat ſchon hinreichend iſolirten Privateigenthuͤmer<lb/>
vollends aus einander zu ſetzen, oder zu ſprengen. —</p><lb/><p>Auch ich weiß es und erkenne es an, daß in unſern Tagen<lb/>
an unzaͤhligen Stellen die feudaliſtiſchen Bande druͤcken, wie<lb/>
eiſerne Roͤmiſche: aber die feudaliſtiſchen Eigenthuͤmer, die den<lb/>
Fluch der Zeit theilen, die den Glauben brechen, dem ſie ihr<lb/>
Eigenthum verdanken, die ihre Vaſallen und Dienſtleute und<lb/>
das Grundſtuͤck dazu, wie Roͤmiſches Privateigenthum behan-<lb/>
deln, die von keiner Gegenſeitigkeit, ſondern nur von Roͤmi-<lb/>ſcher Einſeitigkeit des Beſitzes wiſſen, beweiſen nichts, als<lb/>
was wir ſo oft erfahren, daß das Herrlichſte durch den Miß-<lb/>
brauch zum Verworfenſten, und das Beſte in der Entartung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[30/0044]
Was man dem Staat an aͤußerer Macht durch ſtehende
Armeen, Feſtungen, durch eine weiſe Subordination und
durch Zwang hinzu thut, iſt ſehr wichtig; aber es iſt ſehr
unbedeutend gegen die uralte, durch die Beduͤrfniſſe langer
Jahrhunderte befeſtigte innere Bindung des Staats, durch ein
uͤber ſeine ganze Oberflaͤche hin gewachſenes Netz von Wechſel-
verpflichtungen und gegenſeitigen Verbuͤrgungen, zumahl,
wenn dieſe Verpflichtungen uͤber das Eigenthum aller Eigen-
thume, uͤber die Erhaltung des Staates ſelbſt, oder doch uͤber
das Grundeigenthum, wie beydes in dem verrufenen Verhaͤlt-
niſſe des Lehnsherrn zum Vaſallen, und in dem Verhaͤltniß
des Grundherrn zu ſeinem pflichtigen Bauer der Fall iſt,
eingegangen worden ſind. Es bedarf ein Jahrhundert, um
ſolche feudaliſtiſche Bande zu zerſtoͤren, und den darauf ge-
gruͤndeten eigentlichen Freyſtaat zu unterjochen; eine kurze
Zeit gehoͤrt hingegen dazu, um die in dem Roͤmiſchen
Zwangsſtaat ſchon hinreichend iſolirten Privateigenthuͤmer
vollends aus einander zu ſetzen, oder zu ſprengen. —
Auch ich weiß es und erkenne es an, daß in unſern Tagen
an unzaͤhligen Stellen die feudaliſtiſchen Bande druͤcken, wie
eiſerne Roͤmiſche: aber die feudaliſtiſchen Eigenthuͤmer, die den
Fluch der Zeit theilen, die den Glauben brechen, dem ſie ihr
Eigenthum verdanken, die ihre Vaſallen und Dienſtleute und
das Grundſtuͤck dazu, wie Roͤmiſches Privateigenthum behan-
deln, die von keiner Gegenſeitigkeit, ſondern nur von Roͤmi-
ſcher Einſeitigkeit des Beſitzes wiſſen, beweiſen nichts, als
was wir ſo oft erfahren, daß das Herrlichſte durch den Miß-
brauch zum Verworfenſten, und das Beſte in der Entartung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/44>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.